Wenn es um Behandlungsfehler geht, sind Zahnärzte und deren Haftung ein wichtiges Thema. In diesem umfassenden Artikel erfahren Sie alles, was Sie über das Thema Zahnarzthaftung wissen müssen, insbesondere Ihre Rechte als Patient, die aktuellen Gesetze, Gerichtsurteile und häufig gestellte Fragen. Dieser Artikel richtet sich an alle, die ihre Rechte als Patient bei zahnärztlichen Behandlungsfehlern wissen möchten.

Inhalt

  • Einführung in die Zahnarzthaftung
  • Patientenrechte
  • Behandlungsvertrag zwischen Zahnarzt und Patient
  • Aufklärungs- und Dokumentationspflicht
  • Haftung des Zahnarztes
  • Beweislast im Haftungsprozess
  • Verjährung von Ansprüchen und Fristen
  • Urteile und aktuelle Rechtsprechung
  • FAQs und abschließende Ratschläge

Einführung in die Zahnarzthaftung

Die Zahnarzthaftung ist im Grunde genommen die rechtliche Verantwortung des Zahnarztes für Schäden, die bei einer zahnärztlichen Behandlung entstanden sind. Sie ist ein Teilbereich des Medizinrechts und basiert auf den Grundsätzen des allgemeinen Haftungsrechts. Darüber hinaus gibt es auch spezielle gesetzliche Regelungen, die die Haftung von Zahnärzten betreffen.

Das System der Zahnarzthaftung hat zwei Hauptziele:

  1. Schutz der Patientenrechte: Patienten sollen die Möglichkeit haben, ihre Rechte im Falle eines zahnärztlichen Behandlungsfehlers geltend zu machen und gegebenenfalls angemessenen Schadensersatz zu erhalten.
  2. Qualitätssicherung: Durch die Haftung werden Zahnärzte angehalten, sorgfältig zu arbeiten und sich stets an die aktuellen medizinischen Standards und Richtlinien zu halten, um Behandlungsfehler zu vermeiden.

Patientenrechte

Als Patient haben Sie das Recht auf eine sorgfältige und qualitativ hochwertige Behandlung. Dazu gehört auch, dass der Zahnarzt Sie umfassend aufklärt und Ihnen alle relevanten Informationen zur Verfügung stellt. Außerdem haben Sie Anspruch auf den Schutz Ihrer persönlichen Daten und auf den Zugang zu Ihrer Patientenakte.

Neben diesen allgemeinen Patientenrechten gibt es auch spezielle Rechte im Falle eines zahnärztlichen Behandlungsfehlers:

  • Recht auf Schadensersatz: Wenn Sie durch einen Behandlungsfehler einen Schaden erlitten haben, haben Sie das Recht, vom Zahnarzt Schadensersatz zu verlangen. Dies kann beispielsweise auch eine angemessene finanzielle Entschädigung für körperliche und seelische Schmerzen umfassen.
  • Recht auf Zusatzbehandlung: Wenn der Behandlungsfehler therapierbar ist, steht es Ihnen zu, eine kostenfreie Zusatzbehandlung durch den Zahnarzt oder einen anderen Zahnarzt zu verlangen.
  • Recht auf Herausgabe der Patientenakte: Sie können vom Zahnarzt jederzeit die Herausgabe Ihrer vollständigen Patientenakte verlangen, um prüfen zu können, ob ein Behandlungsfehler vorliegt und welche Auswirkungsgrades er hat.

Behandlungsvertrag zwischen Zahnarzt und Patient

Das Verhältnis zwischen Zahnarzt und Patient ist durch einen sogenannten Behandlungsvertrag begründet. Dabei handelt es sich um einen Dienstvertrag im Sinne des § 611 BGB.

Der Abschluss des Behandlungsvertrages erfolgt grundsätzlich konkludent, das heißt durch schlüssiges Verhalten, wie etwa durch das Erscheinen des Patienten in der Praxis des Zahnarztes oder durch die Vereinbarung eines Untersuchungstermins. Der Vertrag kann jedoch auch ausdrücklich durch eine schriftliche Vereinbarung abgeschlossen werden.

Bei einem Behandlungsvertrag stehen zwei Hauptpflichten im Vordergrund:

  • Zahnärztliche Sorgfaltspflicht: Der Zahnarzt ist verpflichtet, die Behandlung nach den aktuell geltenden medizinischen Standards und Sorgfaltspflichten durchzuführen. Dazu gehört auch die Anwendung der richtigen zahnmedizinischen Techniken und Instrumente und die ständige Fortbildung des Zahnarztes.
  • Aufklärungspflicht: Der Zahnarzt hat die Pflicht, den Patienten umfassend und verständlich über die vorgesehene Behandlung aufzuklären. Dies beinhaltet Informationen über mögliche Risiken, Nebenwirkungen und Alternativen. Darüber hinaus muss der Zahnarzt sicherstellen, dass er das informierte Einverständnis des Patienten zur Durchführung der Behandlung erhalten hat.

Im Falle eines Behandlungsfehlers hat der Verstoß gegen eine dieser Pflichten haftungsrechtliche Konsequenzen für den Zahnarzt.

Aufklärungs- und Dokumentationspflicht

Die Aufklärungspflicht des Zahnarztes ist ein wesentlicher Bestandteil der zahnärztlichen Sorgfaltspflicht und setzt voraus, dass der Zahnarzt den Patienten umfassend und verständlich über die geplante Behandlung informiert. Dabei gilt der Grundsatz, dass der Umfang der Aufklärungspflicht von der Art der Behandlung und den individuellen Umständen des Patienten abhängt.

Die Aufklärungspflicht erstreckt sich insbesondere auf folgende Aspekte:

  • Zweck und Art der Behandlung: Der Patient muss erfahren, welche zahnärztlichen Maßnahmen durchgeführt werden sollen und welches Ziel damit verfolgt wird. Hierzu gehört auch die Darlegung der Behandlungsschritte und der voraussichtlichen Dauer der Therapie.
  • Risiken, Nebenwirkungen und mögliche Komplikationen: Der Patient ist über mögliche Risiken, Nebenwirkungen und Komplikationen aufzuklären, die im Zusammenhang mit der geplanten Behandlung stehen. Dabei muss der Zahnarzt den Aufklärungsumfang an die individuellen Gegebenheiten des Patienten anpassen.
  • Alternative Behandlungsmethoden: Der Patient hat das Recht zu erfahren, ob es alternative Behandlungsmethoden gibt, die möglicherweise weniger Risiken bergen oder aus anderen Gründen für ihn besser geeignet sein könnten.
  • Kosten und Kostenträger: Der Zahnarzt muss den Patienten im Vorfeld einer Behandlung über die voraussichtlichen Kosten informieren, insbesondere wenn der Patient die Leistung selbst bezahlen muss oder es sich um eine nicht von der Krankenversicherung gedeckte Privatleistung handelt.

Die Dokumentationspflicht verlangt vom Zahnarzt, dass er eine zutreffende, vollständige und fortlaufende Dokumentation über die Behandlung erstellt. Dies dient der Sicherstellung einer lückenlosen Behandlung des Patienten und ermöglicht ihm die effektive Durchsetzung seiner Rechte im Falle eines Behandlungsfehlers. Die Dokumentationspflicht umfasst die Aufzeichnung aller zahnärztlichen Maßnahmen, Diagnosen, Befunde und Behandlungserfolge.

Haftung des Zahnarztes

Ein Behandlungsfehler im Sinne der Zahnarzthaftung liegt vor, wenn der Zahnarzt gegen seine zahnärztlichen Sorgfaltspflichten verstoßen hat und der Patient dadurch einen Schaden erlitten hat. Ein Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten kann beispielsweise ein falscher Befund, eine fehlerhafte Behandlung oder eine unzureichende Aufklärung sein.

Im Falle eines Behandlungsfehlers haftet der Zahnarzt grundsätzlich nach den allgemeinen Grundsätzen der Haftung für Schadensersatz, die in den §§ 823 ff. BGB geregelt sind. Hierbei kommt es auf Verschulden des Zahnarztes – also Vorsatz oder Fahrlässigkeit – an. In bestimmten Fällen kann der Zahnarzt auch dann haften, wenn er kein Verschulden trifft, etwa wenn er gesetzliche Sicherungspflichten verletzt hat (§ 823 Abs. 2 BGB) oder wenn er eine Garantie übernommen hat.

Bei der Beurteilung der Haftung des Zahnarztes spielen die Grundsätze der ärztlichen Kunstfehler oder groben Behandlungsfehler eine wichtige Rolle:

  • Ärztlicher Kunstfehler: Ein ärztlicher Kunstfehler liegt vor, wenn der Zahnarzt bei der Untersuchung, Diagnose oder Therapie gegen die allgemein anerkannten fachlichen Regeln verstößt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Zahnarzt nicht den aktuellen medizinischen Standards entsprechend handelt oder offensichtliche Anhaltspunkte für eine Erkrankung übersieht.
  • Grober Behandlungsfehler: Ein grober Behandlungsfehler geht über einen einfachen Kunstfehler hinaus und liegt vor, wenn der Zahnarzt objektiv eindeutig gegen grundlegende zahnmedizinische Regeln verstößt und diese Verstöße auch von einem Fachmann nicht nachvollziehbar begründet werden können. Grobe Behandlungsfehler können etwa durch grob fahrlässiges Handeln, offensichtliche Missachtung von Hygienemaßnahmen oder das Ignorieren von Warnsignalen entstehen.

Im Falle einer Haftung des Zahnarztes können dem Patienten unterschiedliche Schadensersatzansprüche zustehen:

  • Materieller Schadensersatz: Der Patient kann Ersatz der materiellen Schäden verlangen, die durch den Behandlungsfehler entstanden sind. Dies können beispielsweise Kosten für erforderliche Zusatzbehandlungen oder sonstige finanzielle Aufwendungen sein.
  • Schmerzensgeld: Für die immateriellen Schäden, die durch einen Behandlungsfehler verursacht wurden, kann der Patient Schmerzensgeld verlangen. Beispielsweise können körperliche oder seelische Schmerzen oder bleibende Schäden, die den Patienten beeinträchtigen, Schmerzensgeld rechtfertigen.

Beweislast im Haftungsprozess

Im Haftungsprozess wegen eines zahnärztlichen Behandlungsfehlers trägt grundsätzlich der Patient die Beweislast. Das bedeutet, dass der Patient darlegen und beweisen muss, dass ein Behandlungsfehler vorliegt, ein Schaden entstanden ist und dass dieser Schaden auf den Behandlungsfehler zurückzuführen ist.

In der Praxis kann die Beweislast ein erhebliches Problem für den Patienten darstellen, da es häufig schwierig ist, die genauen Kausalverläufe und Umstände eines Behandlungsfehlers darzulegen. Hier kommen verschiedene Beweiserleichterungen ins Spiel, die dem Patienten helfen können, seine Ansprüche durchzusetzen:

  • Beweis des ersten Anscheins: Ein Beweis des ersten Anscheins liegt vor, wenn nach allgemeiner Lebenserfahrung nachgewiesen sein kann, dass ein bestimmter Sachverhalt auf einem Behandlungsfehler beruht. In solchen Fällen kann der Patient seinen Anspruch auf Schadensersatz allein durch den Nachweis des Ergebnisses begründen, während der Zahnarzt die Gelegenheit hat, den Gegenbeweis zu führen.
  • Leichter Nachweis bei groben Behandlungsfehlern: Wird dem Zahnarzt ein grober Behandlungsfehler vorgeworfen, genügt es im Regelfall, wenn der Patient lediglich beweisen kann, dass ein solcher Fehler vorlag. Die Verbindung zwischen dem Fehler und dem Schaden wird dann vermutet, sodass der Zahnarzt wiederum den Gegenbeweis führen muss. Dies beruht auf der sogenannten Umkehr der Beweislast.

Zur Beweisführung im Haftungsprozess können Zeugen, Sachverständigengutachten oder ärztliche Atteste herangezogen werden. Insbesondere die Patientenakte und die zahnärztlichen Unterlagen spielen eine zentrale Rolle bei der Beweisführung.

Verjährung von Ansprüchen und Fristen

Die Ansprüche des Patienten auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen eines Behandlungsfehlers unterliegen der gesetzlichen Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB. Die Verjährungsfrist beträgt grundsätzlich drei Jahre, gerechnet ab dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Patient von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (§ 199 BGB).

Die Verjährung kann jedoch in bestimmten Fällen gehemmt werden, beispielsweise wenn die Parteien in Verhandlungen über den Anspruch stehen (§ 203 BGB) oder wenn der Patient gerichtliche oder außergerichtliche Schritte zur Durchsetzung seiner Ansprüche unternommen hat (§ 204 BGB).

Ein weiterer wichtiger Aspekt im Zusammenhang mit der Verjährung von Ansprüchen sind die Fristen zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die zahnärztliche Haftpflichtversicherung des Zahnarztes. Die Patienten sind verpflichtet, ihre Ansprüche binnen einer angemessenen Frist bei der Versicherung des Zahnarztes anzumelden und den Versicherungsschutz somit zu aktivieren.

Urteile und aktuelle Rechtsprechung

Im Folgenden werden einige aktuelle und wegweisende Urteile im Bereich der Zahnarzthaftung vorgestellt, die eine gute Übersicht über die relevanten Fragestellungen und Entscheidungen in der Praxis geben:

  • Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 21.02.2017, Az. VI ZR 75/16: Der BGH hat entschieden, dass ein Zahnarzt aufgrund eines Behandlungsfehlers Schadensersatz und Schmerzensgeld zahlen muss, wenn er eine überzogene Beschleifung von natürlichen Zähnen vornimmt, die über das erforderliche Maß hinaus geht.
  • Oberlandesgericht (OLG) Hamm, Urteil vom 23.11.2016, Az. 26 U 88/15: Das OLG Hamm hat entschieden, dass ein Zahnarzt zur Zahlung von Schmerzensgeld verpflichtet ist, wenn er gegen seine Sorgfaltspflichten verstößt, indem er eine falsche Zahnkrone einsetzt, die dem Patienten erhebliche Schmerzen und Beschwerden verursacht.
  • BGH, Urteil vom 15.11.2011, Az. VI ZR 70/10: Der BGH hat klargestellt, dass bei einer fehlerhaften zahnärztlichen Aufklärung auch dann ein Schadensersatzanspruch besteht, wenn die Behandlung an sich nicht fehlerhaft war. In diesem Fall hatte der Zahnarzt eine wurzelbehandelte Zahnkrone eingesetzt, ohne den Patienten über mögliche Alternative wie einen Implantat aufzuklären.

FAQs und abschließende Ratschläge

Nachdem wir das Thema Zahnarzthaftung eingehend behandelt haben, möchten wir abschließend noch einige häufig gestellte Fragen beantworten und Ihnen einige praktische Ratschläge geben, um Ihnen im Falle eines zahnärztlichen Behandlungsfehlers weiterzuhelfen:

Wie finde ich heraus, ob ein Behandlungsfehler vorliegt?

Wenn Sie den Verdacht haben, dass ein Behandlungsfehler vorliegt, sollten Sie zunächst Ihr Anliegen mit Ihrem behandelnden Zahnarzt besprechen. Fordern Sie zudem Einsicht und Kopien Ihrer Patientenakte an. Gegebenenfalls kann eine zweite Meinung eines anderen Zahnarztes oder ein Gutachten der zuständigen Zahnärztekammer helfen, den Sachverhalt aufzuklären.

Was sollte ich tun, wenn ich einen Behandlungsfehler vermute?

Wenn Sie einen Behandlungsfehler vermuten, sollten Sie schnellstmöglich rechtlichen Rat einholen, z.B. durch einen spezialisierten Anwalt für Medizinrecht. Dieser kann Ihnen bei der Analyse des Sachverhalts unterstützen und Ihnen die weiteren Schritte aufzeigen.

Was sind die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Haftungsprozess?

Für einen erfolgreichen Haftungsprozess sollten Sie in der Lage sein, den Behandlungsfehler, den entstandenen Schaden und den Zusammenhang zwischen beiden nachzuweisen. In diesem Zusammenhang ist es entscheidend, medizinische und juristische Unterstützung, wie z.B. von Experten oder Fachanwälten, in Anspruch zu nehmen.

Abschließend ist es wichtig zu betonen, dass Ihre Rechte als Patient und der Schutz vor zahnärztlichen Behandlungsfehlern ein wichtiges Anliegen sind und es wichtig ist, informiert und wachsam zu bleiben. Im Falle von Unsicherheiten oder vermuteten Fehlern sollten Sie sich nicht scheuen, rechtliche Schritte einzuleiten, um Ihre Ansprüche auf Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld geltend zu machen und eine angemessene Lösung für Ihre Situation zu finden. Die Kenntnis der aktuellen Gesetze, Gerichtsurteile und Ihrer speziellen Patientenrechte geben Ihnen die Grundlage dafür, Ihre Interessen wirksam zu vertreten. Bleiben Sie informiert und zögern Sie nicht, bei Bedarf die Hilfe von Fachleuten in Anspruch zu nehmen, um Ihre Ansprüche im Bereich der Zahnarzthaftung erfolgreich durchzusetzen.

Unsere Rechtsanwälte stehen Ihnen bundesweit und im deutschsprachigen Ausland zur Verfügung.

Rechtsanwalt Arthur Wilms - Kanzlei Herfurtner

Arthur Wilms | Rechtsanwalt | Associate

Philipp Franz Rechtsanwalt

Philipp Franz | Rechtsanwalt | Associate

Anwalt Wolfgang Herfurtner Hamburg - Wirtschaftsrecht

Wolfgang Herfurtner | Rechtsanwalt | Geschäftsführer | Gesellschafter

Kundenbewertungen & Erfahrungen zu Herfurtner Rechtsanwälte. Mehr Infos anzeigen.

Aktuelle Beiträge aus dem Rechtsgebiet Zivilrecht