Im Rahmen verschiedenster Vertragsverhältnisse kann es vorkommen, dass Sie von Ihrem gesetzlich geregelten Widerrufsrecht Gebrauch machen möchten. Doch wann ist das Widerrufsrecht überhaupt anwendbar, welche rechtlichen Aspekte gibt es zu beachten und wie sieht eine wirksame Widerrufserklärung aus?
In diesem Beitrag bieten wir Ihnen eine umfassende und fundierte Analyse dieser Fragen, basierend auf wissenschaftlichen Untersuchungen, aktuellen Gesetzesgrundlagen und Gerichtsurteilen, sowie praktischen Beispielen und FAQs zum Thema Widerrufsrecht. Erfahren Sie alles, um Ihre Rechte effektiv und rechtssicher wahrzunehmen.
Gesetzliche Grundlagen des Widerrufsrechts
Das Widerrufsrecht ist in Deutschland gesetzlich geregelt, maßgebliche Gesetze sind u. a.:
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
- Unterlassungsklagengesetz (UKlaG)
- Verbraucherrecht-Richtlinie (VRRL)
Der rechtliche Rahmen bietet Verbrauchern, unter bestimmten Umständen, die Möglichkeit, innerhalb eines festgelegten Zeitraums von einem geschlossenen Vertrag zurückzutreten, ohne Angabe von Gründen. Bei der Ausübung des Widerrufsrechts sind verschiedene Formalien und Fristen zu beachten, um dessen Wirksamkeit zu gewährleisten.
Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen
Das Widerrufsrecht ist vor allem in Verbraucherverträgen vorgesehen, d. h. bei Verträgen, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher abgeschlossen werden (§ 13 BGB). Hierbei ist zu unterscheiden, ob der Vertrag im Fernabsatz (z. B. Online, per Telefon oder Brief) oder außerhalb von Geschäftsräumen (z. B. bei einem Verkaufsstand oder auf einer Messe) zustande gekommen ist.
Widerrufsrecht im Fernabsatz (§§ 312g, 355 BGB)
Bei Verträgen im Fernabsatz haben Verbraucher grundsätzlich ein 14-tägiges Widerrufsrecht (§ 355 BGB). Dieses beginnt nach Erhalt einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung durch den Unternehmer und erst, wenn der Verbraucher die bestellte Ware vollständig erhalten hat (§ 356 BGB).
Widerrufsrecht bei Verträgen außerhalb von Geschäftsräumen (§§ 312b, 355 BGB)
Auch bei Verträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden, hat der Verbraucher grundsätzlich ein 14-tägiges Widerrufsrecht (§ 355 BGB). Das Widerrufsrecht beginnt hier ebenfalls nach Erhalt einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung.
Die Widerrufserklärung
Um von Ihrem Widerrufsrecht Gebrauch zu machen, müssen Sie innerhalb der Widerrufsfrist eine ausdrückliche Widerrufserklärung gegenüber dem Unternehmer abgeben. Die Widerrufserklärung muss folgende Anforderungen erfüllen:
- Die Widerrufserklärung muss in Textform erfolgen, beispielsweise per Brief, E-Mail oder Fax (§ 355 Abs. 1 BGB).
- Die Widerrufserklärung muss eindeutig formuliert sein, sodass der Unternehmer erkennen kann, dass es sich um einen Widerruf handelt.
- Die Widerrufserklärung sollte möglichst Angaben zum Vertrag und den Vertragspartnern enthalten, um eine eindeutige Zuordnung zu ermöglichen.
Es empfiehlt sich, die Widerrufserklärung eingeschrieben oder per E-Mail mit Lesebestätigung zu versenden , um einen Nachweis über die fristgerechte Absendung zu haben.
Beispiel einer Widerrufserklärung
Nachfolgend finden Sie ein Muster für eine Widerrufserklärung. Bitte beachten Sie, dass dieses Beispiel lediglich als Anhaltspunkt dient und auf die individuellen Umstände des Einzelfalls angepasst werden sollte:
Absender: Max Mustermann Musterstraße 1 12345 Musterstadt Empfänger: Musterunternehmen GmbH Musterstraße 2 23456 Musterstadt E-Mail: info@musterunternehmen.de Betreff: Widerruf des Vertrages Nr. 12345 Datum: TT.MM.JJJJ Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit widerrufe ich den von mir abgeschlossenen Vertrag über den Kauf der folgenden Waren/ die Erbringung der folgenden Dienstleistung: - Produkt/Dienstleistung: (genaue Bezeichnung) - Bestellt am: (Datum) - Erhalten am: (Datum bei Warenlieferungen) - Vertragsnummer: (falls vorhanden) - Kundennummer: (falls vorhanden) Bitte bestätigen Sie mir den Eingang dieses Schreibens und die Bearbeitung des Widerrufs. Mit freundlichen Grüßen, (Unterschrift, wenn auf Papier) Max Mustermann
Weiteres Vorgehen nach Abgabe der Widerrufserklärung
Nachdem Sie Ihre Widerrufserklärung abgegeben haben, müssen Sie die empfangene Ware innerhalb von 14 Tagen an den Unternehmer zurücksenden oder übergeben (§ 357 Abs. 2 BGB). Der Unternehmer ist verpflichtet, Ihnen den gezahlten Kaufpreis sowie die Standard-Versandkosten innerhalb von 14 Tagen nach Eingang der Widerrufserklärung zurückzuerstatten, sofern die Ware bereits zurückgegeben wurde oder ein Nachweis über die Rücksendung vorliegt (§ 346 BGB).
Bitte beachten Sie, dass Sie bei der Rücksendung der Ware in der Regel die unmittelbaren Kosten der Rücksendung tragen müssen, es sei denn, der Unternehmer hat sich bereit erklärt, diese Kosten zu übernehmen (§ 357 Abs. 3 BGB).
Aktuelle Gerichtsurteile zum Widerrufsrecht
In diesem Abschnitt möchten wir Ihnen einige aktuelle Gerichtsurteile vorstellen, die in der Praxis von besonderer Bedeutung für das Widerrufsrecht sind:
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. März 2016 (VIII ZR 146/15 – Energiesparlampen-Fall)
In diesem Urteil hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass Verbraucher bei einem Widerruf auch Waren im Wert von weniger als 40 Euro zurückgeben können, ohne die Versandkosten tragen zu müssen. Dieselbe Regelung gilt auch bei Teillieferungen, wenn der Gesamtwert der Bestellung unter 40 Euro liegt.
Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 23. Januar 2019 (C-430/17 – Schuhe-Fall)
Der Europäische Gerichtshof entschied, dass ein Online-Händler nicht verpflichtet ist, dem Verbraucher bei einem Widerruf die Kosten für den versicherten Versand der zurückgesendeten Ware zu erstatten, wenn der Verbraucher aus eigenem Entschluss eine teurere Versandart gewählt hat als die vom Online-Händler angebotene Standard-Versandart.
Urteil des Landgerichts München I vom 30. November 2016 (37 O 11673/15 – Online-Partnervermittlung)
Das Landgericht München I hat in diesem Urteil entschieden, dass bei Online-Partnervermittlungen der Wertersatz für die bereits erbrachte Dienstleistung bei einem Widerruf innerhalb der 14-tägigen Frist nicht anhand der Anzahl der Kontakte, sondern anhand der für den gesamten Vertragszeitraum geschuldeten Vergütung zu bemessen ist.
Häufige Fragen zum Widerrufsrecht und Widerrufserklärungen
FAQ 1: Gilt das Widerrufsrecht auch für Geschäftskunden oder im B2B-Bereich?
Nein, das im BGB geregelte Widerrufsrecht gilt ausdrücklich nur für Verbraucher, also Privatpersonen, die den Vertrag zu Zwecken abschließen, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können (§ 13 BGB). Im Geschäftskundenbereich oder B2B-Bereich gibt es grundsätzlich kein gesetzliches Widerrufsrecht. Vertragliche Widerrufsrechte können jedoch in Einzelfällen vereinbart werden.
FAQ 2: Kann ich das Widerrufsrecht auch telefonisch ausüben?
Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, den Widerruf auch telefonisch auszuüben, sofern der Unternehmer dies ausdrücklich zulässt. Der Gesetzgeber schreibt jedoch vor, dass der Widerruf in Textform erfolgen muss (§ 355 Abs. 1 BGB). Um sicherzustellen, dass der Widerruf auch rechtswirksam ist, sollte daher immer die Textform (z. B. per Brief, E-Mail oder Fax) gewählt werden.
FAQ 3: Wann beginnt die Widerrufsfrist, wenn ich mein Widerrufsrecht nicht in Textform erhalten habe?
Die Widerrufsfrist beginnt erst, wenn der Verbraucher die Widerrufsbelehrung in Textform erhalten hat (§ 356 Abs. 1, 2 BGB). Ist dies nicht oder fehlerhaft geschehen, so verlängert sich die Widerrufsfrist auf bis zu 12 Monate und 14 Tage (§ 356 Abs. 3 BGB). Nach Ablauf dieser Zeit ist ein Widerruf nicht mehr möglich, es sei denn, der Unternehmer hat in der Zwischenzeit eine korrekte Widerrufsbelehrung nachgereicht.
FAQ 4: Wer trägt die Kosten für die Rücksendung der Ware nach einem Widerruf?
Im Falle eines Widerrufs trägt der Verbraucher in der Regel die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Ware, es sei denn, der Unternehmer hat sich zur Übernahme dieser Kosten bereit erklärt oder die Widerrufsbelehrung ist unzureichend (§ 357 Abs. 3 BGB). In letzterem Fall kann der Verbraucher ggf. Schadensersatz vom Unternehmer verlangen, der die Kosten für die Rücksendung übernehmen muss. Die Regelung zur Kostentragung für die Rücksendung muss vom Unternehmer in der Widerrufsbelehrung klar und verständlich angegeben werden.
FAQ 5: Was passiert, wenn ich die Ware beschädige oder verschlechtere?
Falls die Ware nach Widerruf und Rücksendung beschädigt oder verschlechtert ist, kann der Unternehmer unter Umständen Wertersatz vom Verbraucher verlangen (§ 357 Abs. 7 BGB). Dies gilt allerdings nur, wenn die Beschädigung oder Verschlechterung auf einen Umgang mit der Ware zurückzuführen ist, der über die Prüfung der Eigenschaften, der Funktionsweise und der Beschaffenheit der Ware hinausgeht. Die Beweislast für einen solchen Umgang liegt bei dem Unternehmer. Um das Risiko von Wertersatzansprüchen zu minimieren, sollten Verbraucher sorgsam mit der Ware umgehen und sie nur so prüfen, wie es im Ladengeschäft üblich und zulässig wäre.
FAQ 6: Kann ich mein Widerrufsrecht bei einem Vertrag über digitale Dienstleistungen (z. B. Download von Musik, Filmen, eBooks) ausüben?
Grundsätzlich haben Verbraucher auch bei Verträgen über digitale Dienstleistungen ein Widerrufsrecht. Dieses erlischt jedoch vorzeitig, wenn der Unternehmer bereits vor Ablauf der Widerrufsfrist mit der Ausführung der Dienstleistung begonnen hat und der Verbraucher zuvor ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer vor Ablauf der Widerrufsfrist mit der Leistung beginnt (§ 356 Abs. 5 BGB). Dabei muss der Verbraucher auch darüber informiert worden sein, dass er sein Widerrufsrecht bei Zustimmung und Beginn der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist verliert.
Widerrufserklärung – ein wichtiges Hilfsmittel
Das Widerrufsrecht bietet Verbrauchern innerhalb Deutschlands eine wichtige Möglichkeit, innerhalb einer gesetzlich festgelegten Frist von einem geschlossenen Vertrag zurückzutreten. Dabei müssen sowohl Verbraucher als auch Unternehmer klare Regelungen und Fristen einhalten, um eine rechtskonforme und effektive Abwicklung des Widerrufsverfahrens zu gewährleisten. Darüber hinaus sind die jeweiligen Rechte und Pflichten auch von aktuellen Gerichtsurteilen und Gesetzesänderungen abhängig.
Die Ausübung des Widerrufsrechts sollte durch die Abgabe einer korrekten Widerrufserklärung in Textform erfolgen, um rechtliche Schwierigkeiten zu vermeiden. Sich mit den gesetzlichen Grundlagen, den Vorgaben zu möglichen Ausnahmen sowie der Rechtsprechung vertraut zu machen, ist von zentraler Bedeutung, um eine wirksame und sachgerechte Geltendmachung des Widerrufsrechtes zu gewährleisten.
Bei Unklarheiten und rechtlichen Fragestellungen empfiehlt es sich, die Beratung durch einen erfahrenen Rechtsanwalt in Anspruch zu nehmen. Dieser Blog-Beitrag dient der allgemeinen Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung im Einzelfall.
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