Im deutschen Recht gibt es das Prinzip des Zustandsstörers. Dabei handelt es sich um eine Person, auf deren Grundstück eine Störung in Form einer Sache oder einer Maßnahme ausgeht. Die Störung muss nicht unbedingt von der Person selbst verschuldet oder verursacht worden sein; sie kann auch von anderen Personen oder Umwelteinflüssen herrühren. Trotzdem trifft den Zustandsstörer eine rechtliche Verantwortung, die Störung zu beseitigen oder für die Folgen aufzukommen. Der folgende Artikel beleuchtet die rechtlichen Aspekte des Zustandsstörerprinzips und zeigt auf, wie Betroffene damit umgehen oder sich davor schützen können.

Gesetzliche Grundlagen des Zustandsstörerprinzips

Grundlage für das Zustandsstörerprinzip ist neben dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht, insbesondere § 1004 BGB. Dieser regelt die Beseitigung von Einwirkungen auf das Eigentum eines anderen, die immaterieller Natur sind. Darüber hinaus finden sich Regelungen im Umweltrecht, etwa im Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) oder im Nachbarrecht der Bundesländer.

  • § 1004 BGB: Beseitigungsanspruch bei Störungen des Eigentums
  • §§ 22, 23 BImSchG: Rechte und Pflichten von Zustandsstörern bei Immissionen
  • Nachbarrecht der Bundesländer: Regelungen zu Störungen zwischen Nachbarn

Prinzipien und Beispiele für Zustandsstörungen

Keine Verschuldensfrage

Eines der zentralen Merkmale des Zustandsstörerprinzips ist, dass es sich dabei nicht um eine Verschuldensfrage handelt. Das bedeutet, dass der Zustandsstörer auch dann haftet, wenn er die Störung nicht verursacht hat oder ihm kein Verschulden zur Last gelegt werden kann. Zustandsstörer ist immer derjenige, auf dessen Grundstück die störende Sache oder der störende Zustand vorliegt.

Beispiel 1: Baum öffentlich zugängig

Herr Meyer hat auf seinem Grundstück einen Baum stehen, der in den letzten Tagen von einem Unbekannten beschädigt wurde. Der Baum droht nun, auf das Nachbargrundstück zu stürzen, und könnte dort eine Garage beschädigen. Herr Meyer hat den Schaden nicht verursacht, ist aber dennoch in der Pflicht, den Baum zu entfernen oder zu sichern, um die drohende Störung auf das Nachbargrundstück abzuwenden.

Beispiel 2: Schuldloser Wasserschaden

Frau Müller ist Mieterin einer Wohnung. Während eines starken Gewitters dringt durch einen Mangel im Dach Wasser in ihre Wohnung ein und verursacht dort einen Wasserschaden. Obwohl Frau Müller hierfür nichts kann, hat sie dennoch die Pflicht, geeignete Maßnahmen zur Schadensbegrenzung zu ergreifen, etwa das Abstellen von Eimern, Aufnehmen des Wassers und Trocknen der betroffenen Räume.

Auswirkungen von Zustandsstörungen auf Grundstückseigentümer und Mieter

Die rechtlichen Folgen von Zustandsstörungen unterschieden sich je nach Rolle des Betroffenen. Als Grundstückseigentümer, Mieter oder Pächter können Sie unterschiedlichen Pflichten und Haftungen unterliegen.

Grundstückseigentümer

Der Grundstückseigentümer hat die Verantwortung, Störungen, die von seinem Grundstück ausgehen, zu beseitigen oder für die Störungsbeseitigung aufzukommen. Dazu zählen etwa die Kosten für die Entfernung einer Gefährdung oder für Reparaturen. Auch wenn der Eigentümer selbst die Störung nicht verursacht hat, muss er dafür Sorge tragen, dass sie beseitigt wird und die erforderlichen Kosten tragen. Hier kann eine Haftpflichtversicherung für Grundstückseigentümer sinnvoll sein, um sich finanziell abzusichern.

Mieter

Mieter sind nicht automatisch Zustandsstörer, weil sie das Grundstück nicht besitzen. Jedoch können sie in bestimmten Situationen Zustandsstörer sein, etwa wenn die Störung durch ihr Verhalten oder ihre Wohnungseinrichtung verursacht wird. In solchen Fällen ist der Mieter verantwortlich, die Störung zu beseitigen oder die nötigen Maßnahmen zur Schadensbegrenzung zu ergreifen. Handelt es sich jedoch um ein bauliches Problem, das der Vermieter oder der Eigentümer zu verantworten hat, ist dieser als Zustandsstörer in der Pflicht, die Störung zu beseitigen.

Als Mieter sollten Sie in jedem Fall eine Haftpflichtversicherung haben, um sich gegen etwaige Ansprüche Dritter abzusichern. Informieren Sie außerdem umgehend Ihren Vermieter über die Störung, um sicherzustellen, dass dieser seiner Verantwortung nachkommen kann.

Aktuelle Gerichtsurteile zum Thema Zustandsstörer

Das Prinzip des Zustandsstörers wurde in den letzten Jahren immer wieder von deutschen Gerichten bestätigt. Im Folgenden finden Sie einige wichtige Urteile, die die Rechtsprechung und die Haftung von Zustandsstörern verdeutlichen.

Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 9. Juni 2017, Az. V ZR 97/16

Der BGH entschied in diesem Fall, dass ein Grundstückseigentümer, auf dessen Grundstück ein Grenzbaum steht, diesen nicht ohne weiteres fällen darf, wenn dadurch das Nachbargrundstück und dessen Eigentümer beeinträchtigt werden. Auch wenn der eigentliche Zustandsstörer ein Dritter ist, der den Baum beschädigt hat, muss der Grundstückseigentümer für die Folgen einstehen und die Kosten tragen.

Oberlandesgericht (OLG) Hamm, Urteil vom 9. Juli 2013, Az. I-4 U 103/12

In diesem Fall entschied das OLG Hamm, dass der Eigentümer eines Abwasserkanals als Zustandsstörer haftet, wenn von seinem Kanal eine Überschwemmungsgefahr ausgeht. Es spielt dabei keine Rolle, ob die Gefahr durch Verschulden des Eigentümers oder durch höhere Gewalt entstanden ist. Der Eigentümer muss die Gefahr beseitigen und für die entstandenen Schäden haften.

FAQ zum Zustandsstörerprinzip

Bin ich als Grundstückseigentümer immer der Zustandsstörer?

Grundsätzlich gilt: Der Grundstückseigentümer ist der Zustandsstörer, wenn die Störung auf seinem Grundstück vorliegt oder von dort ausgeht. Jedoch gibt es Ausnahmen, etwa wenn die Störung durch einen Mieter oder Pächter verursacht wird oder wenn die Störung auf einem benachbarten Grundstück liegt.

Bin ich als Mieter auch ein Zustandsstörer?

Als Mieter können Sie unter bestimmten Umständen als Zustandsstörer angesehen werden, etwa wenn Sie eine Störung verursachen oder wenn die Störung durch Ihr Verhalten oder Ihre Wohnungseinrichtung begründet ist. In solchen Fällen müssen Sie die Störung beseitigen oder geeignete Maßnahmen zur Schadensbegrenzung ergreifen.

Wie kann ich mich als Zustandsstörer absichern?

Um sich finanziell abzusichern, empfiehlt es sich für Eigentümer und Mieter gleichermaßen, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen. Sie sollten zudem regelmäßig ihr Grundstück oder Ihre Wohnung auf mögliche Störungen überprüfen und frühzeitig entsprechende Maßnahmen ergreifen, um Störungen zu verhindern oder zu beseitigen. Informieren Sie sich über die gesetzlichen Regelungen und achten Sie darauf, Ihre Pflichten als Zustandsstörer zu erfüllen.

Was passiert, wenn ich als Zustandsstörer die Störung nicht beseitige?

Wenn Sie als Zustandsstörer die Störung nicht beseitigen, können Sie von den betroffenen Parteien auf Schadensersatz, Unterlassung oder Beseitigung der Störung in Anspruch genommen werden. Zudem kann es sein, dass Sie für Folgeschäden aufkommen müssen oder von der zuständigen Behörde dazu verpflichtet werden, die Störung zu beseitigen.

Kann ich als Betroffener von einer Störung den Eigentümer oder Mieter verklagen?

Als Betroffener einer Störung haben Sie grundsätzlich das Recht, den Zustandsstörer auf Schadensersatz, Unterlassung oder Beseitigung der Störung zu verklagen. Dabei ist es wichtig, dass Sie nachweisen können, dass die Störung tatsächlich von dem betreffenden Grundstück oder der betreffenden Person ausgeht und dass Sie dadurch beeinträchtigt werden. In vielen Fällen empfiehlt es sich jedoch, zunächst das Gespräch mit dem Zustandsstörer zu suchen und gemeinsam eine Lösung zu finden, bevor ein Gerichtsverfahren eingeleitet wird.

Fazit und Handlungsempfehlungen zum Zustandsstörerprinzip

Das Zustandsstörerprinzip ist im deutschen Recht fest verankert und führt dazu, dass Grundstückseigentümer und teilweise auch Mieter für Störungen haften, die von ihrem Grundstück oder ihrer Wohnung ausgehen – auch wenn sie selbst nichts dafür können. Um sich rechtlich abzusichern, sollten sowohl Eigentümer als auch Mieter eine Haftpflichtversicherung abschließen und ihr Grundeigentum bzw. ihre Wohnung regelmäßig auf mögliche Störungen überprüfen. Bei einer vorliegenden Störung gilt es, schnellstmöglich angemessene Schritte zur Beseitigung einzuleiten, um rechtliche Konsequenzen und mögliche Schadenersatzansprüche Dritter zu vermeiden.

In jedem Fall ist es ratsam, bei Fragen oder Unsicherheiten rund um das Zustandsstörerprinzip und Ihre Pflichten und Haftungen als Grundstückseigentümer oder Mieter einen kompetenten Rechtsanwalt zu konsultieren. Ein erfahrener Anwalt kann Ihnen helfen, Ihre Rechte und Pflichten als Zustandsstörer genau zu verstehen und die bestmögliche Vorgehensweise bei der Störungsbeseitigung zu wählen.

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