Das deutsche Einkommensteuerrecht ist komplex und umfangreich. Es umfasst verschiedene Einkunftsarten und gestaltet sich für Laien oft unübersichtlich. Eine dieser Einkunftsarten sind die Überschusseinkünfte. In diesem umfangreichen und detaillierten Blog-Beitrag werden wir uns intensiv mit der rechtlichen Einordnung von Überschusseinkünften befassen, aktuelle Gerichtsurteile betrachten, Steuergestaltungsmöglichkeiten aufzeigen und häufige Fragen rund um das Thema beantworten. Ziel dieses Beitrags ist es, Ihnen als Leser fundiertes Fachwissen auf verständliche Weise zu vermitteln und Ihnen einen praxisnahen Einblick in die Welt der Überschusseinkünfte zu geben.
Rechtliche Grundlagen der Überschusseinkünfte
Bevor wir uns mit den steuerlichen Aspekten von Überschusseinkünften beschäftigen, wollen wir zunächst die rechtlichen Grundlagen klären. Dazu ist es notwendig, den Begriff der Überschusseinkünfte zu definieren und ihre Einordnung im deutschen Einkommensteuerrecht zu erläutern.
Definition und Überblick: Überschusseinkünfte
Überschusseinkünfte sind eine der sieben Einkunftsarten im deutschen Einkommensteuerrecht und sind in § 2 Abs. 1 Nr. 1-7 EStG aufgeführt. Sie zeichnen sich durch ihre Abgrenzung zu den Gewinneinkünften und ihre Ermittlung als Differenz zwischen Einnahmen und Werbungskosten aus. Zu den Überschusseinkünften zählen unter anderem:
- Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 19 EStG)
- Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG)
- Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG)
- Einkünfte aus Renten und anderen wiederkehrenden Bezügen (§ 22 EStG)
Anders als bei den Gewinneinkünften existiert bei den Überschusseinkünften kein Betriebsvermögen und es sind keine Abschreibungen auf Wirtschaftsgüter vorzunehmen. Stattdessen werden die subjektiven, individuellen Aufwendungen in Form von Werbungskosten abgezogen, um den steuerpflichtigen Überschuss zu ermitteln.
Abgrenzung zu den Gewinneinkünften
Um die Überschusseinkünfte von den Gewinneinkünften abzugrenzen, ist es notwendig, die wesentlichen Unterschiede zwischen diesen beiden Einkunftsarten zu kennen:
- Gewinneinkünfte ergeben sich aus einer selbstständigen Tätigkeit, Überschusseinkünfte aus einer nichtselbstständigen Tätigkeit
- Gewinneinkünfte werden durch die Bilanzierung im Betriebsvermögen ermittelt, Überschusseinkünfte durch Einnahmenüberschussrechnung
- Bei den Gewinneinkünften werden Abschreibungen auf das Anlagevermögen vorgenommen, bei den Überschusseinkünften werden Werbungskosten abgezogen
Aktuelle Gerichtsurteile zu Überschusseinkünften
Das deutsche Einkommensteuerrecht ist ständigem Wandel unterworfen und immer wieder werden Grundsatzentscheidungen von den Gerichten getroffen, die Einfluss auf die Besteuerung von Einkünften haben. Auch im Bereich der Überschusseinkünfte gibt es einige interessante und relevante Urteile, die wir im Folgenden vorstellen und analysieren möchten:
Bundesfinanzhof zur Unverfallbarkeitsfrist bei Altersvorsorgeaufwendungen
In einem Urteil vom 14. November 2018 (Az. X R 44-45/16) hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass bei der Berücksichtigung von Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben die Unverfallbarkeit der Anwartschaften keine Rolle spielt. In dem zu entscheidenden Fall hatte ein Arbeitnehmer Beiträge zu einer Pensionszusage geleistet, die jedoch noch nicht unverfallbar war. Das Finanzamt lehnte den Sonderausgabenabzug ab. Der BFH entschied jedoch zugunsten des Klägers und hob das Urteil der Vorinstanz auf.
Bundesfinanzhof zur Geltendmachung von Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen
Der BFH entschied am 3. Juli 2018 (Az. VIII R 32/16), dass Anleger, die in Investmentfonds investiert haben, die ihnen im Rahmen der Investmentbesteuerung zugewiesenen Werbungskosten abziehen dürfen. Das Finanzamt hatte die Anerkennung der geltend gemachten Werbungskosten abgelehnt und sich auf die Regelung des § 20 Abs. 9 EStG berufen, derzufolge bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen Werbungskosten nicht abzugsfähig sind.
Bundesfinanzhof zur Abgeltungsteuer bei Darlehen unter Angehörigen
In einem Urteil vom 5. Dezember 2017 (Az. VIII R 17/16) nahm der BFH zum Abzug von Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen im Zusammenhang mit einem Darlehen unter nahen Angehörigen Stellung. Die Richter entschieden, dass die Abgeltungsteuer auf Zinszahlungen im familieninternen Darlehensverkehr nicht zur Anwendung kommt, wenn die Bedingungen des Darlehensvertrags fremdüblich sind und der Schuldner die Zinsen tatsächlich entrichtet hat.
Steuergestaltungsmöglichkeiten bei Überschusseinkünften
Neben der Kenntnis der rechtlichen Grundlagen und aktuellen Gerichtsentscheidungen ist es für Steuerpflichtige mit Überschusseinkünften von besonderem Interesse, welche steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten sich bieten, um die Steuerlast zu optimieren. Im Folgenden werden wir einige solcher Möglichkeiten aufzeigen und erläutern:
Optimierung der Werbungskosten
Die korrekte und umfassende Erfassung der Werbungskosten ist ein zentrales Element bei der Ermittlung der steuerlichen Belastung durch Überschusseinkünfte. Hierzu zählen beispielsweise:
- Fortbildungskosten bei Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit
- Schuldzinsen bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung
- Beiträge zur Altersvorsorge
- Kosten für Steuerberatung
Wer hier den vollen Umfang der abzugsfähigen Werbungskosten ausschöpft, kann seine Steuerlast deutlich senken.
Nutzung von Verlustverrechnungsmöglichkeiten
Bei Überschusseinkünften können Verluste aus einer Einkunftsart mit Gewinnen aus anderen Einkunftsarten verrechnet werden, sofern sie in demselben Veranlagungszeitraum entstanden sind. Werden die Verlustverrechnungsmöglichkeiten richtig genutzt, kann dies eine erhebliche Minimierung der steuerlichen Belastung bedeuten. Das Finanzamt berücksichtigt die Verlustverrechnung bei der Ermittlung der Einkommensteuer automatisch, doch eine gezielte Planung und rechtzeitige Information des zuständigen Finanzamts können steuerliche Vorteile bewirken.
Gezielte Gestaltung der Kapitaleinkünfte
Bei Einkünften aus Kapitalvermögen kann die Steuerlast durch gezielte Planung und Nutzung der gesetzlichen Möglichkeiten minimiert werden. Dies kann beispielsweise durch die Nutzung der Freistellungsaufträge bei Banken, das Ausnutzen des Sparer-Pauschbetrags oder die Umwandlung von Zinseinkünften in steuerfreie Dividenden erreicht werden.
Immobilieninvestitionen zur Steuerersparnis
Die Anlage in Immobilien bietet bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einige steuerliche Vorteile, insbesondere durch die Möglichkeit der Abschreibung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Zudem können im Zusammenhang mit einer Immobilieninvestition anfallende Schuldzinsen als Werbungskosten geltend gemacht werden, sofern sie zur Finanzierung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten aufgenommen wurden.
FAQ: Häufige Fragen zu Überschusseinkünften
In diesem Abschnitt möchten wir einige häufig auftretende Fragen rund um das Thema Überschusseinkünfte beantworten:
Was sind Überschusseinkünfte?
Überschusseinkünfte sind eine der sieben Einkunftsarten im deutschen Einkommensteuerrecht und zeichnen sich durch ihre Abgrenzung zu den Gewinneinkünften und ihre Ermittlung als Differenz zwischen Einnahmen und Werbungskosten aus.
Welche Einkunftsarten zählen zu den Überschusseinkünften?
Zu den Überschusseinkünften zählen Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, Einkünfte aus Kapitalvermögen, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie Einkünfte aus Renten und anderen wiederkehrenden Bezügen.
Was ist der Unterschied zwischen Überschusseinkünften und Gewinneinkünften?
Überschusseinkünfte ergeben sich aus einer nichtselbstständigen Tätigkeit, Gewinneinkünfte aus einer selbstständigen Tätigkeit. Zudem werden Überschusseinkünfte durch Einnahmenüberschussrechnung ermittelt, während Gewinneinkünfte durch Bilanzierung im Betriebsvermögen ermittelt werden.
Wie können Werbungskosten bei Überschusseinkünften geltend gemacht werden?
Werbungskosten können bei Überschusseinkünften in der Einkommensteuererklärung angegeben und somit von den Einnahmen abgezogen werden, um den steuerpflichtigen Überschuss zu ermitteln. Hierzu zählen beispielsweise Fortbildungskosten, Schuldzinsen, Beiträge zur Altersvorsorge oder Kosten für Steuerberatung.
Welche Steuergestaltungsmöglichkeiten bieten sich bei Überschusseinkünften?
Bei Überschusseinkünften bestehen zahlreiche Steuergestaltungsmöglichkeiten, wie die Optimierung der Werbungskosten, die Nutzung von Verlustverrechnungsmöglichkeiten, die gezielte Gestaltung der Kapitaleinkünfte oder Immobilieninvestitionen zur Steuerersparnis.
Überschusseinkünfte – Schlussbemerkungen
Die Welt der Überschusseinkünfte ist vielschichtig und facettenreich. Ihr Verständnis ist essenziell für eine erfolgreiche steuerliche Gestaltung. Auch wenn das deutsche Einkommensteuerrecht, wie dieses Beispiel zeigt, äußerst komplex ist, haben wir versucht, die rechtlichen Grundlagen, aktuelle Gerichtsentscheidungen und Steuergestaltungsmöglichkeiten bei Überschusseinkünften verständlich und praxisnah zu vermitteln. Sollten Sie weitergehende Fragen haben oder eine individuelle Beratung wünschen, steht Ihnen unsere Anwaltskanzlei gerne zur Verfügung.
Unsere Rechtsanwälte stehen Ihnen bundesweit und im deutschsprachigen Ausland zur Verfügung.
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