Bei einer Eheschließung gibt es viele rechtliche Aspekte, die Paare kennen und verstehen müssen. Dazu gehört auch das Konzept des sogenannten Vorbehaltsgutes. In diesem umfassenden Blog-Beitrag erfahren Sie alles Wichtige und Interessante rund um das Vorbehaltsgut. Der Beitrag ist gründlich recherchiert und stützt sich auf Gesetze, aktuelle Gerichtsurteile und Fallbeispiele, um Ihnen eine vollständige und zutreffende Darstellung des Themas zu bieten.
Was ist Vorbehaltsgut?
Vorbehaltsgut ist das Vermögen, das ein Ehegatte in eine Ehe (oder eingetragene Partnerschaft) einbringt, und das von der anderen Person nicht angegriffen werden kann. Es umfasst nicht nur Vermögen, das zum Zeitpunkt der Eheschließung bestand, sondern auch später hinzugekommenes Vermögen. Vorbehaltsgut entsteht, wenn die Ehegatten (oder eingetragenen Partner) sich im Rahmen des Ehevertrages oder einer notariell beurkundeten Vereinbarung darauf verständigen, dass ein bestimmter Teil des Vermögens eines Ehegatten von der gemeinschaftlichen Haftung für Schulden ausgeschlossen ist.
Rechtliche Grundlagen des Vorbehaltsgutes
Im deutschen Recht wird die Regelung des Vorbehaltsgutes überwiegend durch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) getroffen. Die Vorschriften über das Vorbehaltsgut finden sich in den folgenden Hauptabschnitten des BGB:
- §§ 1363 – 1390 BGB (Ehewirkungen im Allgemeinen)
- §§ 1408 – 1512 BGB (Eheverträge)
- §§ 1519 – 1615y BGB (Zugewinngemeinschaft)
Daneben gibt es auch spezielle Regelungen für eingetragene Lebenspartnerschaften im Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG).
Voraussetzungen für die Bildung von Vorbehaltsgut
Grundsätzlich entsteht Vorbehaltsgut durch eine entsprechende Vereinbarung zwischen den Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern. Diese Vereinbarung kann sowohl im Rahmen eines Ehevertrages als auch in einer gesonderten notariell beurkundeten Vereinbarung getroffen werden.
Die Bildung von Vorbehaltsgut setzt dabei die Beachtung der folgenden Voraussetzungen voraus:
- Existenz einer rechtskräftigen Ehe oder eingetragenen Lebenspartnerschaft
- Vorherige notarielle Beurkundung der entsprechenden Vereinbarung
- Bestimmtheit und Klarheit der Vereinbarung
- Einhaltung von Form- und Fristvorschriften
- Wahrung der Grundsätze von Treu und Glauben
Es ist wichtig, dass beide Partner die Bedingungen und den Umfang der Vorbehaltsvereinbarung genau verstehen und die Vereinbarung in Übereinstimmung mit den rechtlichen Anforderungen getroffen wird. Andernfalls kann die Vereinbarung nichtig oder anfechtbar sein.
Beispiele und Gerichtsentscheidungen zum Vorbehaltsgut
Die Bildung von Vorbehaltsgut ist in der Praxis oftmals Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen.
Beispiel 1: Umfang des Vorbehaltsgutes
In einem Fall vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG Frankfurt, Beschluss vom 05.08.2020, Az. 4 UF 159/20) stritten die Ehegatten darüber, ob bestimmte Kontoguthaben und Aktien zum Vorbehaltsgut gehörten. Die Ehefrau hatte im Ehevertrag ausdrücklich festgelegt, dass ihre bei der Heirat vorhandenen Spar- und Aktienkonten Vorbehaltsgut sein sollten. Nach der Trennung der Ehegatten wurde streitig, ob auch solche Kontoguthaben zum Vorbehaltsgut zählten, die aus Schenkungen der Großeltern der Ehefrau stammten, welche während der Ehe auf ihr Konto überwiesen wurden.
Das OLG Frankfurt entschied, dass solche Schenkungen grundsätzlich zum Vorbehaltsgut gehören, wenn dies im Ehevertrag entsprechend festgelegt ist. In diesem Fall hatte die Ehefrau jedoch keine ausreichend klare Regelung im Ehevertrag getroffen, so dass die Schenkungsgelder nicht als Vorbehaltsgut angesehen wurden.
Beispiel 2: Verrechnung von Vorbehaltsgut
In einem weiteren Fall vor dem Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 24.02.2021, Az. XII ZB 358/20) verlangte die Ehefrau die Rückkehr ihrer Vorbehaltsgut-Mittel, die sie während der Ehe in den gemeinsamen Haushalt eingebracht hatte. Der Ehevertrag sah ausdrücklich vor, dass die Frau während der Ehe verwendete Vorbehaltsgutmittel zurückbekommen sollte.
Der BGH entschied, dass der Ehefrau die Rückgabe der Mittel nur dann zustehe, wenn sie nachweisen könne, dass das eingezahlte Geld tatsächlich zum Vorbehaltsgut gehört hatte und von ihr zur Bestreitung der laufenden Lebenshaltungskosten erbracht wurde. Hat ein Ehepartner keine ausreichenden Nachweise für seine finanzielle Leistung, kann die Rückforderung des Vorbehaltsguts scheitern.
FAQs zum Vorbehaltsgut
Ist Vorbehaltsgut auch vor Zugriff bei Scheidung geschützt?
Grundsätzlich bleibt das Vorbehaltsgut auch bei einer Scheidung unangetastet, da es nicht zum gemeinsamen Vermögen der Ehegatten gehört. Allerdings kann es im Zuge der Vermögensauseinandersetzung zu komplizierten Verrechnungssituationen kommen, die unter Umständen zu einer teilweisen Minderung des Vorbehaltsguts führen können.
Kann ich mein Erbe als Vorbehaltsgut ansehen?
Ein Erbe, das während der Ehe erworben wird, gilt per gesetzlicher Regelung als Vorbehaltsgut. Das bedeutet, dass das geerbte Vermögen grundsätzlich nicht der gemeinschaftlichen Haftung für Schulden oder der Zugewinnausgleichsforderung unterliegt, es sei denn, die Ehegatten haben etwas anderes vereinbart.
Kann ich mein gesamtes Vermögen als Vorbehaltsgut ausweisen?
Grundsätzlich ist es möglich, sein gesamtes Vermögen bei der Gestaltung des Ehevertrages oder einer notariell beglaubigten Vereinbarung als Vorbehaltsgut auszuweisen. Allerdings müssen dabei bestimmte rechtliche Anforderungen beachtet werden, und die Kunstruktion sollte in Übereinstimmung mit den Grundsätzen von Treu und Glauben erfolgen.
Können Schulden auch als Vorbehaltsgut geltend gemacht werden?
Als Vorbehaltsgut können grundsätzlich nur positive Vermögenswerte ausgewiesen werden. Schulden zählen nicht zur Kategorie des Vorbehaltsguts. Allerdings kann in einem Ehevertrag oder einer notariell beurkundeten Vereinbarung festgelegt werden, dass bestimmte Schulden allein von einem Ehegatten getragen werden und nicht gemeinsam haften.
Abschließende Bemerkungen
Das Vorbehaltsgut bietet Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern die Möglichkeit, bestimmtes Vermögen von der gemeinschaftlichen Haftung für Schulden und dem Zugewinnausgleich auszunehmen. Angesichts der rechtlichen Komplexität, die dieses Thema umgibt, ist es wichtig, sich vor der Eheschließung oder Partnerschaftsregistrierung umfassend zu informieren und gegebenenfalls professionelle Unterstützung durch einen Rechtsanwalt oder Notar in Anspruch zu nehmen.
Insgesamt soll dieser Beitrag dazu beitragen, ein tieferes Verständnis für das Vorbehaltsgut und seine rechtlichen Aspekte zu schaffen.
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