Das Urheberrecht ist ein komplexes und facettenreiches Rechtsgebiet, das eine Reihe von Nuancen und Ausnahmen aufweist, um sowohl die Rechte der Kreativen als auch die Freiheiten der Allgemeinheit zu schützen. Eine solche Ausnahme ist die sogenannte Panoramafreiheit, die eine rechtliche Grauzone in Bezug auf die zunehmende Popularität und Zugänglichkeit von Drohnen- und anderen Luftaufnahmen darstellt.
Urheberrecht und Luftaufnahmen: Verständnis der Panoramafreiheit
Die Panoramafreiheit, verankert in § 59 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG), erlaubt es, Werke, die sich ständig an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, zu fotografieren, zu zeichnen, zu malen und auf andere Weise visuell zu reproduzieren, ohne die Zustimmung des Urheberrechtsinhabers einholen zu müssen. Dies schließt auch die Verwertung dieser Reproduktionen ein, beispielsweise durch Verkauf oder Veröffentlichung.
- Dieses Gesetz dient dem öffentlichen Interesse und stellt einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Recht des Urhebers an seinem Werk und dem Recht der Allgemeinheit auf Zugang und Nutzung dieses Werks dar.
- Die Panoramafreiheit ist jedoch auf Werke beschränkt, die „von öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen“ aus sichtbar sind. Dies bedeutet, dass der Standort, von dem aus das Werk gesehen oder fotografiert wird, ein öffentlich zugänglicher Ort sein muss.
Die Kontroverse um Luftaufnahmen und Panoramafreiheit
Die rechtliche Auslegung der Panoramafreiheit hat in den letzten Jahren einige Herausforderungen erfahren, insbesondere im Zusammenhang mit der technologischen Entwicklung von Drohnen und anderen Geräten, die Luftaufnahmen ermöglichen.
Eine solche Herausforderung wurde kürzlich in einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm (OLG Hamm) vom 27. April 2023 (Az. 4 U 247/21) behandelt, in dem es um die Nutzung von Drohnenbildern in einem Bildband ging, für den der Verlag keine Lizenz von der Bild-Kunst Verwertungsgesellschaft erworben hatte. Der Verlag berief sich auf die Panoramafreiheit als Rechtfertigung für die Nutzung der Bilder, was sowohl vom Landgericht Bochum als auch vom OLG Hamm abgelehnt wurde.
Urheberrecht und Luftaufnahmen: Urteil des OLG Hamm
Das Gericht stellte fest, dass die Luftbilder, die mit einer Drohne aufgenommen wurden, nicht durch die Panoramafreiheit abgedeckt sind. Es argumentierte, dass die Panoramafreiheit nur für Fotos gilt, die „von öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen“ aus gemacht wurden, und dass dies bei Drohnenaufnahmen nicht der Fall ist.
- Das Gericht berief sich auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH), in der festgestellt wurde, dass die Panoramafreiheit nicht für die Vogelperspektive gilt. In dem betreffenden Fall hatte eine Person von einer Leiter aus Fotos gemacht, was das Gericht als nicht durch die Panoramafreiheit gedeckt ansah.
- Unter Berücksichtigung dieser Entscheidung schlussfolgerte das OLG Hamm, dass auch Drohnenaufnahmen nicht von der Panoramafreiheit abgedeckt sind. Dies liegt daran, dass Drohnen in der Lage sind, Fotos aus Höhen und Winkeln zu machen, die weit über das hinausgehen, was von einem öffentlichen Weg, einer Straße oder einem Platz aus sichtbar wäre.
Die Auswirkungen des Urteils und zukünftige Überlegungen
Die Entscheidung des OLG Hamm hat erhebliche Auswirkungen auf die Nutzung von Drohnenaufnahmen, insbesondere in Bezug auf urheberrechtlich geschützte Werke. Während das Urteil noch nicht endgültig ist und der Verlag bereits Revision beim BGH eingelegt hat, wirft es dennoch wichtige Fragen zur Interpretation und Anwendung der Panoramafreiheit in der modernen Welt auf.
Die Herausforderung besteht darin, einen angemessenen Ausgleich zwischen den Rechten der Urheber und der öffentlichen Freiheit zu finden. Mit der zunehmenden Verwendung von Drohnen und anderen Geräten, die Luftaufnahmen ermöglichen, besteht die Notwendigkeit, bestehende Rechtsnormen zu überdenken und anzupassen.
Grenzen der Panoramafreiheit
Das Urteil des OLG Hamm zeigt deutlich, dass die Panoramafreiheit ihre Grenzen hat. Während es in der Vergangenheit vielleicht ausreichend war, den Begriff „von öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen“ auf herkömmliche, vom Boden aus gemachte Fotos zu beschränken, erfordern moderne Technologien möglicherweise eine erweiterte Interpretation.
- Es stellt sich die Frage, ob die Höhe, aus der ein Foto gemacht wird, relevant sein sollte, wenn das Foto ansonsten von einem öffentlichen Ort aus gemacht worden wäre. Ist die Vogelperspektive wirklich so anders, dass sie von der Panoramafreiheit ausgeschlossen werden sollte?
- Es stellt sich auch die Frage, ob Drohnen als Erweiterung des öffentlichen Raums angesehen werden könnten. Wenn eine Drohne von einem öffentlichen Ort aus gesteuert wird und in der Lage ist, Fotos zu machen, die vom Boden aus sichtbar wären, sollte dann nicht die Panoramafreiheit gelten?
Potenzial für Gesetzesänderungen
Angesichts der rechtlichen Herausforderungen, die durch die Nutzung von Drohnen und anderen Geräten für Luftaufnahmen aufgeworfen werden, könnte es erforderlich sein, die Gesetzgebung zu überdenken und möglicherweise zu ändern. Dies könnte beispielsweise durch eine Erweiterung der Panoramafreiheit auf Luftaufnahmen oder durch die Einführung spezifischer Regelungen für die Nutzung von Drohnen erfolgen.
Es bleibt abzuwarten, wie sich die rechtliche Landschaft in diesem Bereich entwickeln wird. Bis dahin sollten die Nutzer von Drohnen und anderen Geräten für Luftaufnahmen sich der aktuellen Rechtslage bewusst sein und entsprechend handeln.
FAQs zu Urheberrecht und Luftaufnahmen
Wir haben die Antworten auf die oft gestellten Fragen hier für Sie zusammengestellt.
Können Luftaufnahmen ohne Zustimmung des Urheberrechtsinhabers veröffentlicht werden?
Die Veröffentlichung von Luftaufnahmen, die urheberrechtlich geschützte Werke zeigen, kann ohne Zustimmung des Urheberrechtsinhabers eine Verletzung des Urheberrechts darstellen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Aufnahmen nicht durch die Panoramafreiheit abgedeckt sind, wie es bei den meisten Drohnen- und anderen Luftaufnahmen der Fall ist.
Gilt die Panoramafreiheit für Drohnenaufnahmen?
Nein, nach der derzeitigen Rechtsprechung gilt die Panoramafreiheit nicht für Drohnenaufnahmen. Das Oberlandesgericht Hamm hat dies in seinem Urteil vom 27. April 2023 (Az. 4 U 247/21) festgestellt. Es hat entschieden, dass Drohnenaufnahmen nicht durch die Panoramafreiheit abgedeckt sind, da sie nicht „von öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen“ aus gemacht werden.
Kann ich Drohnenaufnahmen von öffentlichen Orten ohne Zustimmung des Urheberrechtsinhabers machen und veröffentlichen?
Das hängt von den spezifischen Umständen ab. Wenn die Drohnenaufnahmen urheberrechtlich geschützte Werke zeigen, kann ihre Herstellung und Veröffentlichung ohne Zustimmung des Urheberrechtsinhabers eine Verletzung des Urheberrechts darstellen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Aufnahmen nicht durch die Panoramafreiheit abgedeckt sind.
Schlussfolgerung zu Urheberrecht und Luftaufnahmen
Die zunehmende Beliebtheit und Zugänglichkeit von Drohnen- und anderen Luftaufnahmen hat neue Herausforderungen für das Urheberrecht und die Anwendung der Panoramafreiheit aufgeworfen. Die Rechtsprechung hat begonnen, sich mit diesen Herausforderungen auseinanderzusetzen, aber es bleibt viel Raum für Debatte und mögliche Gesetzesänderungen. Solange die Gesetze und Gerichtsentscheidungen sich weiterentwickeln, ist es für alle, die Luftaufnahmen machen oder nutzen möchten, wichtig, sich über die aktuelle Rechtslage im Klaren zu sein und entsprechend zu handeln.
Referenzen zu Urheberrecht und Luftaufnahmen
- Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 27.04.2023, Az. 4 U 247/21
- Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.12.2010, Az. I ZR 68/08
- § 59 UrhG – Panoramafreiheit
Dieser Artikel dient nur zu Informationszwecken und stellt keine rechtliche Beratung dar. Bei spezifischen rechtlichen Fragen oder Problemen sollte immer ein Rechtsanwalt konsultiert werden.
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Wolfgang Herfurtner | Rechtsanwalt | Geschäftsführer | Gesellschafter
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