Die Rechtsprechung der letzten Jahre hat gezeigt, dass das Thema Übersicherung von großer Bedeutung ist und sowohl rechtliche Risiken als auch Lösungsansätze bietet. In diesem ausführlichen Blog-Beitrag werden alle relevanten Aspekte unter die Lupe genommen. Aktuelle Gesetze, Gerichtsurteile, Beispiele und FAQs werden aufgezeigt, um Sie bestmöglich zu informieren.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung: Übersicherung: Was ist das?
- Rechtliche Risiken: Haftung und Verlust des Kreditgebers
- Aktuelle Gerichtsurteile
- Gesetzliche Regelungen und Schutzvorschriften
- Häufig gestellte Fragen
- Lösungsansätze für betroffene Verträge
- Fazit und Empfehlungen
Einführung: Übersicherung: Was ist das?
Übersicherung ist die Situation, in der die Sicherheiten, die ein Darlehensnehmer einem Kreditgeber gewährt, den Wert des Darlehens deutlich überschreiten. Dieses rechtliche Problem kann die ansonsten rechtmäßige Durchsetzung der Kreditforderung beeinträchtigen, da die Kreditquote abgesichert werden muss. Übersicherung kann Absicht oder Unkenntnis der Parteien sein, führt aber immer zu potenziellen rechtlichen Risiken.
In den folgenden Abschnitten werden mögliche rechtliche Gefahren und Konsequenzen aufgezeigt, aktuelle Gerichtsurteile präsentiert, die Gesetzgebung zu Übersicherung erläutert und Empfehlungen für betroffene Verträge und Lösungsansätze gegeben.
Rechtliche Risiken: Haftung und Verlust des Kreditgebers
Die Haftung des Darlehensnehmers oder des Kreditgebers kann unterschiedlich sein, abhängig von den spezifischen Umständen des Falles. Einige der Höchstrisiken sind:
- Verlust des Sicherungszwecks
- Haftung des Kreditgebers für Versäumnisse
- Sittenwidriges Übersicherungsverbot
- Überschreitung der gesetzlichen Grenzen
Verlust des Sicherungszwecks
Im Falle einer Übersicherung kann die Sicherheit ihre Schutzfunktion verlieren, da sie zum Schutz des Darlehens ausreichend sein muss. Ist der Sicherheitswert signifikant höher als das Darlehen, kann die Sicherheit in der Praxis unwirksam werden.
Haftung des Kreditgebers für Versäumnisse
Eine Übersicherung kann zur Haftung des Kreditgebers führen, wenn dies aufgrund eines Versäumnisses eines an der Kreditvergabe beteiligten Dritten erfolgt. In solchen Fällen kann der Kreditgeber diese Dritten gegebenenfalls auf Schadenersatz für den entstandenen Schaden in Anspruch nehmen.
Sittenwidriges Übersicherungsverbot
Übersicherung kann sittenwidrig sein, wenn sie dazu verwendet wird, den Darlehensnehmer durch überzogene Forderungen zu benachteiligen. Sittenwidrig sind die Fälle, in denen das Sicherungsverhältnis grob unausgewogen ist und der Kreditgeber Bösgläubigkeit oder Intransparenz aufweist.
Überschreitung der gesetzlichen Grenzen
Gesetzliche Regelungen beschränken die zulässige Höhe von Sicherheiten in Bezug auf den Kreditbetrag. Überschreitet eine Sicherheit diese gesetzlichen Grenzen, kann sie ganz oder teilweise für ungültig erklärt werden.
Aktuelle Gerichtsurteile
Einige bemerkenswerte Entscheidungen deutscher Gerichte zeigen die Bedeutung der Übersicherung im Bereich des Kreditsicherungsrechts und illustrieren ihre konkreten Auswirkungen:
- BGH, Urteil vom 13.01.2009 – XI ZR 118/08: Erfordernis einer Obergrenze für Globalzessionsvereinbarungen
- BGH, Urteil vom 25.06.2020 – III ZR 67/19: Übersicherung kann zur Anfechtung führen
- OLG München, Urteil vom 18.02.2016 – 5 U 1799/15: Bewertung der Übersicherung bei Fahrzeugfinanzierung
BGH, Urteil vom 13.01.2009 – XI ZR 118/08
Der BGH entschied, dass bei Globalzessionsvereinbarungen, bei denen sämtliche künftige Forderungen des Darlehensnehmers an den Kreditgeber zur Sicherung der Kredite abgetreten werden, eine Obergrenze erforderlich ist. Eine solche Regelung stellt sicher, dass die Sicherheit im Verhältnis zum Kreditbetrag steht und somit keine Übersicherung entsteht.
BGH, Urteil vom 25.06.2020 – III ZR 67/19
Eine Übersicherung kann gemäß dieser Entscheidung des BGH zur Anfechtung einer Sicherungsabrede führen, wenn die vereinbarten Verpflichtungen und Sicherheiten in der Summe den Kreditbetrag erheblich überschreiten. Dies kann dazu führen, dass ein Kreditgeber seinen gesamten Sicherheitenanspruch verliert.
OLG München, Urteil vom 18.02.2016 – 5 U 1799/15
Beim OLG München ging es um die Bewertung der Übersicherung bei einer Fahrzeugfinanzierung. Hier entschied das Gericht, dass eine Übersicherung vorliegt, wenn der Wert des Kraftfahrzeugs als Sicherheit in erheblichem Maße den Darlehensbetrag übersteigt – auch wenn der Darlehensbetrag angemessen ist.
Gesetzliche Regelungen und Schutzvorschriften
Die Gesetzgebung hat auf die Problemstellung der Übersicherung reagiert und versucht, die Ausgewogenheit des Sicherungsverhältnisses einschränkend zu regulieren, wobei auch spezielle Normen zum Schutze des Darlehensnehmers erlassen wurden:
- § 138 BGB: Sittenwidrigkeit
- §§ 1027-1029 BGB: Sicherungsübermaß
- § 19 BKrG: Begrenzung von Sicherheiten
§ 138 BGB: Sittenwidrigkeit
Diese Norm enthält das allgemeine Verbot der Sittenwidrigkeit und stellt sicher, dass Übersicherung, die einen Verstoß gegen die guten Sitten darstellt, als rechtswidrig angesehen und entsprechend behandelt wird.
§§ 1027-1029 BGB: Sicherungsübermaß
Die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§§ 1027-1029 BGB) regeln speziell das Problem der Übersicherung im Bereich der Grundschulden und Hypotheken und bieten dem Gläubiger die Möglichkeit, von einer übermäßigen Sicherheitenanrechnung zu profitieren, wenn die Sicherheit das Darlehen erheblich übersteigt.
§ 19 BKrG: Begrenzung von Sicherheiten
Das Bundeskleinkreditgesetz (BKrG) beschränkt die zulässige Höhe von Sicherheiten in Bezug auf Kleinkredite und stellt sicher, dass keine unverhältnismäßigen Sicherheiten vereinbart werden. Die maximale Sicherheit ist dabei auf das 1,5-fache des Kreditbetrags begrenzt.
Häufig gestellte Fragen
Im Folgenden finden Sie eine Auflistung der am häufigsten gestellten Fragen zur Thematik Übersicherung und deren Antworten.
Wann liegt eine Übersicherung vor?
Eine Übersicherung liegt vor, wenn die Sicherheiten, die ein Darlehensnehmer einem Kreditgeber gewährt, den Wert des Darlehens deutlich überschreiten. In der Praxis spricht man von einer Übersicherung, wenn der Sicherheitswert den Kreditbetrag um mehr als das 1,5-fache übersteigt.
Warum ist Übersicherung problematisch?
Übersicherung kann rechtliche Risiken für beide Parteien schaffen, wie zum Beispiel die Haftung des Kreditgebers für Versäumnisse, die Sittenwidrigkeit und den Verlust des Sicherungszweckes. Zudem kann Übersicherung die Durchsetzung eines Kredits erschweren und sich negativ auf die Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers auswirken.
Welche Sicherheiten können von einer Übersicherung betroffen sein?
Grundsätzlich können alle Sicherheiten von Übersicherung betroffen sein, wie zum Beispiel Grundschulden, Hypotheken, Bürgschaften, Globalzessionsvereinbarungen oder Sicherungsübereignungen.
Wie kann eine Übersicherung bei bestehenden Verträgen verhindert werden?
Um bei bestehenden Verträgen eine Übersicherung zu verhindern, kann eine anwaltliche Überprüfung und Optimierung der Sicherungsverträge erfolgen. Dazu gehört die Anpassung des Sicherungsverhältnisses, die Festlegung einer Obergrenze oder die Verringerung der Sicherheiten, um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Kreditbetrag und Sicherheitswert herzustellen.
Lösungsansätze für betroffene Verträge
Betroffene Verträge sollten zunächst gründlich auf das Vorliegen einer Übersicherung hin untersucht werden. Ist eine Übersicherung feststellbar, empfiehlt es sich, das Sicherungsverhältnis anzupassen und ein ausgewogenes Verhältnis von Kreditbetrag und Sicherheitswert herzustellen oder den Vertrag von beiden Parteien einvernehmlich zu ändern. Hierbei sollte juristischer Rat in Anspruch genommen werden, um sowohl gesetzliche Anforderungen als auch die Interessen der Parteien zu berücksichtigen.
Darüber hinaus sollten betroffene Darlehensnehmer und Kreditgeber darauf achten, dass sie transparent und kooperativ agieren und auf die Bedenken und Anliegen der jeweils anderen Partei eingehen.
Fazit und Empfehlungen
Übersicherung führt in der Praxis zu erheblichen rechtlichen Risiken, die sowohl Darlehensnehmer als auch Kreditgeber betreffen können. Eine rechtliche Überprüfung und Optimierung bestehender Sicherungsverträge zur Vermeidung von Übersicherung, insbesondere in Anbetracht der aktuellen Rechtsprechung und Gesetzgebung, ist unerlässlich.
Um Übersicherungssituationen rechtzeitig zu erkennen und proaktiv anzugehen, sollten sowohl Darlehensnehmer als auch Kreditgeber ihre Verträge regelmäßig überprüfen und gegebenenfalls anwaltlichen Rat einholen.
Sollten Sie Fragen zur Thematik Übersicherung haben oder Unterstützung bei der Überprüfung bestehender Sicherungsverträge benötigen, zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Unsere erfahrenen Rechtsanwälte stehen Ihnen gerne zur Seite und bieten Ihnen rechtlichen Beistand.
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Arthur Wilms | Rechtsanwalt | Associate
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