Es gibt viele Situationen im Zivilprozess, in denen sich Parteien in einem komplexen rechtlichen Gefecht wiederfinden und schwierige strategische Entscheidungen treffen müssen, um ihre Interessen bestmöglich zu vertreten. Eine solche Entscheidung kann die Stellung eines Hilfsantrags sein. Dieser Beitrag befasst sich detailliert mit dem Thema Hilfsanträge im Zivilprozess und bietet Ihnen als Rechtsanwalt umfassende Informationen über die rechtlichen Grundlagen, Voraussetzungen, Anfechtungsmöglichkeiten und aktuelle Gerichtsurteile auf diesem Gebiet.

Was sind Hilfsanträge und warum sind sie wichtig?

Hilfsanträge sind rechtliche Instrumente, die im Zivilprozess verwendet werden, um alternative Ansprüche oder Verteidigungen geltend zu machen, wenn der Hauptanspruch oder die Hauptverteidigung abgelehnt wird. In der Zivilprozessordnung (ZPO) ist die Stellung von Hilfsanträgen nicht ausdrücklich geregelt. Allerdings hat sich die Praxis der Hilfsanträge in der Rechtsprechung entwickelt und ist mittlerweile ein anerkanntes probates Mittel im Prozess.

Die wichtigsten Gründe, warum Hilfsanträge gestellt werden, sind:

  • Prozesswirtschaftlichkeit: Sie ermöglichen es, mehrere Ansprüche oder Verteidigungen mit unterschiedlichen Erfolgschancen in einem einzigen Prozess zu verhandeln, sodass im Falle einer Niederlage im Hauptverfahren nicht für jeden weiteren Anspruch ein neuer Prozess geführt werden muss.
  • Flexibilität: Wenn sich im Laufe des Prozesses herausstellt, dass der Hauptanspruch oder die Hauptverteidigung weniger erfolgversprechend ist, kann eine Partei einen alternativen Hilfsanspruch geltend machen und so den Fall noch in ihrem Sinne entscheiden.

Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Hilfsanträgen

Hilfsanträge sind grundsätzlich zulässig, sofern sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen:

  • Sachdienlichkeit (§ 308 ZPO): Ein Hilfsantrag muss sachdienlich sein, um zugelassen zu werden. Das bedeutet, dass er geeignet sein muss, zur endgültigen Klärung der Streitigkeit beizutragen und nicht lediglich unangemessen oder missbräuchlich ist.
  • Rechtshängigkeit (§ 261 ZPO): Der Hilfsantrag darf nicht bereits in einem anderen Verfahren rechtshängig sein, sonst droht die Unzulässigkeit wegen anderweitiger Rechtshängigkeit (§ 261 ZPO).
  • Prozessuale Bindungswirkung (§ 322 ZPO): Ein Hilfsantrag darf nicht dazu führen, dass eine rechtskräftige Entscheidung in demselben Prozess unanwendbar oder wirkungslos wird. In diesem Fall wäre der Hilfsantrag ebenfalls unzulässig.

Anfechtungsmöglichkeiten von Hilfsanträgen

Obwohl Hilfsanträge in der Regel zulässig sind, gibt es auch Situationen, in denen sie angefochten werden können. Hierbei ist insbesondere auf die folgenden Aspekte zu achten:

  • Materielle Zulässigkeitsvoraussetzungen: Besteht etwa bei den Voraussetzungen Sache, Rechtsgrund oder Rechtsverhältnis ein Unterschied zwischen Haupt- und Hilfsantrag (bspw. andere Vertragspartei), so hat der Hilfsantrag keine eigenen materiell-rechtlichen Voraussetzungen. In einem solchen Fall kann der Hilfsantrag angefochten werden.
  • Förmliche Unzulässigkeit: Verstößt ein Hilfsantrag gegen formelle prozessuale Vorschriften, etwa gegen die Vorschriften zur Klarheit und Bestimmtheit der Anträge (§ 253 ZPO), kann dies ebenfalls zu einer Anfechtung führen.
  • Mangelnde Besteuerung: Wurde ein Hilfsantrag im Urteil nicht beachtet oder wegen eines Fehlers des Gerichts als erledigt oder unerheblich angesehen, kann dies ebenfalls Grundlage für eine Anfechtung sein.

Aktuelle Gerichtsurteile zur Thematik

Die Rechtsprechung entwickelt sich stetig weiter und führt regelmäßig auch zu interessanten Entscheidungen zur Thematik der Hilfsanträge. Nachfolgend sind einige aktuelle und bahnbrechende Urteile zusammengefasst:

BGH, Urteil vom 12.10.2017 – III ZR 84/16

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Streitwert eines Hilfsantrags auch dann zu berücksichtigen ist, wenn der Hauptantrag zurückgenommen wird, solange die Entscheidung über den zurückgenommenen Hauptantrag nicht lediglich pro-forma getroffen wurde. Der BGH stellte damit klar, dass die Berücksichtigung des Hilfsantrages der Billigkeit entspricht und prozesswirtschaftlich sinnvoll ist.

BGH, Urteil vom 05.11.2015 – VII ZR 29/14

In diesem Urteil stellte der BGH fest, dass ein Hilfsantrag unzulässig sein kann, wenn dieser auf eine andere Anspruchsgrundlage gestützt wird als der Hauptantrag, obwohl die diesbezügliche Tatsachenbehauptung bestritten war und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Bestreiten rechtsmissbräuchlich oder unredlich war. Der BGH betonte, dass das Stellen eines derartigen Hilfsantrags die Anforderungen an die Bestimmtheit der Klagebegehren untergraben würde und somit unzulässig ist.

BGH, Urteil vom 22.06.2006 – VII ZR 173/05

Der BGH entschied in diesem Verfahren, dass Hilfsanträge auch dann zulässig sind, wenn sie auf einen vertraglichen Anspruch gestützt werden und als Hauptanspruch ein deliktischer Anspruch geltend gemacht wird. Der BGH stützte seine Entscheidung auf die Überlegung, dass Haupt- und Hilfsantrag in derartigen Fällen verschiedene Rechtsverhältnisse betreffen und somit keine Gründe gegen die Zulässigkeit eines derartigen Hilfsantrags sprechen.

Häufig gestellte Fragen (FAQs) zum Thema Hilfsanträge

Sind Hilfsanträge nur im Zivilprozess zulässig?

Nein, Hilfsanträge sind nicht nur im Zivilprozess zulässig. Sie können auch in anderen gerichtlichen Verfahren wie dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren, dem sozialgerichtlichen Verfahren oder dem arbeitsgerichtlichen Verfahren eine Rolle spielen. Die rechtlichen Voraussetzungen für Hilfsanträge können jedoch je nach Verfahrensordnung variieren.

Wie kann ich einen Hilfsantrag formulieren, damit er zulässig ist?

Um einen zulässigen Hilfsantrag zu formulieren, sollten Sie zunächst sicherstellen, dass er sachdienlich ist und keine rechtliche Bindungswirkung enthält. Darüber hinaus sollte der Hilfsantrag klar und bestimmt sein, das heißt, er sollte genau beschreiben, welche alternative Rechtsposition geltend gemacht wird. Schließlich sollten Sie sicherstellen, dass der Hilfsantrag im richtigen Stadium des Verfahrens gestellt wird – je nach Verfahrensordnung können besondere Formerfordernisse zu beachten sein.

Muss ich als Kläger zwingend einen Hilfsantrag stellen, um mein Recht zu wahren?

Nein, grundsätzlich besteht keine Verpflichtung, einen Hilfsantrag zu stellen. Allerdings kann es in bestimmten Situationen ratsam sein, einen Hilfsantrag zu stellen, um die bestmögliche Vertretung Ihrer Interessen zu gewährleisten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es Unsicherheiten bezüglich der Erfolgsaussichten Ihres Hauptanspruchs gibt oder wenn die Rechtslage unklar ist und unterschiedliche Ansprüche in Betracht kommen.

Was passiert, wenn mein Hauptanspruch erfolgreich ist, aber der Hilfsantrag abgelehnt wird?

Ein erfolgreicher Hauptanspruch führt grundsätzlich dazu, dass der Hilfsantrag gar nicht mehr geprüft wird, weil die Streitige bereits durch den Hauptanspruch endgültig entschieden ist. Daher hat die Ablehnung des Hilfsantrags in diesem Fall keine Auswirkung auf den Prozessausgang und Ihr Hauptziel sollte erreicht sein.

Sollte ich als Beklagter eigene Hilfsanträge stellen, um mich bestmöglich zu verteidigen?

Als Beklagter können Sie Hilfsanträge, sogenannte weitere Hilfsanträge, stellen, um alternative Verteidigungsstrategien gegen die Ansprüche des Klägers zu präsentieren. Dabei können Sie beispielsweise die Unzulässigkeit des Hauptantrags, die fehlende Begründetheit des Hauptantrags oder die Verjährung des geltend gemachten Anspruchs geltend machen. Allerdings sollten Sie stets prüfen, ob die Stellung eines Hilfsantrags in Ihrem konkreten Fall tatsächlich angebracht ist und ob dies den Prozessaufwand und die Kosten rechtfertigt.

Fazit

Hilfsanträge im Zivilprozess sind ein wesentliches und wirkungsvolles Instrument, um Ihre Interessen bestmöglich zu vertreten und gleichzeitig prozesswirtschaftlich zu agieren. Sie bieten die Möglichkeit, alternative Ansprüche oder Verteidigungen in einem einzigen Verfahren geltend zu machen, ohne für jeden weiteren Anspruch einen neuen Prozess führen zu müssen. Allerdings ist es wichtig, die rechtlichen Grundlagen, Voraussetzungen, Anfechtungsmöglichkeiten und aktuelle Gerichtsurteile zur Thematik genau zu kennen, um sicherzustellen, dass Ihre Hilfsanträge erfolgreich gestaltet und eingebracht werden können. Wenden Sie sich an einen erfahrenen Rechtsanwalt, wenn Sie Unterstützung bei der Formulierung oder Anfechtung von Hilfsanträgen benötigen.

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Wolfgang Herfurtner | Rechtsanwalt | Geschäftsführer | Gesellschafter

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