In einem Gerichtsverfahren sind die Parteien verpflichtet, die Wahrheit zu sagen. Dieser Grundsatz der Wahrheitspflicht ist ein fundamentaler Bestandteil des Rechtssystems, da er die Grundlage für eine faire und gerechte Verhandlung bildet. In diesem umfassenden Blog-Beitrag werden wir die Wahrheitspflicht im Detail erörtern, einschließlich ihrer Bedeutung, rechtlichen Grundlagen, Beispiele, Gesetze und aktuelle Gerichtsurteile. Außerdem werden wir Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Thema Wahrheitspflicht geben.

Die Bedeutung der Wahrheitspflicht

Die Wahrheitspflicht ist ein fundamentales Prinzip des Rechtssystems, das darauf abzielt, die Integrität des Gerichtsverfahrens zu schützen und sicherzustellen, dass alle Parteien, einschließlich Richter, Staatsanwälte, Verteidiger und Zeugen, bei der Darstellung von Fakten und Beweisen wahrheitsgemäß sind. Diese Pflicht trägt dazu bei, dass Gerichte die Gerechtigkeit fördern und faire Verfahren gewährleisten können.

Rechtliche Grundlagen der Wahrheitspflicht

Die Wahrheitspflicht ist in verschiedenen Gesetzen und Vorschriften verankert, die ihren Umfang und ihre Anwendung regeln. Dazu gehören unter anderem:

  • Die Verfassung: Die Verfassung garantiert das Recht auf ein faires Verfahren und verpflichtet alle Parteien, wahrheitsgemäß und vollständig bei der Darstellung von Fakten und Beweisen zu sein.
  • Prozessordnungen: Die Zivilprozessordnung (ZPO) und die Strafprozessordnung (StPO) enthalten Bestimmungen, die die Wahrheitspflicht der Parteien und Zeugen im Zivil- bzw. Strafverfahren regeln.
  • Spezialgesetze: Einige Gesetze, wie zum Beispiel das Arbeitsgerichtsgesetz, enthalten besondere Regelungen zur Wahrheitspflicht, die für bestimmte Verfahren gelten.

Beispiele für die Wahrheitspflicht

Die Wahrheitspflicht findet in verschiedenen Bereichen des Rechts Anwendung, einschließlich:

  • Zivilprozesse: In einem Zivilverfahren sind die Parteien und ihre Zeugen verpflichtet, wahrheitsgemäß über die Umstände des Falles auszusagen. Dies umfasst auch die Angaben in Schriftsätzen, wie zum Beispiel Klageschriften oder Verteidigungsschriften.
  • Strafprozesse: In einem Strafverfahren müssen Angeklagte, Zeugen und Sachverständige die Wahrheit sagen, wenn sie vor Gericht aussagen. Falschaussagen können zu strafrechtlichen Sanktionen führen.
  • Arbeitsgerichtsverfahren: Bei Streitigkeiten im Arbeitsrecht, wie zum Beispiel Kündigungsschutzklagen, müssen die Parteien und Zeugen wahrheitsgemäß über die zugrunde liegenden Sachverhalte vortragen.

Gesetze zur Wahrheitspflicht

In Deutschland regeln verschiedene Gesetze und Vorschriften die Wahrheitspflicht der Parteien und Zeugen in Gerichtsverfahren, einschließlich:

  • § 138 Zivilprozessordnung (ZPO): Dieser Paragraph besagt, dass die Parteien im Zivilprozess zur Wahrheit und zur vollständigen Offenlegung der für den Rechtsstreit erheblichen Tatsachen verpflichtet sind. Sie müssen ihre Behauptungen mit Beweismitteln belegen, wenn sie bestritten werden.
  • § 153 Strafprozessordnung (StPO): In einem Strafverfahren sind Zeugen verpflichtet, wahrheitsgemäß auszusagen und ihre Kenntnisse vollständig und unverfälscht wiederzugeben.
  • § 60 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG): Im Arbeitsgerichtsverfahren sind die Parteien und ihre Zeugen zur Wahrheit verpflichtet und müssen ihre Behauptungen mit Beweismitteln belegen, wenn sie bestritten werden.

Aktuelle Gerichtsurteile zur Wahrheitspflicht

Im Folgenden sind einige aktuelle Gerichtsurteile aufgeführt, die die Wahrheitspflicht betreffen:

  • Bundesgerichtshof, Urteil vom 30.09.2020, Az. XII ZR 183/19: In diesem Fall hat der BGH klargestellt, dass die Wahrheitspflicht auch die Verpflichtung zur vollständigen und rechtzeitigen Offenlegung von Beweismitteln umfasst, um so eine unzulässige Rechtsausübung zu verhindern.
  • Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.06.2019, Az. 2 AZR 426/18: In diesem Urteil hat das BAG entschieden, dass die Wahrheitspflicht im Arbeitsgerichtsverfahren auch die Pflicht zur Aufklärung von Umständen umfasst, die für die Entscheidung des Gerichts von Bedeutung sein können, selbst wenn diese zunächst nicht im Vordergrund stehen.
  • Oberlandesgericht München, Beschluss vom 11.02.2021, Az. 32 Wx 487/20: Das OLG München hat in diesem Beschluss betont, dass die Wahrheitspflicht im Zivilprozess auch für notarielle Urkunden gilt, die als Beweismittel dienen. Eine bewusst falsche oder unvollständige Beurkundung kann zu einer Verletzung der Wahrheitspflicht führen.

FAQs zur Wahrheitspflicht

Was passiert, wenn man gegen die Wahrheitspflicht verstößt?

Ein Verstoß gegen die Wahrheitspflicht kann verschiedene rechtliche Konsequenzen haben, je nachdem, ob es sich um einen Zivil- oder Strafprozess handelt. Im Zivilprozess kann ein Verstoß gegen die Wahrheitspflicht dazu führen, dass das Gericht die betreffenden Behauptungen oder Beweismittel nicht berücksichtigt oder den Prozess sogar gegen die Partei, die gegen die Wahrheitspflicht verstoßen hat, entscheidet. Im Strafprozess kann ein Verstoß gegen die Wahrheitspflicht strafrechtliche Sanktionen nach sich ziehen, wie zum Beispiel Geld- oder Freiheitsstrafen wegen Falschaussage oder uneidlicher Falschaussage (§§ 153, 154 StGB).

Gilt die Wahrheitspflicht auch für Anwälte?

Anwälte sind ebenfalls zur Wahrheitspflicht verpflichtet, allerdings unterliegen sie auch der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht. Das bedeutet, dass sie verpflichtet sind, die Interessen ihrer Mandanten zu wahren und keine Informationen preiszugeben, die dem Mandanten schaden könnten. In bestimmten Fällen kann es daher zu einem Konflikt zwischen der Wahrheitspflicht und der Verschwiegenheitspflicht kommen. In solchen Fällen hat der Anwalt die Pflicht, sich bei der Wahrung der Interessen seines Mandanten an die Grenzen der Wahrheitspflicht zu halten.

Muss ich als Zeuge immer die Wahrheit sagen?

Als Zeuge sind Sie grundsätzlich verpflichtet, wahrheitsgemäß auszusagen und keine falschen oder irreführenden Angaben zu machen. Allerdings gibt es bestimmte Ausnahmen von der Wahrheitspflicht, die sogenannten Zeugnisverweigerungsrechte. Diese Rechte ermöglichen es Ihnen, in bestimmten Fällen die Aussage zu verweigern, um Ihre eigenen Interessen oder die Interessen nahestehender Personen zu schützen. Beispiele für Zeugnisverweigerungsrechte sind das Recht auf Zeugnisverweigerung aus beruflichen Gründen (z.B. für Ärzte, Anwälte oder Geistliche) und das Recht auf Zeugnisverweigerung aus persönlichen Gründen (z.B. für Ehepartner, Verlobte oder nahe Verwandte des Beschuldigten).

Gilt die Wahrheitspflicht auch außerhalb des Gerichtssaals, z.B. bei Verhandlungen oder Schlichtungen?

Die Wahrheitspflicht gilt grundsätzlich auch außerhalb des Gerichtssaals, zum Beispiel bei Verhandlungen, Schlichtungen oder Mediationen. In solchen Situationen sind die Parteien verpflichtet, wahrheitsgemäß über die relevanten Sachverhalte zu sprechen und keine falschen oder irreführenden Angaben zu machen. Allerdings sind die Konsequenzen eines Verstoßes gegen die Wahrheitspflicht in außergerichtlichen Verfahren in der Regel weniger schwerwiegend als im gerichtlichen Verfahren, da es hier keine strafrechtlichen Sanktionen gibt. Dennoch kann ein Verstoß gegen die Wahrheitspflicht in außergerichtlichen Verfahren dazu führen, dass eine Vereinbarung für ungültig erklärt wird oder dass eine Partei Schadensersatzansprüche geltend machen kann.

Was kann ich tun, wenn ich glaube, dass mein Gegner gegen die Wahrheitspflicht verstößt?

Wenn Sie glauben, dass Ihr Gegner im Gerichtsverfahren gegen die Wahrheitspflicht verstößt, sollten Sie dies unbedingt Ihrem Anwalt mitteilen. Ihr Anwalt kann dann die entsprechenden rechtlichen Schritte einleiten, um die Wahrheitspflicht durchzusetzen. Dazu gehört beispielsweise, dass er das Gericht auf die mögliche Verletzung der Wahrheitspflicht aufmerksam macht und entsprechende Beweisanträge stellt. In manchen Fällen kann auch eine Strafanzeige wegen Falschaussage oder uneidlicher Falschaussage in Betracht kommen. Wichtig ist, dass Sie in solchen Situationen stets die Unterstützung und den Rat eines erfahrenen Rechtsanwalts suchen.

Fazit

Die Wahrheitspflicht ist ein grundlegendes Prinzip des Rechtssystems, das dazu dient, die Integrität des Gerichtsverfahrens zu schützen und eine faire und gerechte Verhandlung sicherzustellen. Sie betrifft alle Parteien, Zeugen und Anwälte, die an einem Gerichtsverfahren beteiligt sind. Verstöße gegen die Wahrheitspflicht können zu erheblichen rechtlichen Konsequenzen führen, einschließlich strafrechtlicher Sanktionen und negativer Auswirkungen auf den Ausgang eines Verfahrens. Daher ist es wichtig, sich der Wahrheitspflicht bewusst zu sein und ihre Bedeutung in jedem Gerichtsverfahren zu erkennen. Sollten Sie rechtliche Fragen oder Bedenken zur Wahrheitspflicht haben, empfiehlt es sich, die Unterstützung und den Rat eines erfahrenen Rechtsanwalts in Anspruch zu nehmen.

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