Im Zuge der Energiewende und des zunehmenden Umweltbewusstseins haben sich in den letzten Jahren verschiedene Möglichkeiten zur dezentralen Energieversorgung und -einsparung etabliert. Eine dieser Möglichkeiten ist das sogenannte Wärmecontracting – ein zukunftsweisendes Modell für die Bereitstellung von Wärme.
Im Rahmen dieses Beitrags möchten wir ausführlich auf rechtlichen Rahmenbedingungen, Vertragsbestimmungen sowie auf aktuelle Gerichtsurteile eingehen, um Ihnen als kompetente Anwaltskanzlei alle wichtigen Informationen zum Thema Wärmecontracting zur Verfügung zu stellen.
Was ist Wärmecontracting?
Beim Wärmecontracting übernimmt ein externer Dienstleister (Contractor) die Planung, Installation, Finanzierung, Betrieb und Wartung einer Wärmeerzeugungsanlage. Der Contractor trägt dabei das wirtschaftliche Risiko und stellt dem Kunden die Wärme zur Verfügung. Der Kunde zahlt im Gegenzug eine verbrauchsabhängige Vergütung für die gelieferte Wärme.
Rechtliche Grundlagen des Wärmecontractings
Wärmecontracting ist keine gesetzlich geregelte Form der Wärmeversorgung, daher sind Vertragsverhältnisse ausschließlich privatrechtlich geregelt. Grundsätzlich unterliegen Contractingverträge dem allgemeinen Schuldrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und können als Mischform aus Miet-, Leasing- und Werkverträgen angesehen werden.
Mietrechtliche Vorschriften
Ein Teil der Wärmecontracting-Vereinbarungen kann durch mietrechtliche Regelungen des BGB (§§ 535 ff.) abgedeckt sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Heizungsanlage dem Kunden zur Nutzung überlassen wird und der Wärmeliefervertrag auch eine mietrechtliche Komponente aufweist.
Werkverträge und Dienstleistungen
Weiter können auch Elemente aus Werkvertragsrecht (§§ 631 ff. BGB) und Dienstleistungsrecht (§§ 611 ff. BGB) im Rahmen eines Contracting-Vertrages vorliegen. So ist die Errichtung und Instandhaltung der Wärmeerzeugungsanlage als Werkvertrag zu qualifizieren und die Lieferung von Wärme als Dienstleistung anzusehen.
Energie- und umweltrechtliche Vorschriften
Zusätzlich zu den allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen müssen Contracting-Projekte auch energierechtliche Vorschriften beachten. Dazu gehören unter anderem das Energiedienstleistungsgesetz (EDL-G), die Energieeinsparverordnung (EnEV), das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) sowie immissionsschutz- und umweltrechtliche Bestimmungen.
Vertragliche Regelungsinhalte
Da es keine gesetzliche Regelung gibt, die alle Aspekte eines Contracting-Vertrages abdeckt, sollten die Vertragsparteien im Detail alles im Vertrag regeln. Zu den wichtigsten Regelungsbereichen zählen:
- Vertragsgegenstand und Leistungsumfang
- Liefer- und Leistungspflichten
- Wärmepreis und Zahlungskonditionen
- Nutzung und Lagerung von Brennstoffen
- Verantwortlichkeit für Instandhaltung, Wartung und Reparatur
- Meldung und Behebung von Störungen
- Haftung und Gewährleistung
- Laufzeit und Kündigungsfristen
- Übernahme der Anlage nach Vertragsende oder -auflösung
- Sonstige Nebenleistungspflichten
Der Wärmeliefervertrag sollte präzise und individuell auf die Bedürfnisse der Parteien zugeschnitten sein. Zudem sollte er im Einklang mit den geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen stehen.
Wichtige Aspekte für die Vertragsgestaltung
In der Praxis haben sich einige zentrale Problemfelder herauskristallisiert, die bei der Gestaltung von Wärmecontracting-Verträgen besonders beachtet werden sollten, darunter:
- Flexibilität der Liefer-, Leistungs- und Preismodelle
- Minderung, Stundung und Anpassung der Wärmepreise
- Vereinbarung von Preiseskalationsklauseln
- Sicherstellung von Versorgungssicherheit und -qualität
- Klarheit über Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten
- Einräumung von Sonderkündigungsrechten bei wesentlichen Änderungen
- Regelung von Haftung und Gewährleistung zur Risikoabsicherung
- Übernahme der Anlage nach Vertragsende
- Einbindung öffentlich-rechtlicher Vorschriften, insbesondere bei Umsetzung von Energie- und Umweltzielen
Diese Themen können auch im Rahmen von Aktualisierungen und Anpassungen bestehender Verträge relevant sein.
Vertragliche und gesetzliche Gewährleistung
Im Rahmen eines Wärmecontracting-Vertrags kann es zu Gewährleistungsansprüchen gegenüber dem Contractor kommen. Diese ergeben sich sowohl aus dem allgemeinen Schuldrecht (§§ 280 ff. BGB) als auch aus speziellen Regelungen des Miet- und Werkvertragsrechts. Die gesetzliche Gewährleistung umfasst in der Regel
- Nacherfüllung (§ 439 BGB bei Kaufverträgen, § 635 BGB bei Werkverträgen)
- Rücktritt (§ 440 BGB, § 636 BGB)
- Minderung (§ 441 BGB, § 638 BGB)
- Schadensersatz (§ 281 BGB, § 280 BGB)
Die Vertragsparteien können die Gewährleistungspflichten innerhalb der vertraglichen Vereinbarungen modifizieren. Jedoch unterliegen solche Regelungen gesetzlichen Grenzen, z.B. dem Haftungsausschluss für vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln.
Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gelten für das gewerbliche Wärmecontracting?
Jede Form des Contractings unterliegt einer Vielzahl von gesetzlichen Vorschriften, die sich unter anderem aus dem BGB, dem VOB/B, dem EEG, dem KWKG und dem EnWG ableiten. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für das Wärmecontracting sind durchaus komplex und wandelbar, da hier sowohl privatrechtliche Vertragsverhältnisse als auch energiewirtschaftsrechtliche Vorschriften relevant sind.
Hinzu kommt noch das Kartellrecht, das insbesondere bei einer marktbeherrschenden Stellung des Contractors relevant wird.
Privatrechtliche Aspekte
Die privatrechtlichen Aspekte des gewerblichen Wärmecontractings lassen sich in drei Bereiche unterteilen:
- Vertragsgestaltung
- Technische Voraussetzungen
- Kosten, Preise und Abrechung
Vertragsgestaltung
Die vertraglichen Beziehungen im Wärmecontracting werden in der Regel durch langfristige Leistungsverträge geregelt. Das BGB stellt hier den gesetzlichen Rahmen dar und erlaubt Vertragsparteien eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Das AGB-Recht findet auf diese Verträge Anwendung. Die Verträge sollten alle relevanten Details zu Leistungen, Preisen, Laufzeiten, Kündigung, Haftung usw. enthalten.
Technische Voraussetzungen
Die technischen Voraussetzungen für das gewerbliche Wärmecontracting richten sich nach den einschlägigen technischen Regelwerken, insbesondere nach der VOB/B und der DIN EN 12831 (Heizlastberechnung). Hier sind bau- und planungsrechtlichen Vorgaben zu beachten, die sich aus dem Bauplanungs- und dem Bauordnungsrecht ergeben können.
Kosten, Preise und Abrechnung
Die Kosten für die Wärmeversorgung im gewerblichen Wärmecontracting setzen sich in der Regel aus einem Grundpreis für die Bereitstellung der Heizungsanlage und einem Arbeitspreis für die tatsächlich verbrauchte Wärme zusammen. Hierbei spielen energiewirtschaftsrechtliche Regelungen und etwaige Förderungen eine wichtige Rolle.
Energiewirtschaftsrechtliche Aspekte
Das gewerbliche Wärmecontracting wird maßgeblich durch das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) geregelt, das die allgemeinen wirtschaftlichen Bedingungen der Energieversorgung normiert. Hinzu kommen das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) mit spezielleren energiewirtschaftsrechtlichen Regelungen. Energiecontractoren können zudem von bestimmten Förderungen profitieren, sofern sie die Voraussetzungen erfüllen.
Verbraucherschutz und Kartellrecht
Ein oft diskutiertes Thema im Zusammenhang mit dem gewerblichen Wärmecontracting ist der Verbraucherschutz. Viele Contracting-Verträge sind Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) unterworfen, die einer strengen rechtlichen Kontrolle unterliegen. Darüber hinaus sind kartellrechtliche Aspekte zu beachten, insbesondere wenn der Contractor eine marktbeherrschende Stellung innehat.
Planungs- und baurechtliche Bestimmungen
Bei der Errichtung von Heizungsanlagen sind bundes- und landesrechtliche Bestimmungen zu beachten. Hier sind insbesondere das Baugesetzbuch (BauGB), die Landesbauordnungen und ggf. lokale Bebauungspläne relevant. Diese bestimmen, wo und wie Heizungsanlagen errichtet werden dürfen.
Aktuelle Rechtsprechung zum Wärmecontracting
In den letzten Jahren hat die Rechtsprechung vereinzelt wichtige Entscheidungen zum Thema Wärmecontracting getroffen, welche die Praxis und Vertragsgestaltung maßgeblich beeinflussen:
BGH, Beschluss vom 17.12.2014 – VII ZR 348/12
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass ein Contractingvertrag über die Lieferung von Heizwärme und Warmwasser, bei dem ein Energieversorgungsunternehmen im Rahmen einer Contracting-Vereinbarung für einen Abnehmer die Wärmeversorgung gewährleistet und hierzu in dessen Gebäude eine Anlage auf eigene Kosten errichtet, als Werkvertrag einzustufen ist.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 09.11.2017 – 24 U 180/16
Das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied, dass es für die Einordnung eines Vertrages als Mischvertrag auf mietrechtlicher Grundlage und nicht als Werkvertrag ausreicht, wenn der Betreiber einer Wärmeversorgungsanlage diese dem Kunden zwar prinzipiell zur Nutzung überlässt, der Betreiber aber für Wartungs- und Instandhaltungsarbeit zuständig bleibt.
BGH, Urteil vom 10.05.2017 – VIII ZR 214/16
Der Bundesgerichtshof entschied, dass eine Betriebskostenabrechnung über Heizkosten auch dann formell ordnungsgemäß ist, wenn die Kosten für das eingesetzte Brennstoffgemisch nicht aufgeschlüsselt sind. Dieser Entscheidung kommt insbesondere für Contracting-Projekte Bedeutung zu, bei denen häufig Mischungen aus fossilen und erneuerbaren Brennstoffen eingesetzt werden.
Häufig gestellte Fragen zum Wärmecontracting (FAQs)
Im Folgenden haben wir die am häufigsten gestellten Fragen für Sie zusammengestellt.
Ist Wärmecontracting zulässig, wenn das Gebäude unter Denkmalschutz steht?
Grundsätzlich ist Wärmecontracting auch bei denkmalgeschützten Gebäuden zulässig. Es gelten jedoch besondere Anforderungen an die Genehmigung, Installation und den Betrieb der Wärmeerzeugungsanlage. Im Einzelfall sollte frühzeitig der Kontakt mit der zuständigen Denkmalbehörde gesucht werden, um den Anforderungen des Denkmalschutzes gerecht zu werden.
Wie ist die Preisbildung für Wärme beim Contracting geregelt?
Es gibt keine gesetzliche Regelung zur Preisbildung beim Wärmecontracting. Die Vergütung und Preisstruktur sollten daher vertraglich zwischen den Vertragspartnern geregelt werden. In der Praxis haben sich verschiedene Modelle der Preisbildung etabliert, die sich nach dem Umfang der Leistungen, den Investitionskosten, den Energiepreisen und weiteren Faktoren richten.
Gibt es steuerliche Besonderheiten beim Wärmecontracting?
Bei Wärmecontracting-Modellen können verschiedene steuerliche Aspekte eine Rolle spielen, etwa die Frage, ob der Contractor die Umsatzsteuer auf die Wärmeleistung erheben muss oder ob die Investition in die Energiesparmaßnahmen als Betriebsausgabe absetzbar ist. Im Einzelfall sollte eine steuerrechtliche Beratung in Anspruch genommen werden.
Können bestehende Wärmeversorgungsverträge auf Contracting umgestellt werden?
Grundsätzlich ist es möglich, bestehende Wärmeversorgungsverträge auf Contracting umzustellen. Hierzu bedarf es jedoch einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung und der Zustimmung aller Vertragsparteien.
Wie kann die Qualität der Wärmeversorgung beim Contracting sichergestellt werden?
Um eine hohe Qualität der Wärmeversorgung beim Wärmecontracting zu gewährleisten, sollte im Vertrag entsprechende Vereinbarungen zu Leistungs- und Versorgungspflichten sowie Haftung getroffen werden. Eine transparente Darstellung der Leistungen und Qualitätsstandards sowie regelmäßige Kontrollen sind ebenfalls wichtig. Zudem kann es sinnvoll sein, externe Zertifizierungen oder Gütesiegel einzubeziehen.
Wärmecontracting – Ein Fazit
Wärmecontracting ist ein vielseitiges und zukunftsweisendes Modell zur Verbesserung der Energieeffizienz und zur Reduzierung von Emissionen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind jedoch komplex und bedürfen einer sorgfältigen vertraglichen Gestaltung und laufenden Anpassung an aktuelle Rechtsprechung und gesetzliche Änderungen.
Als erfahrene Anwaltskanzlei unterstützen wir Sie gerne bei der vertraglichen Gestaltung oder der Prüfung bestehender Wärmecontracting-Vereinbarungen und begleiten Sie bei rechtlichen Fragen rund um Energieversorgung und Energiesparen.
Unsere Rechtsanwälte stehen Ihnen bundesweit und im deutschsprachigen Ausland zur Verfügung.
Arthur Wilms | Rechtsanwalt | Associate
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Wolfgang Herfurtner | Rechtsanwalt | Geschäftsführer | Gesellschafter
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