Das deutsche Anwaltsrecht ist in vielen Bereichen sehr komplex und kann für Laien schwer verständlich sein. Speziell die Regelungen zum Unterbevollmächtigten werfen nicht selten Fragen auf. In diesem Blog-Beitrag möchten wir Ihnen deshalb die rechtlichen Voraussetzungen, Haftungsfragen, Grenzen und aktuelle Gerichtsurteile zum Thema Unterbevollmächtigter vorstellen, um Ihnen ein umfassendes Verständnis und Handlungsgrundlage in diesem Bereich zu bieten.
Was ist ein Unterbevollmächtigter?
Der Unterbevollmächtigte ist ein Rechtsanwalt, der von einem Hauptbevollmächtigten, ebenfalls ein Rechtsanwalt, beauftragt wird, in dessen Namen und für dessen Mandanten anwaltliche Tätigkeiten auszuüben. Der Unterbevollmächtigte wird in der Regel eingesetzt, wenn der Hauptbevollmächtigte zeitliche oder örtliche Schwierigkeiten hat, einen Gerichtstermin wahrzunehmen oder einen Mandanten in einer bestimmten Rechtssache zu vertreten.
Rechtliche Grundlagen
Die rechtlichen Grundlagen für die Bestellung eines Unterbevollmächtigten finden sich in verschiedenen Gesetzen und Regelungen:
- § 3 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO)
- § 11 Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA)
- § 14 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG)
- §§ 9, 11 Rechtsanwaltsvergütungsverordnung (VV RVG)
- Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland (EuRAG)
Entstehung und Wirksamkeit eines Unterbevollmächtigungsverhältnisses
Ein Unterbevollmächtigungsverhältnis entsteht durch den Abschluss eines Vertrags zwischen dem Hauptbevollmächtigten und dem Unterbevollmächtigten. Hierzu sind beide Parteien berechtigt und verpflichtet, sofern die Voraussetzungen für die Ausübung der anwaltlichen Tätigkeiten vorliegen.
Weisungsgebundenheit
Der Unterbevollmächtigte ist weisungsgebunden und muss die Anweisungen des Hauptbevollmächtigten befolgen. Die Weisungsgebundenheit ergibt sich aus der besonderen Verantwortung des Hauptbevollmächtigten gegenüber seinem Mandanten und dem Gericht. Die Weisungsgebundenheit erstreckt sich jedoch nur auf die konkret übertragenen Aufgaben und nicht auf die Art und Weise der Mandatsbearbeitung oder die Vertretung des Mandanten vor Gericht. Hier hat der Unterbevollmächtigte einen eigenen Gestaltungsspielraum.
Haftung
Grundsätzlich haftet im Falle von Fehlern oder Versäumnissen der Unterbevollmächtigte gegenüber dem Hauptbevollmächtigten und dieser wiederum gegenüber dem Mandanten. Für die Haftung des Unterbevollmächtigten sind die allgemeinen Regeln des Dienstvertragsrechts gemäß § 280 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) anwendbar. Im Verhältnis zum Mandanten haftet der Hauptbevollmächtigte für die Auswahl des Unterbevollmächtigten (§ 278 BGB) und die ordnungsgemäße Unterrichtung (§ 254 BGB).
Grenzen der Unterbevollmächtigung
Es gibt sowohl gesetzliche als auch berufsrechtliche Grenzen bei der Beauftragung von Unterbevollmächtigten.
Gesetzliche Grenzen
Gemäß § 3 BRAO dürfen Rechtsanwälte nur tätig werden, wenn sie zur Rechtsanwaltschaft zugelassen sind. Für die Beauftragung von Unterbevollmächtigten bedeutet dies, dass der Unterbevollmächtigte selbst auch zur Rechtsanwaltschaft zugelassen sein muss. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, europäische Rechtsanwälte gemäß EuRAG als Unterbevollmächtigte einzusetzen.
Außerdem darf ein Rechtsanwalt nicht als Unterbevollmächtigter tätig werden, wenn er nach § 43a Abs. 4 BRAO wegen unwürdigen Verhaltens von der Rechtsanwaltschaft ausgeschlossen wurde.
Berufsrechtliche Grenzen
Die Beauftragung von Unterbevollmächtigten darf nicht gegen die Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) verstoßen. Hierzu zählt insbesondere die Beachtung der Vorschriften zum Gebührenrecht (§ 14 RVG) und zum Datenschutz (§§ 2, 43g BRAO).
Aktuelle Gerichtsurteile
Im Folgenden stellen wir Ihnen einige aktuelle Gerichtsurteile zum Thema Unterbevollmächtigter vor:
Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.04.2019 – IX ZR 122/18
Der Bundesgerichtshof hat in diesem Urteil entschieden, dass ein Unterbevollmächtigter grundsätzlich nicht zur Unterzeichnung einer Klageerwiderung berechtigt ist, da es sich dabei um eine Prozesshandlung handelt, die dem Hauptbevollmächtigten vorbehalten ist. Der Unterbevollmächtigte darf jedoch als Vertreter des Hauptbevollmächtigten die Klageerwiderung unterzeichnen.
Oberlandesgericht Oldenburg, Beschluss vom 06.12.2018 – 6 U 91/18
Das Oberlandesgericht Oldenburg hat entschieden, dass der Hauptbevollmächtigte in besonderen Fällen die Bevollmächtigung des Unterbevollmächtigten widerrufen kann, ohne dass dies eine Verletzung seiner Berufspflichten zur Folge hat. In dem entschiedenen Fall hatte der Hauptbevollmächtigte Zweifel an der fachlichen Eignung des Unterbevollmächtigten und daher den Widerruf der Bevollmächtigung erklärt.
FAQ
Kann ich als Mandant direkt mit dem Unterbevollmächtigten kommunizieren?
Die Kommunikation zwischen Mandant und Unterbevollmächtigtem sollte grundsätzlich über den Hauptbevollmächtigten erfolgen, da dieser die Verantwortung für die Mandatsführung trägt. In Einzelfällen kann jedoch eine direkte Kommunikation vereinbart werden, beispielsweise bei zeitlichen Engpässen des Hauptbevollmächtigten.
Wer trägt die Kosten für den Unterbevollmächtigten?
Die Kosten für den Unterbevollmächtigten trägt in der Regel der Mandant. Sie setzen sich aus den Gebühren für die tatsächliche Tätigkeit des Unterbevollmächtigten sowie den Auslagen für dessen Beauftragung zusammen. Die genauen Kosten können sich aus den Bestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) und der Rechtsanwaltsgebührenverordnung (VV RVG) ergeben.
Kann der Unterbevollmächtigte auch Verträge abschließen oder Fristen verlängern?
Ob der Unterbevollmächtigte solche Handlungen durchführen kann, hängt von der konkreten Bevollmächtigung durch den Hauptbevollmächtigten ab. Wenn der Hauptbevollmächtigte diese Aufgaben ausdrücklich auf den Unterbevollmächtigten überträgt, ist dieser grundsätzlich berechtigt, entsprechende Handlungen in Vertretung des Hauptbevollmächtigten durchzuführen.
Was passiert, wenn der Unterbevollmächtigte einen Fehler macht?
Bei Fehlern oder Versäumnissen des Unterbevollmächtigten haftet dieser zunächst dem Hauptbevollmächtigten gegenüber nach den allgemeinen Regeln des Dienstvertragsrechts gemäß § 280 BGB. Der Hauptbevollmächtigte haftet wiederum gegenüber dem Mandanten, sowohl für die Auswahl des Unterbevollmächtigten (§ 278 BGB) als auch für die ordnungsgemäße Unterrichtung des Unterbevollmächtigten (§ 254 BGB).
Muss der Mandant einer Unterbevollmächtigung zustimmen?
Grundsätzlich bedarf die Erteilung einer Unterbevollmächtigung keiner ausdrücklichen Zustimmung des Mandanten, sofern diese nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Die Beauftragung eines Unterbevollmächtigten liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Hauptbevollmächtigten. Allerdings sollte der Hauptbevollmächtigte den Mandanten über die Beauftragung eines Unterbevollmächtigten informieren, um mögliche Vertrauensverluste des Mandanten zu vermeiden.
Kann der Mandant den Unterbevollmächtigten wechseln?
Der Wechsel eines Unterbevollmächtigten obliegt dem Hauptbevollmächtigten. Wenn der Mandant mit der Arbeit des Unterbevollmächtigten unzufrieden ist oder den Wechsel aus anderen Gründen wünscht, sollte er dies dem Hauptbevollmächtigten mitteilen. Dieser hat sodann die Pflicht, im Rahmen seiner Berufspflichten gemäß BORA und BRAO die Situation zu prüfen und gegebenenfalls einen anderen Unterbevollmächtigten zu beauftragen.
Fazit zum Thema Unterbevollmächtigter
Die Unterbevollmächtigung ist ein wichtiges Instrument in der anwaltlichen Praxis, um Mandanten effektiv und zeitgemäß vertreten zu können. Dennoch ergeben sich für den Hauptbevollmächtigten, den Unterbevollmächtigten und den Mandanten zahlreiche rechtliche Fragestellungen und Haftungstatbestände aus der Zusammenarbeit. Es ist daher für alle Beteiligten empfehlenswert, sich mit den rechtlichen Aspekten und Grenzen der Unterbevollmächtigung auseinanderzusetzen und im Zweifel anwaltlichen Rat einzuholen.
Wir hoffen, Ihnen mit diesem Blog-Beitrag einen umfassenden Überblick über die Rechtslage zum Thema Unterbevollmächtigter gegeben zu haben. Sollten Sie weitere Fragen oder Anliegen haben, stehen wir Ihnen gerne als kompetente Partner zur Seite.
Unsere Rechtsanwälte stehen Ihnen bundesweit und im deutschsprachigen Ausland zur Verfügung.
Arthur Wilms | Rechtsanwalt | Associate
Philipp Franz | Rechtsanwalt | Associate
Wolfgang Herfurtner | Rechtsanwalt | Geschäftsführer | Gesellschafter
Aktuelle Beiträge aus dem Rechtsgebiet Zivilrecht
StVZO: Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung – Vorschriften für Fahrzeuge und Verkehr
Entdecken Sie die StVZO Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung für die Sicherheit und Vorschriften rund um die Fahrzeugzulassung in Deutschland.
Musikrecht: Schutz von Urheberrechten und Verwertung von Musikwerken
Erfahren Sie, wie Musikrecht den Schutz und die Verwertung von Urheberrechten in der Musikindustrie regelt.
Rundfunkrecht: Regulierungen für Sender und Inhalte im Medienbereich
Erfahren Sie, wie das Rundfunkrecht in Deutschland Sendebetrieb und Inhalte von Medienunternehmen reguliert und überwacht.
Importkontrollrecht: Vorschriften für den internationalen Warenverkehr
Erfahren Sie alles über das Importkontrollrecht und bleiben Sie auf dem neuesten Stand bezüglich der Einfuhrbestimmungen für den internationalen Handel.
Hafenrecht: Rechte und Pflichten von Hafenbetreibern und Schiffseigentümern
Entdecken Sie im Detail das Hafenrecht und verstehen Sie die Verantwortlichkeiten sowie Rechte von Hafenbetreibern und Schiffseignern in Deutschland.