Die Verwirkung von Unterhalt ist ein komplexes und für viele Betroffene sensibles Thema. Ob Trennungs- oder Ehegattenunterhalt, Kindesunterhalt oder Unterhalt bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften, der Unterhaltsanspruch kann aus verschiedenen Gründen verwirken. In diesem Beitrag werden die Voraussetzungen, Folgen und rechtlichen Aspekte der Verwirkung von Unterhalt detailliert und verständlich erläutert, sodass sowohl Unterhaltspflichtige als auch Unterhaltsberechtigte einen umfassenden Überblick erhalten.
Gesetzliche Grundlagen zur Verwirkung von Unterhalt
Die Verwirkung von Unterhalt ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Als Zusammenfassung der wichtigsten gesetzlichen Regelungen können die folgenden Paragraphen genannt werden:
- § 1579 BGB: Verwirkung des Unterhalts bei grober Unbilligkeit
- § 1603 BGB: Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen
- § 1611 BGB: Herabsetzung und Befristung von Unterhalt bei Unwürdigkeit
Diese Paragraphen geben einen ersten Überblick über die allgemeinen Voraussetzungen, bei denen eine Verwirkung von Unterhalt eintreten kann. Im Folgenden werden die einzelnen Regelungen im Detail erläutert.
§ 1579 BGB: Verwirkung des Unterhalts bei grober Unbilligkeit
Die zentrale Regelung zur Verwirkung von Unterhalt findet sich in § 1579 BGB. Hierin ist festgehalten, dass ein Unterhaltsanspruch ganz oder teilweise verwirkt ist, wenn und solange seine Durchsetzung „grob unbillig“ ist. Dafür müssen besondere Gründe gegeben sein, die das Festhalten am Unterhaltsanspruch unzumutbar machen. Solche Gründe können beispielsweise sein:
- Grundlose Weigerung, zumutbare Arbeit aufzunehmen (§ 1579 Nr. 1 BGB)
- Verletzung der nach § 1353 BGB geschuldeten Treuepflicht (§ 1579 Nr. 2 BGB)
- Verschweigen, Verschleiern oder Anhäufen von Schulden (§ 1579 Nr. 3 BGB)
- Verweigerung einer einverständlichen Scheidung aus Unbilligkeitsgründen (§ 1579 Nr. 4 BGB)
- Vernachlässigung der ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1579 Nr. 5 BGB)
- Behinderung oder Gefährdung der Entwicklung eines gemeinsamen Kindes (§ 1579 Nr. 6 BGB)
Bei der Bewertung, ob ein solcher Grund vorliegt, kommt es stets auf die Umstände des Einzelfalls an. Insbesondere muss die Verwirkung für die unterhaltsberechtigte Person auch zumutbar sein (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz).
§ 1603 BGB: Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen
Eine Verwirkung von Unterhalt kann auch dann eintreten, wenn der Unterhaltspflichtige nicht leistungsfähig ist. Nach § 1603 BGB müssen die eigenen Bedürfnisse des Unterhaltspflichtigen stets gewahrt bleiben. Hat der Unterhaltspflichtige etwa nicht genügend Einkommen oder Vermögen, um seinen eigenen Lebensbedarf sowie den vollständigen Unterhaltsanspruch der unterhaltsberechtigten Person zu decken, können die Unterhaltsansprüche gekürzt oder ganz verwirkt sein. Eine solche Situation kann beispielsweise bei Mehrfachunterhaltspflichten auftreten.
§ 1611 BGB: Herabsetzung und Befristung von Unterhalt bei Unwürdigkeit
Ein weiterer Fall, in dem eine Verwirkung von Unterhalt eintreten kann, ist geregelt in § 1611 BGB. Liegt eine schwere Verfehlung gegenüber dem Unterhaltspflichtigen vor, die dazu führt, dass der Unterhaltsberechtigte als „unwürdig“ eingestuft wird, kann der Unterhalt herabgesetzt oder befristet werden. Solche Verfehlungen können beispielsweise sein:
- Schwere Körperverletzung oder Tötung des Unterhaltspflichtigen oder einer ihm nahestehenden Person
- Verleumdung oder üble Nachrede, die geeignet ist, dem Unterhaltspflichtigen erheblichen Schaden zuzufügen
- Verstoß gegen Unterhaltspflichten gegenüber gemeinsamen Kindern
Die Herabsetzung und Befristung des Unterhalts dienen hierbei der Wahrung von Billigkeits- und Gerechtigkeitserwägungen.
Aktuelle Gerichtsurteile zur Verwirkung von Unterhalt
Zur Verdeutlichung der Gesetzeslage und um einen Eindruck von der Rechtsprechung zu erhalten, werden im Folgenden einige aktuelle Gerichtsurteile zum Thema „Verwirkung von Unterhalt“ dargestellt:
- Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 21.02.2018 – XII ZB 292/15: Anlasslose Falschaussagen zur Einkommenssituation können eine Verwirkung des Unterhalts begründen.
- Oberlandesgericht München, Beschluss vom 20.05.2020 – 16 UF 1419/19: Ein ausbleibender Kindesunterhalt wegen zwangsweiser Rentenvorauszahlung kann ausnahmsweise zur Verwirkung des Trennungsunterhalts der Ehefrau führen.
- Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 11.10.2019 – 2 WF 22/19: Unterhaltsansprüche können teilweise verwirken, wenn die unterhaltsberechtigte Person vorsätzlich falsche Angaben über ihre Einkommensverhältnisse macht.
Die Urteile zeigen, dass Gerichte bei der Bewertung von Verwirkungsgründen unterschiedliche Aspekte berücksichtigen und stets einzelfallbezogen entscheiden. Eine pauschale Aussage, wann genau eine Verwirkung von Unterhalt eintritt, ist daher nicht möglich.
FAQ zur Verwirkung von Unterhalt
Kann der Anspruch auf Unterhalt auch rückwirkend verwirkt werden?
Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, dass sich eine rückwirkende Verwirkung ergibt, wenn sich aus der Rechtsprechung entsprechende Voraussetzungen ergeben und dies gemäß § 1585c BGB zulässig ist. In der Praxis kommt dies jedoch eher selten vor.
Wie lange dauert es, bis ein Unterhaltsanspruch verwirkt ist?
Die Verwirkungsfrist ist gesetzlich nicht festgelegt und hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Häufig genügt jedoch ein längeres Abwarten für eine Verwirkung nicht, vielmehr müssen besondere Gründe wie oben dargelegt vorliegen.
Kann ich mich gegen eine unberechtigte Verwirkung meines Unterhalts wehren?
Ja, sollte die Verwirkung Ihrer Meinung nach ungerechtfertigt sein, sollten Sie anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen, um Ihre Rechte durchzusetzen. Eine fundierte rechtliche Beratung und gegebenenfalls gerichtliche Vertretung können Ihnen helfen, Ihre Unterhaltsansprüche zu sichern.
Fazit
Die Verwirkung von Unterhaltsansprüchen ist ein komplexes Rechtsgebiet, das individuell und umfassend betrachtet werden muss. Ob eine Verwirkung vorliegt, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab. Die gesetzlichen Regelungen und aktuellen Gerichtsurteile bieten sowohl für Unterhaltspflichtige als auch Unterhaltsberechtigte eine Orientierung, garantieren jedoch keine abschließende Klärung. Im Zweifel sollte eine anwaltliche Beratung in Anspruch genommen werden, um bestehende Ansprüche zu sichern und die eigenen Rechte umfassend und kompetent vertreten zu wissen. Der Beitrag bietet einen ersten Anhaltspunkt und eine Informationsbasis, ersetzt jedoch keinesfalls eine individuelle rechtliche Beratung im konkreten Fall.
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Wolfgang Herfurtner | Rechtsanwalt | Geschäftsführer | Gesellschafter
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