Ein Wiederaufnahmeantrag kann eine letzte Chance sein, ein rechtskräftiges Urteil zu korrigieren. In diesem umfassenden Artikel, verfasst von einem erfahrenen Rechtsanwalt, erhalten Sie alle Informationen, die Sie für das Verständnis, den Antrag und das Verfahren benötigen: rechtliche Grundlagen, aktuelle Gerichtsurteile, Voraussetzungen, Schritt-für-Schritt-Anleitung und häufig gestellte Fragen. Wir beginnen mit einem Überblick über die verschiedenen Situationen, in denen ein Wiederaufnahmeantrag in Betracht gezogen werden kann.

Wann kommt ein Wiederaufnahmeantrag in Betracht?

Ein Wiederaufnahmeantrag kann in verschiedenen Situationen in Betracht kommen. Hier sind einige Beispiele:

  • Neue Beweise oder Tatsachen, die in der Hauptverhandlung nicht vorlagen, wurden später bekannt und hätten zu einem anderen Urteil führen können;
  • Die Rechtsprechung hat sich seit dem rechtskräftigen Urteil grundlegend geändert;
  • Ein Verfahrensbeteiligter hat gegen Prozess- oder Verfahrensrechte verstoßen, und dies mag zu einer inkorrekten Entscheidung geführt haben;
  • Ein Verfahrensbeteiligter wurde widerrechtlich verurteilt aufgrund von Manipulationen, Verleumdungen oder sonstigen unerlaubten Einflüssen auf das Verfahren oder die Entscheidung.

Beachten Sie, dass ein Wiederaufnahmeantrag nicht dazu dient, Fehler im rechtskräftigen Urteil zu beseitigen oder das Gericht von einer bereits erörterten Rechtsauffassung zu überzeugen. Vielmehr geht es darum, neue Tatsachen, Beweise oder Verfahrensfehler ans Licht zu bringen, die bisher unbekannt bzw. unberücksichtigt waren.

Rechtliche Grundlagen für den Wiederaufnahmeantrag

Die rechtlichen Grundlagen für einen Wiederaufnahmeantrag in Deutschland sind in den §§ 359-373a der Strafprozessordnung (StPO) geregelt. Für andere Länder können ähnliche Regelungen gelten. Insbesondere gibt es in der StPO sechs spezifische Wiederaufnahmegründe:

  1. Neue Beweistatsachen (§ 359 Nr. 1 StPO);
  2. Falsche Urkunden oder Zeugenaussagen (§ 359 Nr. 2 StPO);
  3. Widerlegung von Gutachten (§ 359 Nr. 3 StPO);
  4. Manipulation von Beweisen (§ 359 Nr. 4 StPO);
  5. Verletzung von Europarecht (§ 359 Nr. 5 StPO);
  6. Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze (§ 359 Nr. 6 StPO).

Es ist entscheidend, einen der genannten Gründe nachzuweisen, um eine erfolgreiche Wiederaufnahme zu erreichen.

Aktuelle Gerichtsurteile zum Wiederaufnahmeverfahren

Um das Zusammenspiel der rechtlichen Grundlagen und der Rechtsprechung zu verdeutlichen, sind hier einige aktuelle Gerichtsurteile aufgeführt, die sich auf Wiederaufnahmeanträge beziehen:

  1. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22. Februar 2018 – 2 StR 454/17: In diesem Fall wurde die Wiederaufnahme wegen einer wesentlichen Änderung der Rechtsprechung (hier: zum Verschleierungsgebot im Rahmen der Geldwäsche) zugelassen.
  2. Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 28. November 2017 – 1 RVs 103/17: Hier stellte das Gericht fest, dass ein Verfahrensverstoß, der im Rahmen einer fehlerhaften Beweiserhebung liegt, einen Wiederaufnahmegrund darstellen kann.
  3. Landgericht München I, Beschluss vom 26. Oktober 2017 – 45 Ks 1/17: In diesem Fall wurde die Wiederaufnahme zugelassen, weil das Gericht von manipulierten Beweismitteln (gefälschten E-Mails) getäuscht worden war.

Es zeigt sich, dass die Rechtsprechung bei der Beurteilung von Wiederaufnahmeanträgen den konkreten Voraussetzungen der einzelnen Fälle Rechnung trägt und sich dabei an den gesetzlichen Regelungen orientiert.

Voraussetzungen für einen erfolgreichen Wiederaufnahmeantrag

Um einen Wiederaufnahmeantrag erfolgreich durchführen zu können, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Vorliegen eines der in § 359 StPO genannten Wiederaufnahmegründe;
  • Erheblichkeit der neuen Tatsachen bzw. Beweise für die Entscheidungsfindung: Die neuen Tatsachen bzw. Beweise müssen geeignet sein, ein anderes Ergebnis in der Hauptverhandlung herbeizuführen;
  • Rechtskraft des Urteils: Ein Wiederaufnahmeantrag kann nur bei rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren gestellt werden;
  • Antragstellung innerhalb der gesetzlichen Fristen gemäß § 362 StPO: Hier ist zu beachten, dass unterschiedliche Fristen für verschiedene Wiederaufnahmegründe gelten;
  • Formgerechter Antrag: Der Antrag muss schriftlich gestellt und nach Möglichkeit von einem Rechtsanwalt verfasst werden.

Wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, kann der Wiederaufnahmeantrag bei Gericht eingereicht werden.

Schritt-für-Schritt-Anleitung zum Wiederaufnahmeantrag

Nachfolgend finden Sie eine detaillierte Schritt-für-Schritt-Anleitung zum erfolgreichen Einreichen eines Wiederaufnahmeantrags:

  1. Prüfen Sie, ob ein Wiederaufnahmegrund gemäß § 359 StPO vorliegt und ob die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Wiederaufnahme erfüllt sind.
  2. Suchen Sie anwaltlichen Rat: Ein erfahrener Rechtsanwalt kann Ihnen helfen, alle relevanten Aspekte des Wiederaufnahmeverfahrens zu berücksichtigen und Ihnen bei der Erstellung eines erfolgreichen Antrags zur Seite zu stehen.
  3. Die Dokumentation in Zusammenarbeit mit Ihrem Anwalt vervollständigen: Sammeln und sichern Sie alle relevanten Beweise, die Ihren Wiederaufnahmeantrag unterstützen.
  4. Überprüfen Sie die Einreichungsfristen gemäß § 362 StPO und stellen Sie sicher, dass Ihr Antrag rechtzeitig eingereicht wird.
  5. Ihr Anwalt wird den Wiederaufnahmeantrag formgerecht und schriftlich bei dem zuständigen Gericht einreichen.
  6. Nun liegt die Entscheidung beim Gericht, ob das Wiederaufnahmeverfahren zugelassen wird oder nicht. Während dieser Zeit sollten Sie in engem Kontakt mit Ihrem Anwalt bleiben, um über den Verlauf des Antrags informiert zu werden und auf eventuelle Anforderungen des Gerichts schnell reagieren zu können.
  7. Falls das Gericht dem Wiederaufnahmeantrag stattgibt, wird das Verfahren wieder aufgenommen und eine neue Hauptverhandlung durchgeführt. In dieser neuen Verhandlung werden nun die neuen Beweise und Argumente berücksichtigt, um zu einer erneuten (möglicherweise anderen) Entscheidung zu kommen. Falls das Gericht den Antrag ablehnt, könnte eine Beschwerde oder weitere rechtliche Schritte in Betracht gezogen werden – hierzu sollten Sie sich erneut mit Ihrem Anwalt beraten.

Durch die Einhaltung dieser Schritte können Sie sicherstellen, dass Sie die bestmögliche Chance haben, Ihren Wiederaufnahmeantrag erfolgreich zu gestalten.

Häufig gestellte Fragen zum Wiederaufnahmeantrag

In diesem Abschnitt beantworten wir einige häufig gestellte Fragen zum Wiederaufnahmeantrag:

Wie lange nimmt das Wiederaufnahmeverfahren in Anspruch?

Die Dauer eines Wiederaufnahmeverfahrens kann stark variieren, abhängig von Faktoren wie der Komplexität des Falles, der Arbeitsbelastung des Gerichts und der Kooperationsbereitschaft der beteiligten Parteien. Einige Verfahren können innerhalb weniger Monate abgeschlossen sein, während andere sich über Jahre hinziehen können.

Welche Kosten entstehen bei einem Wiederaufnahmeantrag?

Die Kosten für einen Wiederaufnahmeantrag können ebenfalls stark variieren, abhängig von Faktoren wie Anwaltsgebühren, Gerichtskosten, Sachverständigengebühren und anderen Auslagen. Die genauen Kosten sollten im Einzelfall mit Ihrem Anwalt besprochen werden. In einigen Fällen besteht möglicherweise Anspruch auf Prozesskostenhilfe oder Rechtsschutzversicherungsschutz.

Was passiert, wenn der Wiederaufnahmeantrag abgelehnt wird?

Wenn das Gericht den Wiederaufnahmeantrag ablehnt, bleibt das ursprüngliche Urteil rechtskräftig. In einigen Fällen kann jedoch eine Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags eingelegt oder weitere rechtliche Schritte unternommen werden. Hierzu sollten Sie sich erneut mit Ihrem Anwalt beraten.

Kann ein Verurteilter im Ausland einen Wiederaufnahmeantrag stellen?

Ja, auch ein Verurteilter, der sich im Ausland aufhält, kann einen Wiederaufnahmeantrag in Deutschland stellen. Hierbei sollte jedoch beachtet werden, dass möglicherweise spezielle Anforderungen bezüglich der Kommunikation und Zusammenarbeit mit dem deutschen Gericht zu erfüllen sind. In diesem Fall ist es besonders wichtig, einen erfahrenen Anwalt zu Rate zu ziehen, der mit grenzüberschreitenden Rechtsfragen vertraut ist.

Fazit

Der Wiederaufnahmeantrag kann eine letzte Möglichkeit bieten, ein rechtskräftiges Urteil zu korrigieren und Gerechtigkeit zu erreichen. In diesem umfangreichen Artikel haben wir Ihnen die rechtlichen Grundlagen, aktuelle Gerichtsurteile, Voraussetzungen, eine Schritt-für-Schritt-Anleitung und Antworten auf häufig gestellte Fragen präsentiert. Obwohl das Wiederaufnahmeverfahren komplex und herausfordernd sein kann, kann es unter bestimmten Umständen der Schlüssel zu einer erfolgreichen Wiederherstellung Ihrer Rechte und Freiheiten sein. Bei der Verfolgung eines Wiederaufnahmeantrags ist die Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Rechtsanwalt von größter Bedeutung, um die bestmögliche Chance auf Erfolg zu gewährleisten.

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Wolfgang Herfurtner | Rechtsanwalt | Geschäftsführer | Gesellschafter

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