Die Trennung oder Scheidung eines Paares ist oft ein emotionaler und komplexer Prozess. Neben der emotionalen Belastung müssen auch finanzielle und rechtliche Aspekte berücksichtigt werden. In diesem Beitrag erläutern wir ausführlich die rechtlichen Aspekte der Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung, inklusive aktueller Gerichtsurteile, Beispielen und häufig gestellten Fragen (FAQs).
Einführung in die Vermögensauseinandersetzung
Die Vermögensauseinandersetzung ist der Prozess, bei dem das gemeinsame Vermögen eines Paares nach einer Trennung oder Scheidung aufgeteilt wird. Dies kann sowohl eheliche als auch nichteheliche Lebensgemeinschaften betreffen. Die Vermögensauseinandersetzung ist dabei ein zentrales Element des Scheidungsverfahrens und kann je nach Vermögenssituation und Einigungsbereitschaft der Parteien mehr oder weniger komplex sein. Im Folgenden wird die rechtliche Grundlage sowie der Ablauf der Vermögensauseinandersetzung erläutert.
Rechtliche Grundlagen der Vermögensauseinandersetzung
Die rechtlichen Grundlagen der Vermögensauseinandersetzung sind im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sowie im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) geregelt. Die wichtigsten Regelungen sind:
- § 1361 BGB: Trennungsunterhalt
- § 1361a BGB: Hausratsverteilung
- § 1375 BGB: Beginn des Zugewinns
- § 1378 BGB: Berechnung des Zugewinns
- § 1381 BGB: Ausgleichsanspruch
- §§ 1408 ff. BGB: Ehevertrag
- §§ 1563 ff. BGB: Scheidung
- §§ 1569 ff. BGB: Nachehelicher Unterhalt
- §§ 1581 ff. BGB: Versorgungsausgleich
- §§ 1591 ff. BGB: Sorgerecht
- § 1601 BGB: Unterhaltspflicht gegenüber Verwandten
- §§ 1896 ff. BGB: Betreuung
- §§ 1909 ff. BGB: Pflegschaft
- §§ 1945 ff. BGB: Erbvertrag
- § 33 FamFG: Verfahren in Familiensachen
- § 43 FamFG: Verfahren in Unterhaltssachen
- § 49 FamFG: Verfahren in Versorgungsausgleichssachen
- § 50 FamFG: Verfahren in Güterrechts- und Vermögensauseinandersetzungssachen
- § 51 FamFG: Verfahren in Kindschaftssachen
Ablauf der Vermögensauseinandersetzung
Der Ablauf der Vermögensauseinandersetzung kann grundsätzlich in fünf Schritten unterteilt werden:
- Trennung: Die Trennung der Eheleute oder Lebenspartner ist der Ausgangspunkt für die Vermögensauseinandersetzung. Sie kann einvernehmlich oder einseitig erfolgen und setzt rechtlich voraus, dass die Partner getrennt leben (§ 1567 BGB).
- Inventur und Bewertung: Im nächsten Schritt müssen die Partner eine Bestandsaufnahme ihres gemeinsamen Vermögens durchführen und dieses bewerten. Dabei sollten sie auch Schulden, gemeinsame Verbindlichkeiten und Verträge berücksichtigen.
- Aufteilung: Anschließend müssen die Partner entscheiden, wie ihr gemeinsames Vermögen aufgeteilt werden soll. Dies kann einvernehmlich oder gerichtlich erfolgen. Bei der Aufteilung sind verschiedene Regelungen zu beachten, wie zum Beispiel der Zugewinnausgleich (§§ 1371 ff. BGB) oder der Versorgungsausgleich (§§ 1581 ff. BGB).
- Umsetzung: Die Umsetzung der Vermögensaufteilung erfolgt durch die Übertragung von Vermögensgegenständen, die Ablösung von Schulden oder die Änderung von Verträgen. Dabei können auch steuerliche Aspekte eine Rolle spielen.
- Formelle Beendigung: Die formelle Beendigung der Vermögensauseinandersetzung erfolgt durch einen gerichtlichen Vergleich, einen notariell beurkundeten Vertrag oder eine gerichtliche Entscheidung.
Aufteilung des Vermögens bei Trennung und Scheidung
Die Aufteilung des Vermögens bei Trennung und Scheidung hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie zum Beispiel der Höhe des Vermögens, der Dauer der Ehe oder Lebenspartnerschaft, der Güterstand und der Einigungsbereitschaft der Partner. Im Folgenden werden die wichtigsten Regelungen zur Aufteilung des Vermögens erläutert:
- Zugewinnausgleich (§§ 1371 ff. BGB): Der Zugewinnausgleich ist die gesetzliche Regelung zur Aufteilung des in der Ehe erworbenen Vermögens bei Scheidung. Dabei wird das während der Ehe erwirtschaftete Vermögen (sog. Zugewinn) hälftig zwischen den Ehegatten aufgeteilt. Der Zugewinnausgleich gilt nur für Ehepaare, die im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben (§ 1363 BGB).
- Gütertrennung (§§ 1415 ff. BGB): Bei Ehepaaren, die einen Ehevertrag abgeschlossen haben und im Güterstand der Gütertrennung leben, findet kein Zugewinnausgleich statt. Jeder Ehegatte behält sein eigenes Vermögen und ist für seine Schulden selbst verantwortlich.
- Gütergemeinschaft (§§ 1418 ff. BGB): Bei Ehepaaren, die einen Ehevertrag abgeschlossen haben und im Güterstand der Gütergemeinschaft leben, wird das gesamte Vermögen der Ehegatten als gemeinschaftliches Vermögen angesehen. Bei einer Scheidung muss dieses Vermögen aufgeteilt werden, wobei jeder Ehegatte grundsätzlich einen hälftigen Anteil erhält.
- Hausratsverteilung (§ 1361a BGB): Nach der Trennung müssen die Ehegatten auch ihren gemeinsamen Hausrat aufteilen. Hierbei handelt es sich um Gegenstände des täglichen Gebrauchs, wie zum Beispiel Möbel, Geschirr oder Elektrogeräte. Die Hausratsverteilung kann einvernehmlich oder gerichtlich erfolgen.
- Immobilien: Bei gemeinsam genutzten Immobilien, wie zum Beispiel dem Familienheim, gibt es verschiedene Möglichkeiten der Aufteilung. Diese können unter anderem den Verkauf der Immobilie, die Übernahme durch einen Ehegatten oder die Fortsetzung der gemeinsamen Nutzung beinhalten.
- Unternehmen: Die Aufteilung von gemeinsamen Unternehmen oder Beteiligungen an Unternehmen kann besonders komplex sein. Hierbei sollten die Partner die Hilfe eines erfahrenen Anwalts oder Steuerberaters in Anspruch nehmen.
- Schulden: Bei der Vermögensauseinandersetzung müssen auch gemeinsame Schulden berücksichtigt werden. Hierbei ist es wichtig, eine faire und gerechte Aufteilung der Schuldenlast zu finden.
Aktuelle Gerichtsurteile zur Vermögensauseinandersetzung
Die Rechtsprechung zur Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung entwickelt sich stetig weiter. Im Folgenden werden einige aktuelle Gerichtsurteile vorgestellt, die für die Vermögensauseinandersetzung von Bedeutung sind:
- Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 17.10.2018, Az. XII ZB 481/17: Der BGH hat entschieden, dass bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs auch negative Zinsen auf Sparguthaben berücksichtigt werden müssen. Dies kann dazu führen, dass der Zugewinn geringer ausfällt oder sogar negativ ist.
- BGH, Urteil vom 19.12.2018, Az. XII ZB 359/17: Der BGH hat klargestellt, dass beim Versorgungsausgleich auch diejenigen Anwartschaften berücksichtigt werden müssen, die ein Ehegatte durch eine betriebliche Altersversorgung erworben hat.
- Oberlandesgericht (OLG) Hamm, Beschluss vom 30.08.2018, Az. 3 UF 110/18: Das OLG Hamm hat entschieden, dass bei der Vermögensauseinandersetzung auch das in der Ehe gemeinsam angesparte Geld für die Bestattungsvorsorge der Ehegatten berücksichtigt werden muss.
- OLG Frankfurt, Urteil vom 06.02.2019, Az. 4 UF 123/18: Das OLG Frankfurt hat klargestellt, dass bei der Vermögensauseinandersetzung auch der Wert von unveräußerlichen Kunstgegenständen, die sich im gemeinsamen Eigentum der Ehegatten befinden, zu berücksichtigen ist.
Häufig gestellte Fragen (FAQs) zur Vermögensauseinandersetzung
Im Folgenden werden einige häufig gestellte Fragen zur Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung beantwortet:
Wie lange dauert die Vermögensauseinandersetzung?
Die Dauer der Vermögensauseinandersetzung hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie zum Beispiel der Höhe des Vermögens, der Einigungsbereitschaft der Partner und der Komplexität der Vermögensverhältnisse. Eine einvernehmliche Vermögensauseinandersetzung kann innerhalb weniger Wochen abgeschlossen sein, während eine strittige Auseinandersetzung mehrere Monate oder sogar Jahre in Anspruch nehmen kann.
Wie teuer ist die Vermögensauseinandersetzung?
Die Kosten der Vermögensauseinandersetzung hängen ebenfalls von verschiedenen Faktoren ab, wie zum Beispiel der Höhe des Vermögens, der Anzahl der beteiligten Anwälte und der Dauer des Verfahrens. Die Kosten können sich aus Anwaltsgebühren , Gerichtskosten, Notargebühren, Gutachterkosten und etwaigen Steuerberaterkosten zusammensetzen. Eine einvernehmliche Vermögensauseinandersetzung ist in der Regel kostengünstiger als eine strittige Auseinandersetzung.
Was passiert, wenn ein Partner seine Vermögensverhältnisse verschweigt?
Wenn ein Partner seine Vermögensverhältnisse im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung verschweigt oder falsche Angaben macht, kann dies zu einer Anfechtung oder Abänderung des Vermögensausgleichs führen. In besonders schweren Fällen kann auch eine Strafbarkeit wegen Betrugs oder falscher eidesstattlicher Versicherung in Betracht kommen.
Wie wirkt sich die Gültigkeit eines Ehevertrags auf die Vermögensauseinandersetzung aus?
Ein wirksamer Ehevertrag kann die Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung erheblich beeinflussen. Durch einen Ehevertrag können die Ehegatten individuelle Regelungen zur Aufteilung ihres Vermögens, zum Zugewinnausgleich, zur Gütertrennung oder zur Gütergemeinschaft treffen. Allerdings sind nicht alle Regelungen in einem Ehevertrag zulässig. Insbesondere sittenwidrige oder unangemessene Regelungen können unwirksam sein.
Wie wirkt sich ein Erbfall während der Trennung auf die Vermögensauseinandersetzung aus?
Ein Erbfall während der Trennung kann die Vermögensauseinandersetzung beeinflussen. Grundsätzlich gehört das Erbe zum Vermögen des Erben und ist somit bei der Vermögensaufteilung zu berücksichtigen. Allerdings kann das Erbe unter Umständen vom Zugewinnausgleich ausgenommen sein, wenn dies im Einzelfall gerechtfertigt erscheint.
Wie wirkt sich ein Versorgungsausgleich auf die Vermögensauseinandersetzung aus?
Der Versorgungsausgleich ist ein gesetzliches Verfahren, bei dem die während der Ehe erworbenen Ansprüche auf Altersversorgung zwischen den Ehegatten ausgeglichen werden. Der Versorgungsausgleich kann sowohl das Vermögen der Ehegatten als auch die Höhe des Zugewinnausgleichs beeinflussen. Bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs sind daher auch die im Versorgungsausgleich erworbenen Anwartschaften zu berücksichtigen.
Fazit
Die Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung ist ein komplexer und häufig emotional belastender Prozess. Die rechtlichen Aspekte der Vermögensaufteilung sind vielfältig und erfordern eine individuelle Betrachtung der jeweiligen Vermögensverhältnisse und Lebensumstände der beteiligten Partner. Eine einvernehmliche und faire Vermögensauseinandersetzung ist dabei nicht nur im Interesse der Partner, sondern auch im Interesse der beteiligten Kinder und Angehörigen.
Um eine sachgerechte und gerechte Vermögensaufteilung zu erreichen, sollten die Partner frühzeitig die Hilfe eines erfahrenen Anwalts oder Mediators in Anspruch nehmen. Durch eine rechtzeitige und umfassende Information über die rechtlichen Aspekte der Vermögensauseinandersetzung können Konflikte vermieden und eine faire Lösung für beide Partner gefunden werden.
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