Die Untätigkeitsbeschwerde ist ein rechtliches Instrument, das in vielen Rechtsordnungen vorhanden ist, um Personen zu helfen, die sich wegen einer übermäßigen Verzögerung oder Untätigkeit einer Verwaltungsbehörde benachteiligt fühlen. Diese Beschwerden können sich auf verschiedenste Bereiche beziehen, wie z.B. sozial- oder fremdenrechtliche Angelegenheiten, Genehmigungen, Bescheide oder andere Verfahren, die seitens Behörden nicht in angemessener Zeit durchgeführt werden.

In diesem Blog-Beitrag werden wir die wichtigsten Aspekte dieses Rechtsinstruments ausführlich besprechen, einschließlich der gesetzlichen Grundlagen, der Voraussetzungen für die Beantragung einer Untätigkeitsbeschwerde, des Prozesses selbst und der möglichen Maßnahmen bzw. Ergebnisse der Beschwerde. Zudem werden wir auf aktuelle Gerichtsurteile und häufig gestellte Fragen eingehen, um Ihnen als Betroffenem oder Berater ein umfassendes Verständnis dieses wichtigen Rechtsinstruments zu vermitteln.

Gesetzliche Grundlagen der Untätigkeitsbeschwerde

Die gesetzlichen Grundlagen für die Untätigkeitsbeschwerde finden sich in der jeweiligen nationalen Verwaltungsgerichtsordnung (z.B. in Deutschland die VwGO) und sind in der Regel auch in spezifischen Gesetzen, die einzelne Verwaltungsbereiche regeln, enthalten.

  • Deutschland: § 75 VwGO
  • Österreich: § 73 AVG
  • Schweiz: Art. 29 BV sowie die jeweiligen kantonalen Gesetze

Darüber hinaus sind in vielen Ländern internationale Abkommen und Menschenrechtskonventionen, die das Recht auf ein faires Verfahren schützen, anwendbar, wie z.B. die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) – Art. 6 und 13 und die UN-Behindertenrechtskonvention – Art. 12 bis 14.

Voraussetzungen für die Beantragung einer Untätigkeitsbeschwerde

Bevor man eine Untätigkeitsbeschwerde einreicht, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Einige der wichtigsten Voraussetzungen sind:

  • Beschwerdeberechtigung: Die beschwerdeführende Person muss von der Untätigkeit der Behörde beeinträchtigt oder in ihren Rechten verletzt sein. Juristische Personen (z.B. Unternehmen) können ebenfalls beschwerdeberechtigt sein, wenn sie durch die Untätigkeit betroffen sind.
  • Ablauf einer angemessenen Frist: Eine Untätigkeitsbeschwerde kann erst eingereicht werden, wenn eine angemessene Frist für die Entscheidung der Behörde verstrichen ist. Diese Frist hängt von der Art der Angelegenheit ab und kann gesetzlich festgelegt sein, wie z.B. bei bestimmten Genehmigungsverfahren. Wenn keine gesetzliche Frist festgelegt ist, gilt in der Regel eine angemessene Frist, die von verschiedenen Faktoren wie der Komplexität des Falles abhängt. Eine Untätigkeitsbeschwerde wird daher in der Regel nur dann erfolgreich sein, wenn die Behörde nach Ablauf dieser Frist keine Entscheidung getroffen oder Maßnahmen ergriffen hat.
  • Vorherige schriftliche Mahnung: Vor der Einreichung einer Untätigkeitsbeschwerde sollte in der Regel eine schriftliche Mahnung an die Behörde gesendet werden, in der um eine Entscheidung innerhalb einer bestimmten zusätzlichen Frist (z.B. zwei Wochen) gebeten wird. Erst wenn diese Frist auch abgelaufen ist und die Behörde weiterhin untätig bleibt, kann eine Untätigkeitsbeschwerde eingereicht werden.

Der Prozess der Untätigkeitsbeschwerde

Der Ablauf einer Untätigkeitsbeschwerde kann je nach Rechtsordnung und Art der Untätigkeit variieren. Allerdings gibt es einige grundlegende Schritte, die in den meisten Fällen üblich sind:

  1. Einreichung der Untätigkeitsbeschwerde beim zuständigen Verwaltungsgericht: Die Beschwerde muss schriftlich eingereicht werden und sollte in der Regel die relevanten Sachverhalte, die Verletzung der Rechte der betroffenen Person, die bereits eingereichten Anträge oder Schreiben an die Behörde und die Fristen, die verstrichen sind, enthalten. Die Beschwerde sollte auch eine Begründung enthalten, warum die Behörde in dieser Angelegenheit untätig geblieben ist.
  2. Zustellung der Beschwerde an die Behörde: Nach Eingang der Beschwerde beim Verwaltungsgericht wird diese in der Regel an die betreffende Behörde weitergeleitet, um sie über die Untätigkeitsbeschwerde zu informieren und ihr Gelegenheit zu geben, Stellung zu beziehen und ggf. Abhilfe zu schaffen.
  3. Entscheidung des Verwaltungsgerichts: Wenn die Behörde trotz der Beschwerde weiterhin untätig bleibt, wird das Verwaltungsgericht die Angelegenheit prüfen und eine Entscheidung treffen. Möglich sind unter anderem die Aufforderung an die Behörde, ihre Pflichten zu erfüllen oder die Feststellung, dass die Untätigkeit rechtswidrig ist und die Rechte der beschwerdeführenden Person verletzt sind. In einigen Fällen kann das Gericht die Behörde auch zu einer Entschädigung verpflichten.

Aktuelle Gerichtsurteile zur Untätigkeitsbeschwerde

Nachfolgend sind einige aktuelle und relevante Gerichtsurteile aus verschiedenen Ländern aufgeführt, die wichtige Aspekte der Untätigkeitsbeschwerde betreffen:

Deutschland

BVerwG, Urteil vom 17. April 2014 – 2 C 62.12: In diesem Fall entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass die Untätigkeitsklage eines Asylbewerbers gegen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zulässig sei, weil die Frist für die Entscheidung über seinen Asylantrag unangemessen lang gewesen sei. Das Gericht betonte, dass der Begriff der „angemessenen Frist“ im Rahmen einer Untätigkeitsklage nicht von starren Fristen abhängig sei, sondern von der jeweiligen Sachlage und den Umständen des Einzelfalls bestimmt werde.

Österreich

VwGH, Erkenntnis vom 28. Februar 2018 – Ra 2016/03/0020: Der Verwaltungsgerichtshof Österreich hob die Entscheidung der unteren Instanz auf, die die Untätigkeitsbeschwerde eines Betreibers eines Bordells für unzulässig erklärt hatte. Der VwGH stellte fest, dass das Verwaltungsgericht irrtümlicherweise angenommen hatte, dass ein Antrag auf Akteneinsicht keine Verwaltungshandlung sei, die Gegenstand einer Untätigkeitsbeschwerde sein könne. Der VwGH entschied, dass der Antrag auf Akteneinsicht einen Anspruch auf Erlassung eines Bescheides darstelle und somit Gegenstand einer Untätigkeitsbeschwerde sein könne.

Schweiz

Bundesgericht, Urteil vom 24. Juni 2015 – 2C_416/2014: Das schweizerische Bundesgericht entschied im Fall einer langwierigen Einbürgerungsprüfung, dass die betroffene Person ein berechtigtes Interesse an der Einleitung einer Untätigkeitsbeschwerde habe und dass die zuständige Behörde ihre Ermessensentscheidung über den Einbürgerungsantrag innerhalb einer angemessenen Frist hätte treffen müssen. Das Gericht verwies dabei auf die grundlegenden Verfahrensgarantien der Bundesverfassung und der EMRK.

Häufig gestellte Fragen zur Untätigkeitsbeschwerde

Im Folgenden finden Sie einige häufig gestellte Fragen in Bezug auf die Untätigkeitsbeschwerde und die entsprechenden Antworten darauf:

Was kann ich tun, wenn die Behörde trotz einer Untätigkeitsbeschwerde weiterhin untätig bleibt?

Wenn die Behörde trotz einer Untätigkeitsbeschwerde weiterhin untätig bleibt, kann es ratsam sein, einen Rechtsanwalt einzuschalten, um mögliche weitere rechtliche Schritte zu prüfen, wie z.B. die Einlegung einer Beschwerde bei einer übergeordneten Behörde oder die Anrufung eines höheren Gerichts.

Sind Untätigkeitsbeschwerden nur gegen Behörden oder auch gegen private Stellen möglich?

Untätigkeitsbeschwerden richten sich in der Regel nur gegen Verwaltungsbehörden; jedoch können in einigen Rechtsordnungen vergleichbare Rechtsmittel gegen private Stellen vorgesehen sein. Ein Beispiel ist der zivilrechtliche Mahnbescheid, der bei Zahlungsverzug oder Nichterfüllung von Vertragspflichten auch gegen private Personen oder Unternehmen eingesetzt werden kann.

Wie lange dauert die Bearbeitung einer Untätigkeitsbeschwerde?

Die Dauer der Bearbeitung einer Untätigkeitsbeschwerde hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie z.B. der Komplexität des Falles, der Arbeitsbelastung des Verwaltungsgerichts und der Kooperation der beteiligten Behörden. Im Allgemeinen sollte jedoch damit gerechnet werden, dass der Prozess mehrere Monate in Anspruch nehmen kann.

Ist die Einreichung einer Untätigkeitsbeschwerde kostenpflichtig?

Die Kosten für die Einreichung einer Untätigkeitsbeschwerde können je nach Rechtsordnung und den konkreten Umständen des Falles variieren. In der Regel müssen Beschwerdeführer die Gerichtsgebühren im Voraus entrichten. Mögliche Anwaltskosten oder andere Auslagen müssen ebenfalls berücksichtigt werden. In manchen Fällen kann jedoch Prozesskostenhilfe bzw. Verfahrenshilfe beantragt werden, um die finanzielle Belastung für den Beschwerdeführer zu reduzieren.

Fazit zur Untätigkeitsbeschwerde

Die Untätigkeitsbeschwerde ist ein wichtiges Rechtsinstrument, um gegen übermäßige Verzögerungen oder Versäumnisse von Verwaltungsbehörden vorzugehen und das Recht auf ein faires Verfahren zu gewährleisten. Die Kenntnis der gesetzlichen Grundlagen, des Prozesses und der rechtlichen Aspekte der Untätigkeitsbeschwerde kann dazu beitragen, die eigenen Interessen als Betroffener oder Berater besser zu verteidigen und die Effektivität der Verwaltung in einer demokratischen Gesellschaft zu verbessern. Bei Unsicherheiten oder Fragen zur Untätigkeitsbeschwerde ist die Konsultation eines erfahrenen Rechtsanwalts oder einer Anwaltskanzlei sinnvoll und empfehlenswert.

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