Die Versorgungsehe ist ein Begriff aus dem Erbrecht, der in Deutschland eine hohe Relevanz hat. In diesem Blog-Beitrag werden wir uns eingehend mit der Definition, den gesetzlichen Regelungen, aktuellen Gerichtsurteilen und den Auswirkungen einer Versorgungsehe im Erbfall beschäftigen. Als erfahrener Rechtsanwalt möchte ich Ihnen die wichtigsten Informationen und Einblicke in die Thematik der Versorgungsehe geben und häufig gestellte Fragen (FAQs) beantworten.

Inhaltsverzeichnis

Definition: Was ist eine Versorgungsehe?

Eine Versorgungsehe ist eine Ehe, die in erster Linie mit dem Ziel geschlossen wird, den überlebenden Ehepartner finanziell abzusichern, insbesondere im Hinblick auf das Erbrecht. Eine solche Ehe kann beispielsweise zwischen einem älteren, vermögenden Menschen und einem jüngeren, weniger vermögenden Partner geschlossen werden, um den Letzteren im Falle des Todes des Ersteren abzusichern. Dabei steht nicht die romantische Beziehung, sondern der Versorgungsgedanke im Vordergrund.

Im deutschen Erbrecht wird die Versorgungsehe allerdings skeptisch betrachtet, da sie dazu genutzt werden kann, gesetzliche Erben wie Kinder oder andere nahe Verwandte zu benachteiligen. Daher hat der Gesetzgeber Regelungen geschaffen, um den Schutz dieser gesetzlichen Erben zu gewährleisten.

Gesetzliche Regelungen zur Versorgungsehe

Die zentrale gesetzliche Regelung zur Versorgungsehe findet sich in § 1371 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Gemäß dieser Vorschrift ist der Anspruch des überlebenden Ehegatten auf den gesetzlichen Erbteil ausgeschlossen, wenn die Eheleute bei der Eheschließung vereinbart haben, dass die Ehe nur zum Zweck der Versorgung des überlebenden Ehegatten geschlossen wird. Dies kann beispielsweise in einem Ehevertrag festgehalten sein.

Der Ausschluss des Erbanspruchs greift jedoch nur, wenn der Erblasser innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung verstorben ist. Stirbt der Erblasser erst nach Ablauf dieser Frist, bleibt der Anspruch des überlebenden Ehegatten auf den gesetzlichen Erbteil bestehen.

Des Weiteren kann der Erbanspruch des überlebenden Ehegatten ausgeschlossen sein, wenn dieser bei der Eheschließung in bösgläubiger Weise verschwiegen hat, dass er nur zum Zweck der Versorgung heiratet (§ 1387 BGB). In diesem Fall muss der überlebende Ehegatte beweisen, dass er nicht in bösgläubiger Weise gehandelt hat.

Aktuelle Gerichtsurteile zur Versorgungsehe

Die Rechtsprechung zur Versorgungsehe ist vielfältig und zeigt, dass es keine pauschalen Antworten auf die Frage gibt, ob eine Ehe als Versorgungsehe angesehen werden kann oder nicht. Vielmehr kommt es stets auf die Umstände des Einzelfalls an. Im Folgenden werden einige aktuelle Gerichtsurteile vorgestellt, die die Problematik der Versorgungsehe verdeutlichen:

  • Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 19.10.2016, Az. IV ZR 292/14: In diesem Fall hatte ein Mann seine langjährige Lebensgefährtin acht Tage vor seinem Tod geheiratet. Der BGH entschied, dass in diesem Fall keine Versorgungsehe vorlag, da die Ehe nicht allein zum Zweck der Versorgung geschlossen wurde. Vielmehr war die Heirat aufgrund der langjährigen, festen Beziehung der Eheleute als Ausdruck ihrer Verbundenheit zu werten.
  • Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm vom 25.04.2013, Az. 10 U 64/12: Ein Mann heiratete seine Lebensgefährtin zwei Tage vor seinem Tod. Das OLG Hamm entschied, dass trotz der kurzen Ehedauer keine Versorgungsehe vorlag, da die Eheleute bereits seit mehreren Jahren in einer festen Beziehung lebten und der Erblasser den Wunsch hatte, dass seine Ehefrau auch nach seinem Tod abgesichert ist.
  • Urteil des OLG München vom 17.02.2011, Az. 31 Wx 130/11: Ein Mann heiratete seine Pflegerin einen Tag vor seinem Tod. Das OLG München beurteilte die Ehe als Versorgungsehe, da der Erblasser schwer krank war und die Eheschließung offensichtlich nur zum Zweck der Versorgung der Pflegerin erfolgte. In diesem Fall wurde der gesetzliche Erbanspruch der Ehefrau ausgeschlossen.

Wie die genannten Urteile zeigen, kommt es bei der Beurteilung einer Versorgungsehe stets auf die individuellen Umstände des jeweiligen Falls an. Entscheidend sind insbesondere die Dauer der Ehe, die Dauer einer eventuell vorangegangenen Lebensgemeinschaft, die Motive für die Eheschließung und die persönliche Verbundenheit der Eheleute.

Auswirkungen einer Versorgungsehe im Erbfall

Wird eine Ehe als Versorgungsehe angesehen, hat dies erhebliche Auswirkungen auf die erbrechtlichen Ansprüche des überlebenden Ehegatten. Wie bereits erwähnt, kann der gesetzliche Erbanspruch des überlebenden Ehegatten ausgeschlossen sein, wenn die Ehe nur zum Zweck der Versorgung geschlossen wurde und der Erblasser innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung verstorben ist (§ 1371 Abs. 2 BGB).

Der Ausschluss des Erbanspruchs hat zur Folge, dass der überlebende Ehegatte keinen Anspruch auf den gesetzlichen Erbteil hat, der ihm oder ihr sonst zustehen würde. Dieser Erbteil fällt den anderen gesetzlichen Erben, wie beispielsweise den Kindern oder Eltern des Erblassers, zu.

Der überlebende Ehegatte hat jedoch auch in einer Versorgungsehe Anspruch auf den gesetzlichen Pflichtteil, der in der Regel die Hälfte des gesetzlichen Erbteils beträgt (§ 2303 BGB). Dieser Pflichtteilanspruch kann nur unter sehr engen Voraussetzungen entzogen werden, etwa wenn der überlebende Ehegatte dem Erblasser gegenüber eine schwere Straftat begangen hat (§ 2333 BGB).

Die erbrechtlichen Auswirkungen einer Versorgungsehe können jedoch durch einen Ehevertrag oder ein Testament abgemildert oder verstärkt werden. So kann der Erblasser beispielsweise in einem Testament oder einer letztwilligen Verfügung den überlebenden Ehegatten trotz Versorgungsehe als Erben einsetzen oder ihm oder ihr Vermächtnisse zuwenden. Andererseits kann der Erblasser auch in einem Ehevertrag oder Testament klarstellen, dass der überlebende Ehegatte – auch bei einer späteren Eheschließung – keine erbrechtlichen Ansprüche haben soll.

Häufig gestellte Fragen (FAQs) zur Versorgungsehe

Im Folgenden beantworte ich einige häufig gestellte Fragen zum Thema Versorgungsehe im Erbrecht:

  1. Wann liegt eine Versorgungsehe vor?
    Eine Versorgungsehe liegt vor, wenn die Ehe in erster Linie mit dem Ziel geschlossen wird, den überlebenden Ehepartner finanziell abzusichern, insbesondere im Hinblick auf das Erbrecht. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Dauer der Ehe, die Dauer einer eventuell vorangegangenen Lebensgemeinschaft, die Motive für die Eheschließung und die persönliche Verbundenheit der Eheleute.
  2. Wie wirkt sich eine Versorgungsehe auf den Erbanspruch des überlebenden Ehegatten aus?
    Eine Versorgungsehe kann dazu führen, dass der gesetzliche Erbanspruch des überlebenden Ehegatten ausgeschlossen ist (§ 1371 Abs. 2 BGB). Der überlebende Ehegatte hat jedoch weiterhin Anspruch auf den gesetzlichen Pflichtteil, der in der Regel die Hälfte des gesetzlichen Erbteils beträgt (§ 2303 BGB).
  3. Wie kann der Erblasser die erbrechtlichen Folgen einer Versorgungsehe beeinflussen?
    Der Erblasser kann die erbrechtlichen Folgen einer Versorgungsehe durch einen Ehevertrag, ein Testament oder eine letztwillige Verfügung beeinflussen. Er kann beispielsweise den überlebenden Ehegatten trotz Versorgungsehe als Erben einsetzen oder ihm oder ihr Vermächtnisse zuwenden. Andererseits kann der Erblasser auch klarstellen, dass der überlebende Ehegatte keine erbrechtlichen Ansprüche haben soll, auch bei einer späteren Eheschließung.
  4. Welche Rolle spielt die Dauer der Ehe bei der Beurteilung einer Versorgungsehe?
    Die Dauer der Ehe spielt eine wichtige Rolle bei der Beurteilung einer Versorgungsehe. Je kürzer die Ehe, desto eher liegt eine Versorgungsehe nahe. Allerdings kommt es stets auf die Umstände des Einzelfalls an, insbesondere auf die persönliche Verbundenheit der Eheleute und die Motive für die Eheschließung.

Fazit

Die Versorgungsehe ist im deutschen Erbrecht ein bedeutendes Thema, das sowohl für die Eheleute als auch für die gesetzlichen Erben erhebliche Auswirkungen haben kann. Die Rechtsprechung zeigt, dass es keine pauschalen Antworten auf die Frage gibt, ob eine Ehe als Versorgungsehe angesehen werden kann oder nicht. Vielmehr hängt dies von den individuellen Umständen des jeweiligen Falls ab.

Als erfahrener Rechtsanwalt empfehle ich Ihnen, sich bei Fragen zur Versorgungsehe und den damit verbundenen erbrechtlichen Folgen frühzeitig anwaltlichen Rat einzuholen. Eine rechtzeitige Beratung und Gestaltung, beispielsweise durch einen Ehevertrag oder ein Testament, kann für alle Beteiligten Klarheit schaffen und spätere Streitigkeiten vermeiden.

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