In unserer heutigen, schnelllebigen Zeit kann es jedem einmal passieren, dass finanzielle Notsituationen auftreten und die Begleichung offener Forderungen nicht unverzüglich möglich ist. Gerade einzelne Privatpersonen, kleine und mittelständische Unternehmen sind häufig unverschuldet in finanziellen Schwierigkeiten, welche eine schnelle Tilgung der Forderungen verhindern. Wenn Vollstreckungsmaßnahmen drohen, stellt sich oftmals die Frage, wie man einen Vollstreckungsaufschub erreichen kann, um drohende Konsequenzen abzuwenden und die eigenen Rechte zu schützen. In diesem umfangreichen Artikel widmen wir uns dieser Frage und geben einen umfassenden Überblick über das Thema Vollstreckungsaufschub, dessen rechtlichen Grundlagen, wichtige Voraussetzungen, Antragsverfahren und aktuelle Gerichtsurteile.

Inhaltsverzeichnis

Rechtlicher Hintergrund

Der Vollstreckungsaufschub hat seinen rechtlichen Ursprung im deutschen Prozessrecht, welches im Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt ist. Die gesetzliche Grundlage für den Vollstreckungsaufschub findet sich in § 732 ZPO. Hierin sind die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Antrag auf Vollstreckungsaufschub geregelt, sowie dessen mögliche Gründe und die Verfahrensweise. Daneben existieren weitere Regelungen, die im Rahmen der Forderungsvollstreckung und des Vollstreckungsaufschubs Anwendung finden können, wie zum Beispiel die §§ 802b, 850f und 850k ZPO.

Voraussetzungen für einen Vollstreckungsaufschub

Ein Vollstreckungsaufschub kann grundsätzlich auf zwei verschiedenen Wegen erreicht werden: Zum einen können die Parteien die Forderungsvollstreckung einvernehmlich aussetzen, zum anderen kann der Schuldner auf gerichtlichem Wege versuchen, den Vollstreckungsaufschub zu erwirken. Im folgenden gehen wir auf den Antragsprozess für einen Vollstreckungsaufschub ein, sowie die Rechtzeitigkeit des Antrags und die erforderlichen Unterlagen und Nachweise für einen erfolgreichen Antrag.

Antragsprozess

Um einen Vollstreckungsaufschub über das Gericht zu erreichen, muss der Schuldner einen sogenannten Vollstreckungsabwehrantrag gemäß § 732 ZPO stellen. Der Antrag muss schriftlich beim zuständigen Vollstreckungsgericht eingereicht werden und sollte dabei möglichst präzise formuliert sein. Es ist ratsam, sich für die Antragstellung juristischen Beistand zu holen, um Fehler oder unvollständige Angaben zu vermeiden, die dazu führen können, dass der Antrag abgelehnt wird.

Rechtzeitigkeit des Antrags

Um höhere Kosten und weitere Probleme zu vermeiden, sollte der Vollstreckungsaufschub so früh wie möglich beantragt werden. Grundsätzlich gilt, dass der Antrag vor Beginn der Vollstreckungsmaßnahmen beim Gericht eingegangen sein muss. Allerdings kann auch eine nachträgliche Aussetzung der Vollstreckung in Betracht kommen, wenn sich beispielsweise die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners deutlich verschlechtert haben.

Erforderliche Unterlagen und Nachweise

Neben dem schriftlichen Vollstreckungsabwehrantrag sind noch weitere Unterlagen und Nachweise erforderlich, um den Vollstreckungsaufschub zu erwirken. In der Regel müssen folgende Unterlagen beim Vollstreckungsgericht vorgelegt werden:

  • Nachweis über die Forderung (Titel)
  • Nachweis über die finanzielle und/oder persönliche Situation des Schuldners
  • Ggf. eidesstattliche Versicherung des Schuldners

Je nach individuellem Fall und Situation können weitere Unterlagen oder Nachweise erforderlich sein. Es ist deshalb ratsam, sich bei der Antragstellung über die konkreten Anforderungen des jeweiligen Vollstreckungsgerichts zu informieren und ggf. fachkundige Unterstützung in Anspruch zu nehmen.

Die aufschiebende Wirkung des Vollstreckungsaufschubs

Die erfolgreiche Antragstellung auf Vollstreckungsaufschub hat in der Regel aufschiebende Wirkung auf die Vollstreckungsmaßnahmen, das heißt, dass der Gläubiger seine Forderungen während des Aufschubs der Vollstreckung nicht weiter betreiben darf. Die aufschiebende Wirkung dient dazu, dem Schuldner die Möglichkeit zu bieten, seine finanziellen Probleme in den Griff zu bekommen und/oder die Forderung aus eigener Kraft zu begleichen.

Während des Aufschubs der Vollstreckung ist der Gläubiger grundsätzlich gehindert, weitere Vollstreckungsmaßnahmen durchzuführen. Allerdings kann in Ausnahmefällen eine Fortsetzung der Vollstreckung vom Gericht angeordnet werden, etwa wenn dem Schuldner eine beabsichtigte Vermögensverschleierung oder eine ähnliche Handlung zur Last gelegt wird.

Aktuelle Gerichtsentscheidungen und Rechtsprechung zum Vollstreckungsaufschub

Im Folgenden sollen stellvertretend einige aktuelle Gerichtsentscheidungen und Rechtsprechungen zum Thema Vollstreckungsaufschub dargelegt werden, um das Verständnis für die Praxis und die möglichen Fallkonstellationen zu vertiefen:

  • Bundesgerichtshof, Beschluss vom 7. Mai 2020, IX ZB 84/18: Im verhandelten Fall entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass ein Schuldner, dem ein Vollstreckungsaufschub gewährt wurde, dennoch gezwungen sein kann, seine Wohnung zu verlassen, wenn der Gläubiger im Rahmen eines Räumungsverfahrens eine Auszugsfrist gewährt hat und den Schuldner anschließend auf Herausgabe der Wohnung verklagt.
  • Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 13. Dezember 2019, 2 Wx 312/19: Hier entschied das Oberlandesgericht (OLG) Köln, dass bei einem Vollstreckungsaufschub bei einer wiederkehrenden Leistung keine gesonderte Anhörung des Gläubigers erforderlich ist. Eine Anhörung ist nur im Rahmen eines Erstantrags notwendig.
  • Landgericht Krefeld, Urteil vom 12. März 2019, 3 O 241/16: In einer Entscheidung des Landgerichts Krefeld wurde im Rahmen eines Vollstreckungsaufschubs aufgrund einer Bürgschaft einer Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand stattgegeben, da schwere Herzbeschwerden eines Schuldners eine Unverschuldetheit an der Versäumung der Vollstreckungsfrist begründeten.

Die aufgeführten Gerichtsentscheidungen zeigen, dass die Rechtsprechung zu Vollstreckungsaufschub durchaus vielfältig und unterschiedlich ist. Eine Einzelfallentscheidung ist üblich, weshalb eine eingehende Prüfung des jeweiligen Falles und eine fachkundige Beratung unabdingbar sind.

Häufig gestellte Fragen zum Thema Vollstreckungsaufschub

Nachfolgend haben wir häufig gestellte Fragen rund um das Thema Vollstreckungsaufschub zusammengestellt und beantwortet, um einen besseren Überblick und ein tiefergehendes Verständnis des Thema zu geben:

Wie lange kann ein Vollstreckungsaufschub gewährt werden?

Die Dauer eines Vollstreckungsaufschubs hängt von den individuellen Umständen des jeweiligen Falles ab. Grundsätzlich kann das Gericht die Dauer des Aufschubs in seinem Ermessen bestimmen. In der Praxis werden häufig Zeiträume von sechs Monaten bis zu zwei Jahren festgelegt.

Kann während des Vollstreckungsaufschubs gegen den Schuldner ein Insolvenzverfahren eröffnet werden?

Grundsätzlich ja. Der Vollstreckungsaufschub hat keine Auswirkung auf das Insolvenzverfahren, d.h. während des Aufschubs kann gegen den Schuldner ein Insolvenzverfahren eingeleitet werden, sofern die übrigen Voraussetzungen hierfür gegeben sind. Allerdings kann im Einzelfall eine Aussetzung des Insolvenzverfahrens aufgrund des Vollstreckungsaufschubs erfolgen, z.B. wenn eine Zahlungsschwierigkeit nur vorübergehend ist und der Schuldner realistische Aussichten hat, seine Verbindlichkeiten innerhalb der Dauer des Aufschubs zu begleichen.

Welche Konsequenzen hat ein Vollstreckungsaufschub für den Gläubiger?

Für den Gläubiger bedeutet der Vollstreckungsaufschub, dass er seine Forderungen während der Dauer des Aufschubs nicht weiter betreiben darf. Dies kann u.U. dazu führen, dass der Gläubiger die Forderung später geltend machen muss oder die Forderung unter Umständen verjährt. Während des Vollstreckungsaufschubs ist der Gläubiger jedoch nicht daran gehindert, seine Forderung durch andere Maßnahmen, wie etwa durch Mahnungen oder Eintragungen in die Schufa, aufrechtzuerhalten und zu sichern.

Was passiert, wenn der Schuldner während des Vollstreckungsaufschubs seine Verbindlichkeiten nicht begleichen kann?

Wenn der Schuldner innerhalb der Dauer des Vollstreckungsaufschubs seine Verbindlichkeiten nicht vollständig begleichen kann, steht es dem Gläubiger grundsätzlich frei, nach Ablauf des Aufschubs weitere Vollstreckungsmaßnahmen zu ergreifen. Der Schuldner hat in diesem Fall die Möglichkeit, erneut einen Antrag auf Vollstreckungsaufschub zu stellen, allerdings wird das Gericht die Erfolgsaussichten des Antrags unter Berücksichtigung der bisherigen Entwicklung des Schuldners und der nunmehrigen Umstände prüfen.

Wie kann der Schuldner eine einvernehmliche Lösung mit dem Gläubiger erreichen, um einen Vollstreckungsaufschub zu erlangen?

Um eine einvernehmliche Lösung mit dem Gläubiger zu erreichen, ist eine offene Kommunikation zwischen den Parteien erforderlich. Der Schuldner sollte frühzeitig auf den Gläubiger zugehen und seine aktuelle Situation offenlegen, um gemeinsam nach einer Lösung zu suchen. Eine mögliche Variante ist beispielsweise die Vereinbarung einer Ratenzahlung oder Stundung der Forderung, die es dem Schuldner erleichtert, seine Verbindlichkeiten nach und nach zu begleichen.

Auch in diesem Fall ist eine rechtliche Beratung durch einen kompetenten Rechtsanwalt sinnvoll, der die Verhandlungen mit dem Gläubiger führt und den Schuldner über seine Rechte und Möglichkeiten aufklärt.

Kann gegen eine Ablehnung des Vollstreckungsaufschubs Rechtsmittel eingelegt werden?

Gegen die Ablehnung eines Antrags auf Vollstreckungsaufschub durch das Gericht besteht grundsätzlich die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen, etwa durch Beschwerde oder Berufung (je nach Verfahrensstufe und Rechtsweg). Die Erfolgsaussichten einer solchen Rechtsmittelinstanz hängen jedoch stark von den individuellen Umständen des jeweiligen Falles ab und sollten daher im Vorfeld durch einen kompetenten Anwalt geprüft werden.

Fazit

Ein Vollstreckungsaufschub bietet sowohl für Schuldner als auch für Gläubiger eine Möglichkeit, Forderungsvollstreckungen vorübergehend auszusetzen, um schwierige finanzielle Situationen besser bewältigen zu können. Dabei ist sowohl eine einvernehmliche Lösung zwischen den Parteien als auch ein gerichtlicher Vollstreckungsaufschub denkbar. Die Voraussetzungen, das Antragsverfahren sowie die rechtlichen Grundlagen und die Rechtsprechung im Bereich Vollstreckungsaufschub sind vielfältig und komplex, weshalb in jedem Fall eine fundierte rechtliche Beratung und Prüfung empfehlenswert ist.

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