In der heutigen komplexen Geschäftswelt werden Verträge und andere Rechtsgeschäfte häufig durch Vertreter abgeschlossen. Um den Schutz dieser Vertreter und der beteiligten Parteien sicherzustellen, hat der Gesetzgeber klare Regeln für die Vertretung festgelegt. In diesem umfassenden Blog-Beitrag werden wir die unechte Stellvertretung, ihre rechtliche Einordnung, Beispiele, relevante Gesetze, aktuelle Gerichtsurteile und FAQs erörtern. Wir beginnen mit einer Unterscheidung der verschiedenen Stellvertretungsarten.

Unterscheidung der Stellvertretungsarten

Die Stellvertretung ist ein Rechtsinstitut, bei dem eine Person (Vertreter) im Namen einer anderen Person (Vertretener) ein Rechtsgeschäft vornimmt. Man unterscheidet hierbei zwischen der echten und der unechten Stellvertretung.

  • Echte Stellvertretung: Bei der echten Stellvertretung handelt der Vertreter im bewussten und gewollten Namen des Vertretenen. Das Rechtsgeschäft wirkt unmittelbar für oder gegen den Vertretenen (§ 164 BGB).
  • Unechte Stellvertretung: Bei der unechten Stellvertretung handelt der Vertreter in eigenem Namen, aber für Rechnung des Vertretenen. Das Rechtsgeschäft wirkt unmittelbar nur für oder gegen den Vertreter selbst, jedoch mittelbar auch für oder gegen den Vertretenen.

In diesem Beitrag liegt der Schwerpunkt auf der unechten Stellvertretung. Zu beachten ist, dass diese keine gesetzliche Grundlage im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) hat, sondern aus der Rechtsprechung und der Rechtswissenschaft entwickelt wurde.

Rechtsfolgen der unechten Stellvertretung und Abgrenzung zur echten Stellvertretung

Unechte Stellvertretung entfaltet ihre Wirkungen im Rahmen von Verträgen und anderen Rechtsgeschäften. Im Folgenden beschreiben wir die Rechtsfolgen der unechten Stellvertretung und zeigen die Unterschiede zur echten Stellvertretung auf.

Rechte und Pflichten des unechten Vertreters

Der unechte Vertreter ist im Außenverhältnis Vertragspartner des Dritten. Daher treffen ihn die Rechte und Pflichten aus dem Vertrag unmittelbar. Er hat zum Beispiel einen Anspruch auf die geschuldete Leistung und muss seinerseits seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllen. Im Innenverhältnis kann der Vertretene jedoch – je nach konkreter Ausgestaltung der unechten Stellvertretung – ebenfalls Rechte und Pflichten haben.

Abgrenzung zur echten Stellvertretung

Im Gegensatz zur unechten Stellvertretung wirkt das Rechtsgeschäft bei der echten Stellvertretung unmittelbar für oder gegen den Vertretenen. Der Vertreter handelt im Namen des Vertretenen, sodass dieser direkt Vertragspartner des Dritten wird. Die rechtlichen Folgen des Rechtsgeschäfts betreffen somit den Vertretenen und nicht den Vertreter.

Beispiele und Gerichtsurteile zur Verdeutlichung der unechten Stellvertretung

Um die unechte Stellvertretung besser zu verstehen, wollen wir Ihnen nun einige Beispiele und Gerichtsurteile präsentieren. Da die unechte Stellvertretung keine gesetzliche Grundlage im BGB hat, stützen wir die Beispiele auf Rechtsprechung und Rechtslehre.

Beispiel: Handelsvertreter

Ein Handelsvertreter schließt in eigenem Namen, aber für Rechnung des Unternehmers Geschäfte mit Kunden ab. In diesem Fall handelt es sich um eine unechte Stellvertretung. Der Handelsvertreter wird Vertragspartner des Kunden, jedoch wirkt der Vertrag mittelbar auch für oder gegen den Unternehmer.

Die Abgrenzung zur echten Stellvertretung erfolgt hier über das Handelsvertreterrecht. Bei einer echten Stellvertretung würde der Handelsvertreter im Namen des Unternehmers Geschäfte abschließen, sodass die rechtlichen Wirkungen unmittelbar den Unternehmer beträfen.

Beispiel: Kommissionär

Ein Kommissionär verkauft im eigenen Namen, aber für Rechnung des Kommittenten Waren. Der Kommissionär ist in diesem Fall unechter Vertreter. Im Außenverhältnis ist er Vertragspartner des Dritten, im Innenverhältnis jedoch für die Abwicklung und Erfüllung des Vertrages zuständig. Der Kommittent bleibt hierbei in der Regel im Hintergrund.

Gerichtsurteil: BGH, Urteil vom 26. Oktober 2016, Az. VIII ZR 13/16

Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied einen Fall, in dem ein Autohändler einen Gebrauchtwagen im eigenen Namen, aber für Rechnung eines Dritten verkaufte. Im Kaufvertrag hatte der Händler jedoch nicht angegeben, dass er lediglich als unechter Vertreter für den Dritten auftrat. Der BGH entschied, dass der Autohändler in diesem Fall selbst Vertragspartner des Käufers wurde und somit zur Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen verpflichtet war. In diesem Urteil zeigt sich die Bedeutung der Offenlegung der Vertretungssituation für die rechtlichen Folgen der unechten Stellvertretung.

FAQs zur unechten Stellvertretung

In diesem Abschnitt beantworten wir einige häufig gestellte Fragen zur unechten Stellvertretung, um Ihnen einen noch besseren Überblick zu geben.

Gibt es eine gesetzliche Regelung der unechten Stellvertretung?

Nein, im BGB findet sich keine ausdrückliche Regelung zur unechten Stellvertretung. Die Rechtsprechung und Rechtswissenschaft haben dieses Rechtsinstitut jedoch entwickelt und interpretieren es entsprechend der Erfordernisse des Rechtsverkehrs.

Kann ein unechter Vertreter vom Vertretenen aus dem Vertrag gelöst werden?

Grundsätzlich ist der unechte Vertreter Vertragspartner des Dritten und somit aus dem Vertrag nicht zu lösen. Im Innenverhältnis können jedoch Regelungen zur Abwicklung und Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen getroffen werden.

In bestimmten Fällen, etwa wenn es im Geschäftsverkehr üblich ist, dass der Vertretene im Hintergrund bleibt, kann der BGH eine so genannte „Vertragsübernahme“ zulassen. Hierbei wirken die Rechtsfolgen des Vertrags unmittelbar für oder gegen den Vertretenen, wie bei einer echten Stellvertretung.

Muss der unechte Vertreter seine Vertretungsqualität offenlegen?

Grundsätzlich besteht keine Offenlegungspflicht in Bezug auf die Vertretungsqualität. Die nicht offengelegte unechte Stellvertretung führt dazu, dass der Vertreter selbst Vertragspartner des Dritten wird. Die Offenlegung der Vertretungsqualität kann jedoch im Einzelfall aus Gründen der Transparenz und des Vertrauensschutzes ratsam sein. Soll die Wirkung des Rechtsgeschäfts jedoch unmittelbar dem Vertretenen zugute kommen, muss die Vertretung offengelegt werden, um eine echte Stellvertretung zu begründen.

Besteht eine besondere Haftung des unechten Vertreters?

Da der unechte Vertreter Vertragspartner des Dritten ist, trägt er die Verantwortung für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen. Im Innenverhältnis zwischen Vertreter und Vertretenem kann es jedoch zu Absprachen über die Haftung kommen. Grundsätzlich können sowohl der Vertreter als auch der Vertretene haften, letzterer jedoch nur, wenn die unechte Vertretung offengelegt wurde.

Fazit

Die unechte Stellvertretung ist ein wichtiger Bestandteil des Rechtsverkehrs und ermöglicht es, Rechtsgeschäfte im eigenen Namen, aber für Rechnung eines anderen durchzuführen. Auch wenn sie keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage im BGB hat, zeigt die Rechtsprechung immer wieder, wie relevant sie in der Praxis ist.

Die unechte Stellvertretung steht in enger Beziehung zur echten Stellvertretung, weist jedoch signifikante Unterschiede auf. Während bei der echten Stellvertretung die Rechtsfolgen des Geschäfts unmittelbar dem Vertretenen zugute kommen, wirken sie bei der unechten Stellvertretung zunächst nur für oder gegen den Vertreter selbst.

Aus diesem Grund ist es wichtig, die jeweilige Vertretungsqualität zu kennen und gegebenenfalls offenzulegen. Die Haftung des unechten Vertreters kann in Abhängigkeit von der Offenlegung der Vertretungsqualität variieren.

Die Beispiele und Gerichtsurteile in diesem Beitrag zeigen, wie vielfältig die unechte Stellvertretung in der Praxis vorkommt und welche rechtlichen Folgen sie haben kann. Sollten Sie als unechter Vertreter oder Vertretener weitere Fragen oder Bedenken haben, empfehlen wir Ihnen, sich mit einem erfahrenen Rechtsanwalt in Verbindung zu setzen.

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