Als erfahrener Rechtsanwalt möchte ich Ihnen in diesem umfassenden Blog-Beitrag alles Wissenswerte zur vorläufigen Steuerfestsetzung näherbringen. Es gibt viele Missverständnisse und Fragen rund um das Thema Steuerfestsetzung. Hier erfahren Sie nicht nur, was genau vorläufige Steuerfestsetzungen sind, sondern auch wann sie vorgenommen werden und welche Rechte und Pflichten auf Sie als Steuerpflichtiger zukommen.

Inhalt

Was ist eine vorläufige Steuerfestsetzung?

Die vorläufige Steuerfestsetzung ist ein Verwaltungsakt des Finanzamts, der es ermöglicht, die Höhe der Steuerfestsetzung zu einem späteren Zeitpunkt, ohne die Einhaltung strenger Fristen, zu überprüfen und gegebenenfalls abzuändern. Dies wird in der Praxis durchgeführt, wenn das Finanzamt bestimmte, für die Höhe der Steuererklärung relevante Sachverhalte noch nicht endgültig klären kann oder wenn die Rechtslage noch unklar oder ungeklärt ist. Die vorläufige Steuerfestsetzung bietet sowohl für das Finanzamt als auch für den Steuerpflichtigen eine gewisse Flexibilität.

Wann wird eine Steuerfestsetzung vorläufig vorgenommen?

Das Finanzamt ist zwar grundsätzlich verpflichtet, eine endgültige Steuerfestsetzung zu treffen, es kann allerdings aus verschiedenen Gründen notwendig werden, eine vorläufige Steuerfestsetzung vorzunehmen. Hier gibt es zwei mögliche Szenarien:

  1. Auf Antrag des Steuerpflichtigen: Der Steuerpflichtige kann unter Angaben von Gründen das Begehren äußern, dass die Steuerfestsetzung zunächst nur vorläufig erfolgen soll. In diesem Fall wird das Finanzamt prüfen, ob die Gründe ausreichend sind und eine vorläufige Steuerfestsetzung vornehmen.
  2. Aufgrund von Amtsermittlungen: Das Finanzamt kann von Amts wegen eine vorläufige Steuerfestsetzung vornehmen, wenn es noch nicht alle Informationen für eine endgültige Steuerfestsetzung hat oder wenn die geltende Rechtslage noch ungeklärt oder umstritten ist.

Vorteile und Nachteile für den Steuerpflichtigen

Einerseits bietet die vorläufige Steuerfestsetzung Vorteile für den Steuerpflichtigen. So kann beispielsweise die Festsetzung der noch zu entrichtenden Steuerzahlungen aufgeschoben werden, bis bestimmte Sachverhalte oder Rechtsfragen geklärt sind. Andererseits kann die vorläufige Steuerfestsetzung auch zu zusätzlichen Belastungen führen, wie zum Beispiel zur Nachzahlung von Steuern oder zur Unsicherheit bezüglich der zu erwartenden Steuerlast.

Anfechtung der vorläufigen Steuerfestsetzung

Eine vorläufige Steuerfestsetzung ist grundsätzlich zwar anfechtbar, allerdings gelten aufgrund ihres vorläufigen Charakters im Einspruchsverfahren oder einer Klage vor dem Finanzgericht Einschränkungen. Ein Einspruch lohnt sich in der Regel erst, wenn die Steuerfestsetzung endgültig ist. Grund hierfür ist die gesetzliche Regelung, dass im Rahmen einer vorläufigen Steuerfestsetzung nur bestimmte Steuerfestsetzungselemente vorläufig sind, während andere Elemente endgültig festgesetzt werden können. Eine Anfechtung sollte daher immer gut überlegt und mit juristischer Unterstützung erfolgen.

Verjährung und Anpassung der vorläufigen Steuerfestsetzung

Die Verjährungsfristen für eine vorläufige Steuerfestsetzung betragen vier Jahre ab dem Zeitpunkt, in dem die Steuerfestsetzung wirksam geworden ist. Dies bedeutet, dass das Finanzamt innerhalb dieser Frist die Möglichkeit hat, die Steuerfestsetzung anzupassen, wenn sich die Sach- oder Rechtslage ändert. Diese Anpassungen können sowohl zu Gunsten als auch zu Ungunsten des Steuerpflichtigen erfolgen und beispielsweise zu Nachzahlungspflichten oder Steuererstattungen führen.

Im Falle einer Verjährung der vorläufigen Steuerfestsetzung wird diese endgültig. Nach dem Ablauf der Verjährungsfrist kann das Finanzamt die betroffenen Steuerfestsetzungselemente nicht mehr ändern.

Beispiele für vorläufige Steuerfestsetzungen

Hier einige Beispiele, in denen eine vorläufige Steuerfestsetzung vorgenommen wurde:

  • Ungeklärte Rechtslage: Im Jahr 2017 war die Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge noch nicht abschließend geklärt. In diesem Fall wurden Steuerbescheide häufig vorläufig erlassen, bis eine endgültige Entscheidung getroffen worden ist.
  • Fehlende Unterlagen: Ein Unternehmer hat seine Steuererklärung fristgerecht eingereicht, jedoch noch nicht alle notwendigen Unterlagen dem Finanzamt vorgelegt. Das Finanzamt hat daraufhin zunächst eine vorläufige Steuerfestsetzung vorgenommen.
  • Erwartete Gesetzesänderungen: Eine vorläufige Steuerfestsetzung kann auch dann erfolgen, wenn in absehbarer Zeit mit einer gesetzlichen Änderung oder einer neuen höchstrichterlichen Entscheidung zu rechnen ist, die Einfluss auf die Steuerfestsetzung haben könnte.

Aktuelle Gerichtsurteile zur vorläufigen Steuerfestsetzung

In der jüngsten Rechtsprechung gab es einige Urteile, die sich mit der vorläufigen Steuerfestsetzung auseinandergesetzt haben. Hier ein paar Beispiele:

  • BFH, Urteil vom 10.10.2018, IX R 24/17: Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass im Fall einer vorläufigen Steuerfestsetzung ein Einspruch auch dann zulässig ist, wenn der angefochtene Steuerbescheid nicht ausdrücklich darauf hinweist, dass die Steuerfestsetzung nur hinsichtlich eines bestimmten Streitpunktes vorläufig erfolgt ist.
  • Finanzgericht Münster, Urteil vom 19.02.2019, 1 K 3327/16: Das Finanzgericht Münster hat entschieden, dass das Finanzamt ausnahmsweise eine vorläufige Steuerfestsetzung vornehmen darf, obwohl der Steuerpflichtige seiner Mitwirkungspflicht zuvor nicht nachgekommen ist. In diesem Fall hatte der Steuerpflichtige seine Einkünfte aus selbstständiger Arbeit nicht vollständig erklärt.
  • BFH, Beschluss vom 18.07.2018, XI B 13/18: Der BFH hat entschieden, dass das Finanzamt bei einer vorläufigen Steuerfestsetzung den betroffenen Steuerbescheid nicht automatisch anpassen muss, wenn sich die Rechtslage geändert hat. Vielmehr liegt es im Ermessen des Finanzamts, ob es den Steuerbescheid anpasst oder nicht.

FAQs: Häufig gestellte Fragen rund um das Thema vorläufige Steuerfestsetzung

Was bedeutet der Vermerk „vorläufig“ in meinem Steuerbescheid?

Ein solcher Vermerk bedeutet, dass das Finanzamt in Ihrem Steuerbescheid eine vorläufige Steuerfestsetzung vorgenommen hat. Dies kann unterschiedliche Gründe haben, wie zum Beispiel eine bisher ungeklärte Rechtslage oder fehlende Informationen bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen. Die vorläufige Steuerfestsetzung ermöglicht es dem Finanzamt, Ihren Steuerbescheid zu einem späteren Zeitpunkt anzupassen.

Kann ich gegen eine vorläufige Steuerfestsetzung Einspruch einlegen?

Grundsätzlich ist ein Einspruch gegen eine vorläufige Steuerfestsetzung möglich, allerdings sollte dieser gut überlegt sein. Im Einspruchsverfahren gelten Einschränkungen hinsichtlich der Anfechtbarkeit vorläufiger Steuerfestsetzungen. Ein Einspruch lohnt sich in der Regel erst, wenn die Steuerfestsetzung endgültig ist.

Wann muss ich die von einer vorläufigen Steuerfestsetzung betroffenen Steuern zahlen?

Die durch eine vorläufige Steuerfestsetzung ermittelten Steuern sind grundsätzlich zur Zahlung fällig, ebenso wie bei einer endgültigen Steuerfestsetzung. Sollte sich im Nachhinein allerdings herausstellen, dass die festgesetzten Steuern zu hoch waren, können Sie eine Erstattung der zu Unrecht gezahlten Beträge erhalten.

Wie lange kann das Finanzamt meine vorläufige Steuerfestsetzung ändern?

Die Verjährungsfrist für Änderungen bei einer vorläufigen Steuerfestsetzung beträgt vier Jahre ab dem Zeitpunkt, in dem die Steuerfestsetzung wirksam geworden ist. Innerhalb dieser Frist hat das Finanzamt die Möglichkeit, die Steuerfestsetzung anzupassen. Nach Ablauf der Verjährungsfrist wird die vorläufige Steuerfestsetzung endgültig, und das Finanzamt kann die betroffenen Steuerfestsetzungselemente nicht mehr ändern.

Woran erkenne ich, dass meine Steuerfestsetzung endgültig ist?

Eine endgültige Steuerfestsetzung liegt vor, wenn im Steuerbescheid kein Vermerk über eine vorläufige Steuerfestsetzung mehr enthalten ist und keine offenen Fragen oder ungeklärten Sachverhalte mehr bestehen. Bei einer endgültigen Steuerfestsetzung ist das Finanzamt an die getroffenen Feststellungen gebunden und kann den Steuerbescheid grundsätzlich nicht mehr ändern, es sei denn, es liegen bestimmte Ausnahmetatbestände vor (z. B. offenbare Unrichtigkeit).

Fazit

Die vorläufige Steuerfestsetzung ist ein flexibles Instrument, das sowohl für das Finanzamt als auch für den Steuerpflichtigen Vorteile mit sich bringen kann. Allerdings ist es wichtig, genau zu verstehen, was eine vorläufige Steuerfestsetzung bedeutet und welche Konsequenzen sie mit sich bringt. Sollten Sie sich in einer solchen Situation befinden, empfiehlt es sich, rechtlichen Rat einzuholen, um Ihre rechtliche Position bestmöglich wahren zu können.

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