Der Vertragshändlervertrag ist eine der wichtigsten Vertragsformen im Handelsrecht. Als erfahrene Anwaltskanzlei im Bereich der Vertragshändlerverträge möchten wir Sie in diesem Blogbeitrag über die grundlegenden Rahmenbedingungen, Rechte und Pflichten von Vertragshändlern informieren und Ihnen einige Fallbeispiele und aktuelle Gerichtsurteile näherbringen, um Ihnen ein besseres Verständnis für das Thema zu ermöglichen. Zudem gehen wir auf häufig gestellte Fragen ein und zeigen auf, worauf Sie bei der Gestaltung und Überprüfung von Vertragshändlerverträgen achten sollten.

Inhaltsübersicht:

  • Definition und Charakteristika von Vertragshändlern
  • Rechtsgrundlagen für Vertragshändler
  • Rechte und Pflichten von Vertragshändlern
  • Abgrenzung von Vertragshändler, Vertriebspartner und Handelsvertreter
  • Vertragshändler und Kartellrecht
  • Beendigung von Vertragshändlerverträgen
  • Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers
  • Aktuelle Gerichtsurteile
  • Häufig gestellte Fragen (FAQs)
  • Unsere Leistungen für Vertragshändler und Hersteller

Definition und Charakteristika von Vertragshändlern

Der Vertragshändler ist ein selbstständiger Kaufmann, der vertraglich dazu verpflichtet ist, die Produkte eines Herstellers oder Lieferanten (im Folgenden: Hersteller) an Endkunden oder Wiederverkäufer zu vertreiben. Dabei handelt es sich in der Regel um eine langfristige Zusammenarbeit, bei der der Vertragshändler die Produkte in eigenem Namen und auf eigene Rechnung verkauft. Er agiert also nicht als bloßer Vermittler, sondern tritt selbst als Käufer und Verkäufer auf.

Die Zusammenarbeit zwischen Vertragshändler und Hersteller ist von besonderem Vertrauen geprägt, da der Vertragshändler weitgehend für das Verkaufsgebiet zuständig ist und den Kundenkontakt pflegt. Oftmals muss der Vertragshändler die Marke des Herstellers nutzen und die Verkaufsförderung sowie das Marketing im eigenen Verkaufsgebiet übernehmen.

Rechtsgrundlagen für Vertragshändler

Trotz der großen wirtschaftlichen Bedeutung von Vertragshändlern gibt es im deutschen Recht keine spezialgesetzlichen Regelungen für Vertragshändlerverträge. Vielmehr handelt es sich um eine spezielle Ausgestaltung des Handelskaufs (§ 343 HGB) und untersteht daher dem allgemeinen Handelsrecht sowie dem BGB. Hinzu kommen internationale Regelungen wie das UN-Kaufrecht (CISG) bei grenzüberschreitenden Vertragshändlerverträgen.

Vertragsfreiheit und Individualvereinbarungen spielen im Vertragshändlerrecht eine große Rolle. Das bedeutet, dass die Vertragsparteien die Vertragsinhalte weitestgehend selbst festlegen können. Allerdings gelten auch hier bestimmte Schranken, wie etwa das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das Diskriminierungen verbietet, oder das Kartellrecht, das den Wettbewerb schützen soll.

Rechte und Pflichten von Vertragshändlern

Die Rechte und Pflichten von Vertragshändlern ergeben sich aus dem Vertragshändlervertrag, der je nach Bedarf und Vereinbarung zwischen den Parteien zahlreiche Regelungen enthalten kann. Im Folgenden sind einige typische Regelungen aufgeführt:

  • Verkaufsgebiet: Der Vertragshändler ist in der Regel für ein festgelegtes Verkaufsgebiet zuständig, in dem er die Produkte des Herstellers vertreiben soll. Eine exklusive Gebietszuteilung ist möglich, aber nicht zwingend.
  • Mindestabnahmemengen: Der Vertragshändler kann dazu verpflichtet werden, bestimmte Mindestabnahmemengen zu ordern.
  • Rabatt- und Konditionensystem: Es kann ein System festgelegt werden, das den Einkaufspreis der Waren für den Vertragshändler sowie die Konditionen und Rabatte bestimmt.
  • Verkaufsförderung und Marketing: Der Vertragshändler kann dazu verpflichtet werden, im eigenen Verkaufsgebiet Marketing- und Verkaufsförderungsmaßnahmen durchzuführen und sich an bestimmten Verkaufszielen zu orientieren.
  • Produktschulungen und Fortbildung: Der Vertragshändler kann zur Teilnahme an Schulungen oder Fortbildungen verpflichtet werden, um das erforderliche Produktwissen zu erlangen oder auf dem neuesten Stand zu halten.
  • Information und Berichtspflichten: Der Vertragshändler kann verpflichtet werden, den Hersteller regelmäßig über den Absatz der Produkte, den Markt oder über Beschwerden von Kunden zu informieren.
  • Bevorratung: Der Vertragshändler kann dazu verpflichtet werden, eine bestimmte Anzahl von Produkten oder Ersatzteilen vorrätig zu halten.

Darüber hinaus kommen weitere Regelungen infrage, wie etwa die Regelung des Eigentumsvorbehalts zugunsten des Herstellers, bis der Vertragshändler den vollständigen Kaufpreis gezahlt hat, oder die Zulassung des Vertragshändlers als autorisierte Werkstatt.

Abgrenzung von Vertragshändler, Vertriebspartner und Handelsvertreter

Eine klare Abgrenzung der verschiedenen Vertriebsformen ist wichtig, denn je nach Vertriebsform gelten unterschiedliche rechtliche Regelungen und Rechte für die Beteiligten. Im Folgenden wird die Abgrenzung der Begriffe Vertragshändler, Vertriebspartner und Handelsvertreter erläutert:

  • Vertragshändler: Wie bereits beschrieben, handelt der Vertragshändler in eigenem Namen und auf eigene Rechnung. Er trägt das Verkaufsrisiko, ist verantwortlich für seine eigenen Mitarbeiter und hat die Pflicht, den Hersteller über Marktveränderungen und Kundenanfragen zu informieren.
  • Vertriebspartner: Der Begriff des Vertriebspartners ist nicht eindeutig definiert, jedoch handelt es sich in der Regel um eine umfassendere Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Händler als bei einem reinen Vertragshändlerverhältnis. Vertriebspartner können auch Handelsvertreter oder Franchisenehmer sein.
  • Handelsvertreter: Der Handelsvertreter (§ 84 HGB) ist im Gegensatz zum Vertragshändler kein Kaufmann. Er vermittelt Geschäfte für den Unternehmer, ohne diese selbst zu tätigen. Der Handelsvertreter handelt somit nicht auf eigene Rechnung, sondern im Namen und auf Rechnung des Unternehmers. Für Handelsvertreter gelten spezielle rechtliche Regelungen, insbesondere das Ausgleichsanspruch (§ 89b HGB).

Vertragshändler und Kartellrecht

Die Zusammenarbeit von Vertragshändlern und Herstellern kann auch kartellrechtlichen Regelungen unterliegen, insbesondere dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und dem europäischen Kartellrecht (z.B. Artikel 101 AEUV). Ziel des Kartellrechts ist es, den freien Wettbewerb auf den Märkten zu gewährleisten und Wettbewerbsbeschränkungen entgegenzuwirken.

Insbesondere vertikale Vertriebsvereinbarungen, also Vereinbarungen zwischen Herstellern und Vertragshändlern, können kartellrechtlich relevant sein. Zu den möglichen kartellrechtswidrigen Praktiken zählen etwa:

  • Preisbindungen und Preisempfehlungen
  • Exklusive Gebietsvorrechte
  • Exklusivitätsabreden und Kündigungsbeschränkungen
  • Marktzutrittsschranken gegenüber Wettbewerbern

Um kartellrechtliche Risiken zu minimieren, sollten Vertragshändler und Hersteller ihre Vertragsbeziehungen regelmäßig überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Dabei unterstützen wir als erfahrene Anwaltskanzlei im Bereich Handelsrecht und Kartellrecht gerne.

Beendigung von Vertragshändlerverträgen

Vertragshändlerverträge können grundsätzlich ordentlich oder außerordentlich gekündigt werden. Die ordentliche Kündigung ist abhängig von vertraglichen Vereinbarungen und gesetzlichen Regelungen. Eine fristlose, außerordentliche Kündigung ist gemäß § 314 BGB nur dann möglich, wenn ein wichtiger Grund vorliegt und die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zumutbar ist.

Ein wichtiger Grund kann zum Beispiel die wiederholte Verletzung vertraglicher Pflichten durch eine Vertragspartei sein, wie etwa Zahlungsverzug oder das Unterlassen vertraglich vereinbarter Meldepflichten. Bei der Beendigung eines Vertragshändlervertrages sollte stets juristische Beratung in Anspruch genommen werden, um die rechtlichen Risiken und Folgen abzuschätzen und eine rechtssichere Vertragsabwicklung zu gewährleisten.

Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers

Der Ausgleichsanspruch als zentrale gesetzliche Regelung für Handelsvertreter (§ 89b HGB) findet im Vertragshändlerrecht keine direkte Anwendung, da es sich hierbei nicht um Handelsvertreter handelt. Dennoch kann ein Vertragshändler unter bestimmten Voraussetzungen nach Beendigung des Vertragshändlervertrages einen Ausgleichsanspruch geltend machen, insbesondere wenn die Zusammenarbeit dem Handelsvertreterrecht ähnelt und die Vertriebstätigkeit weiterhin Umsätze generiert.

Die Rechtsprechung sieht einen solchen Ausgleichsanspruch unter analoger Anwendung des § 89b HGB vor. Allerdings gibt es hierzu keine feste Regelung, und jeder Fall muss individuell beurteilt werden. Eine anwaltliche Beratung bei der Prüfung und Geltendmachung eines Ausgleichsanspruchs ist daher unerlässlich.

Aktuelle Gerichtsurteile

Im Bereich des Vertragshändlerrechts sind in den letzten Jahren einige interessante Gerichtsentscheidungen ergangen, die die Rechtslage weiter konkretisieren und verdeutlichen. Im Folgenden geben wir Ihnen einen Überblick über einige aktuelle Urteile.

  • BGH, Urteil vom 24.03.2021 (I ZR 203/19): Der Bundesgerichtshof entschied, dass ein Vertragshändler, der vertraglich dazu verpflichtet ist, neue Fahrzeuge mit einer Tachometerstellung von „0“ Kilometern auszuliefern, nicht haftet, wenn er vom Hersteller ein Fahrzeug mit einer Tachometerstellung von „1“ Kilometer erhält und an den Kunden weiterverkauft. Die Tachometerstellung von „1“ Kilometer führt in diesem Fall nicht zu einer Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs, die den Vertragshändler zur Haftung zwingen würde.
  • BGH, Urteil vom 25.04.2018 (I ZR 245/16): Der Bundesgerichtshof lehnte einen Ausgleichsanspruch eines Vertragshändlers ab, da dieser nicht ausreichend nachweisen konnte, dass er in einem konkreten Kundenstamm investiert hatte und diesem Kundenstamm nach Beendigung des Vertrages einen nachhaltigen Vorteil verschaffte.
  • BGH, Urteil vom 29.03.2017 (VIII ZR 44/16): Der Bundesgerichtshof entschied, dass ein fiktiver Geschäftswert bei der Bemessung eines Ausgleichsanspruchs des Vertragshändlers nach Beendigung des Vertrages nur dann relevant ist, wenn objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Vertragshändler im Verlauf des Folgejahres tatsächlich Geschäfte getätigt hätte, die er ohne die Kündigung hätte abschließen können.

Häufig gestellte Fragen (FAQs)

Nachfolgend die häufigsten Fragen für Sie auf einen Blick:

Kann ich als Vertragshändler auch Produkte von anderen Herstellern vertreiben?

Grundsätzlich besteht Vertragsfreiheit, und es gibt keine gesetzliche Regelung, die Ihnen verbietet, auch Produkte von anderen Herstellern zu vertreiben. Allerdings können vertragliche Vereinbarungen zwischen Ihnen und dem Hersteller dafür sorgen, dass Sie verpflichtet sind, ausschließlich dessen Produkte oder eine bestimmte Produktpalette zu vertreiben. In solchen Fällen ist es notwendig, die vertraglichen Vereinbarungen eingehend zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen.

Welche Faktoren beeinflussen die Höhe eines möglichen Ausgleichsanspruchs?

Die Höhe eines möglichen Ausgleichsanspruchs orientiert sich am durchschnittlichen Jahresbruttoertrag, den der Vertragshändler in den letzten fünf Jahren seiner Tätigkeit durch die Geschäfte mit den von ihm betreuten Kunden erzielt hat. Bei der Bemessung des Ausgleichsanspruchs werden jedoch auch andere Faktoren berücksichtigt, wie etwa die Dauer der Zusammenarbeit, der Grad der Identifikation mit dem Hersteller, etwaige Vertragsverletzungen und der Wert des Kundenstamms, den der Vertragshändler hinterlässt. Da die Berechnung eines Ausgleichsanspruchs komplex ist und von vielen individuellen Umständen abhängt, sollte dies stets von einem erfahrenen Rechtsanwalt begleitet werden.

Wie lange dauert es, bis ich einen Ausgleichsanspruch geltend machen kann?

Ein Ausgleichsanspruch kann grundsätzlich nur nach Beendigung des Vertragshändlervertrages geltend gemacht werden. Nach Beendigung des Vertrages müssen Sie jedoch beachten, dass der Anspruch gemäß § 89b Abs. 3 HGB (analog angewendet) innerhalb einer Frist von einem Jahr ab Vertragsbeendigung geltend gemacht werden muss. Andernfalls verjährt der Anspruch. Es ist daher ratsam, sich frühzeitig rechtlich beraten zu lassen, um den Ausgleichsanspruch rechtzeitig und erfolgreich geltend zu machen.

Muss ich als Vertragshändler in jedem Fall die Marke des Herstellers nutzen?

Ob Sie als Vertragshändler die Marke des Herstellers nutzen müssen, hängt von den vertraglichen Vereinbarungen ab. In vielen Fällen wird eine solche Verpflichtung vertraglich festgelegt, um den einheitlichen Markenauftritt sicherzustellen und den Kunden einen hohen Wiedererkennungswert zu bieten. In manchen Fällen kann die Nutzung der Marke sogar als Gegenleistung für eine exklusive Gebietszuteilung angeordnet werden. Sollten Sie Unsicherheiten bezüglich der Nutzung der Marke haben, ist es ratsam, Ihren Vertragshändlervertrag unter rechtlichen Gesichtspunkten prüfen zu lassen.

Unsere Leistungen für Vertragshändler und Hersteller

Als spezialisierte Anwaltskanzlei im Bereich Vertragshändlerrecht betreuen wir sowohl Vertragshändler als auch Hersteller in allen rechtlichen Belangen rund um die Vertragshändlerverträge. Unsere Leistungen umfassen unter anderem:

  • Prüfung und Gestaltung von Vertragshändlerverträgen
  • Vertretung in Streitigkeiten und Verhandlungen
  • Abwehr und Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen
  • Kartellrechtliche Prüfung von Vertragsbestandteilen
  • Unterstützung bei der Beendigung von Vertragsverhältnissen
  • Beratung zu markenrechtlichen Fragestellungen

Unsere langjährige Erfahrung und fachliche Expertise in diesem Rechtsgebiet ermöglicht es uns, Sie umfassend und effektiv zu beraten und Ihre Interessen bestmöglich durchzusetzen. Für ein individuelles Beratungsgespräch stehen wir Ihnen jederzeit zur Verfügung.

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Wolfgang Herfurtner | Rechtsanwalt | Geschäftsführer | Gesellschafter

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