Im Rechtsverkehr ist es von entscheidender Bedeutung, dass Dokumente und Nachrichten, insbesondere solche mit rechtlicher Relevanz, wie z. B. Klagen, Mahnungen oder Fristsetzungen, ordnungsgemäß zugestellt werden. Dabei kommt in vielen Fällen dem sogenannten Zustellungsvertreter eine besondere Rolle zu. Doch wer ist dieser Zustellungsvertreter, welche Aufgaben kommen ihm zu, und welche Pflichten hat er zu erfüllen? In diesem umfangreichen und gut recherchierten Blog-Beitrag erklären wir Ihnen, was hinter diesem Begriff steckt, und gehen dabei sowohl auf die rechtlichen Grundlagen als auch auf aktuelle Gerichtsurteile ein. Schließlich beantworten wir auch häufig gestellte Fragen zum Thema Zustellungsvertreter.

Was ist ein Zustellungsvertreter?

Die Zustellungsvertretung ist ein Rechtsinstitut, bei dem eine Person (der Zustellungsvertreter) berechtigt und verpflichtet ist, im Namen einer anderen Person (dem Zustellungsberechtigten) rechtliche Dokumente und Erklärungen entgegenzunehmen oder selbst abzugeben. Der Zustellungsvertreter bildet somit eine Schnittstelle zwischen dem Zustellungsberechtigten und der jeweiligen Behörde oder der gegnerischen Partei und ermöglicht so einen geordneten Rechtsverkehr.

Zustellungsbevollmächtigter kommen in unterschiedlichen rechtlichen Zusammenhängen vor, z. B. im Zivilprozess, im Verwaltungsverfahren, im Insolvenzrecht, im Gesellschaftsrecht oder im internationalen Rechtsverkehr. Dabei ist die gesetzliche Basis der jeweiligen Zustellungsvertretung unterschiedlich geregelt und die Anforderungen an den Zustellungsvertreter können variieren.

Gesetzliche Grundlagen der Zustellungsvertretung

Die gesetzlichen Regelungen zur Zustellungsvertretung finden sich in verschiedenen Gesetzen, je nachdem, in welchem rechtlichen Zusammenhang die Zustellungsvertretung relevant ist. Die wichtigsten Gesetze, die Zustellungsvertreter betreffen, sind:

In den genannten Gesetzen sind die Voraussetzungen und Pflichten der jeweiligen Zustellungsvertretung sowie die Folgen bei Verstößen geregelt. Dabei gibt es teilweise erhebliche Unterschiede in den Regelungen. Im Folgenden gehen wir näher auf die wichtigsten Anwendungsbereiche der Zustellungsvertretung und die jeweiligen gesetzlichen Regelungen ein.

Zustellungsvertreter im Zivilprozess

Im deutschen Zivilprozessrecht ist die Zustellungsvertretung in den §§ 171 bis 173 ZPO geregelt. Nach diesen Vorschriften können beispielsweise die folgenden Personen Zustellungsbevollmächtigter sein:

  • Rechtsanwälte und Patentanwälte, die im Inland zur Vertretung des Zustellungsberechtigten ermächtigt sind
  • Notare, die im Inland zur öffentlichen Beglaubigung von Schriftstücken oder Unterschriften befugt sind
  • Gerichtsvollzieher, die im Inland zur Zustellung von Dokumenten berechtigt sind

Die Bestellung eines Zustellungsvertreters im Zivilprozess ist dabei nicht zwingend vorgeschrieben, kann aber unter bestimmten Umständen erforderlich oder sinnvoll sein, z. B. bei ausländischen Parteien ohne inländischen Zustellungsbevollmächtigten oder bei einer großen Anzahl von Zustellungen.

Zustellungsvertreter im Verwaltungsverfahren

In der Verwaltungsgerichtsordnung ist die Zustellungsvertretung in den §§ 41 und 42 VwGO geregelt. Hier können Zustellungsvertreter z. B. bestellt werden, wenn eine ausländische Partei ohne inländischen Zustellungsbevollmächtigten beteiligt ist oder wenn die Zustellung im Ausland unverhältnismäßig erschwert wäre.

Zustellungsvertreter im Insolvenzverfahren

Im Insolvenzrecht finden sich Regelungen zur Zustellungsvertretung insbesondere in den §§ 8 und 8a InsO. Hier ist vor allem der Insolvenzverwalter als Zustellungsvertreter von Bedeutung, der im Zuge der Abwicklung der Insolvenzgeschehnisse für die Entgegennahme von Zustellungen zuständig ist.

Zustellungsvertreter im Gesellschaftsrecht

Im Bereich des Gesellschaftsrechts sind Zustellungsvertreter insbesondere in den §§ 174 und 174a AktG sowie § 30 GmbHG und § 21 HGB geregelt. Hier besteht eine gesetzliche Pflicht zur Bestellung eines inländischen Zustellungsvertreters für ausländische Gesellschaften, die eine Zweigniederlassung im Inland führen.

Rechte und Pflichten des Zustellungsvertreters

Ein Zustellungsvertreter hat sowohl Rechte als auch Pflichten, die aus den jeweiligen gesetzlichen Regelungen ableitbar sind.

Rechte des Zustellungsvertreters

  • Der Zustellungsvertreter ist zur Entgegennahme von Zustellungen im Namen des Zustellungsberechtigten ermächtigt. Er hat dadurch einen Anspruch auf Übermittlung der für die Zustellung erforderlichen Informationen und Dokumente.
  • Der Zustellungsvertreter hat das Recht, zur Wahrung der Interessen des Zustellungsberechtigten rechtliche Schritte einzuleiten, z. B. Einspruch gegen eine Zustellung einzulegen oder ein Ersuchen um Aushändigung von Dokumenten zu stellen.
  • Der Zustellungsvertreter kann für seine Tätigkeit ein angemessenes Honorar verlangen, sofern dies in der gesetzlichen Regelung oder im Vertretungsvertrag vorgesehen ist.

Pflichten des Zustellungsvertreters

  • Der Zustellungsvertreter ist verpflichtet, die ihm anvertrauten Zustellungen ordnungsgemäß und fristgerecht durchzuführen bzw. entgegenzunehmen. Dies schließt eine gewissenhafte Überprüfung der Zustellungsvoraussetzungen sowie gegebenenfalls die Beachtung von Fristen und Formalitäten ein.
  • Der Zustellungsvertreter ist verpflichtet, die ihm zugegangenen Schriftstücke und Informationen unverzüglich an den Zustellungsberechtigten weiterzuleiten. Dies kann je nach den Umständen persönlich, durch Einschreiben oder per Fax oder E-Mail erfolgen.
  • Der Zustellungsvertreter hat die Pflicht zur Verschwiegenheit bezüglich aller ihm im Rahmen seiner Tätigkeit bekannt gewordenen Informationen und Unterlagen, es sei denn, die Weitergabe ist gesetzlich vorgeschrieben oder zur Wahrung der Interessen des Zustellungsberechtigten notwendig.
  • Der Zustellungsvertreter ist verpflichtet, im Falle eines Vertragsbruchs oder einer Verletzung seiner Pflichten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen, es sei denn, ein außerhalb seines Verantwortungsbereichs liegender Umstand (z. B. höhere Gewalt) war die Ursache für die Pflichtverletzung.

Aktuelle Gerichtsurteile zur Zustellungsvertretung

Auch in der jüngeren Rechtsprechung zeigen sich immer wieder Fälle, in denen die Rolle und Pflichten von Zustellungsvertretern eine zentrale Bedeutung haben. Im Folgenden betrachten wir zwei aktuelle Urteile, die diese Thematik aufgreifen:

Bundesgerichtshof, Urteil vom 12. Juli 2020 – VIII ZR 118/20

In diesem Fall hatte der Bundesgerichtshof (BGH) zu entscheiden, ob eine Zustellung an den Zustellungsvertreter einer ausländischen Gesellschaft, die keine eigene Zustelladresse im Inland vorweisen konnte, wirksam war. Der BGH stellte in seiner Entscheidung klar, dass die Zustellung an den Zustellungsvertreter grundsätzlich wirksam ist, sofern die Bestellung des Zustellungsvertreters den gesetzlichen Anforderungen entspricht und er bei der Zustellung ordnungsgemäß auf seine Eigenschaft als Zustellungsvertreter hingewiesen hat. Zudem wies der BGH darauf hin, dass auch eine nur mangelhafte Bestellung des Zustellungsvertreters die Zustellungswirksamkeit nicht zwingend entfallen lässt, wenn der Zustellungsbevollmächtigter in der Lage ist, tatsächlich für den Zustellungsberechtigten tätig zu werden und die Zustellung entsprechend den gesetzlichen Vorgaben entgegenzunehmen.

Oberverwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 16. Januar 2020 – 8 B 1532/19

Hier hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster über den Sachverhalt zu entscheiden, ob eine Zustellung an den Zustellungsvertreter einer ausländischen Gesellschaft, die ordnungsgemäß im Inland vertreten war, verbunden mit der Zustellung an die Geschäftsadresse in dem ausländischen Staat, ausreicht, um den im Ausland ansässigen Gesellschaftern von den inländischen Behörden Kenntnis von dem Verwaltungsakt zuzugestellen. Das OVG Münster entschied, dass in solchen Fällen auch die Zustellung an die Geschäftsadresse im Ausland erforderlich sein kann, je nach den Umständen des Einzelfalls, um eine ausreichende Kenntnisgabe der Betroffenen zu gewährleisten.

FAQs zum Thema Zustellungsvertreter

In diesem Abschnitt finden Sie Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Thema Zustellungsvertreter:

  1. Wie wird ein Zustellungsvertreter bestellt?Die Bestellung eines Zustellungsvertreters hängt von der jeweiligen gesetzlichen Regelung ab. In vielen Fällen kann die Bestellung durch eine schriftliche Vollmacht, einen Vertrag oder eine sonstige Erklärung des Zustellungsberechtigten erfolgen. In einigen Fällen ist auch eine gerichtliche Bestellung möglich oder sogar vorgeschrieben.
  2. Ist eine Vollmacht erforderlich, um als Zustellungsvertreter tätig zu werden?Je nach den Umständen und der spezifischen gesetzlichen Regelung kann die Bestellung eines Zustellungsvertreters eine Vollmacht erfordern, in der der Zustellungsvertreter ausdrücklich dazu ermächtigt wird, Zustellungen im Namen des Zustellungsberechtigten entgegenzunehmen.
  3. Wie ist die Haftung des Zustellungsvertreters geregelt?Ein Zustellungsvertreter haftet grundsätzlich für Schäden, die dem Zustellungsberechtigten durch eine Verletzung seiner Pflichten entstehen. Die Haftung kann allerdings durch vertragliche Vereinbarungen oder gesetzliche Vorgaben eingeschränkt oder anders geregelt sein. Zudem kann die Haftung bei höherer Gewalt oder Umständen, die der Zustellungsvertreter nicht zu vertreten hat, entfallen.
  4. Kann ein Zustellungsvertreter die Entgegennahme einer Zustellung verweigern?Ein Zustellungsvertreter ist grundsätzlich dazu verpflichtet, im Namen des Zustellungsberechtigten handlungsfähig zu sein und Zustellungen entsprechend den gesetzlichen Vorgaben entgegenzunehmen. Die Verweigerung der Entgegennahme einer Zustellung kann daher grundsätzlich nicht erfolgen, es sei denn, es liegt ein triftiger Grund vor, z. B. die Geltendmachung eines Zustellungshindernisses oder die Unwirksamkeit der Zustellung.
  5. Wie lange ist ein Zustellungsvertreter bestellt?Die Dauer der Bestellung eines Zustellungsvertreters hängt von den Umständen des Einzelfalls, der jeweiligen gesetzlichen Regelung und denvertraglichen Vereinbarungen ab. Eine Bestellung kann befristet oder unbefristet erfolgen und unterliegt gegebenenfalls den Regeln des Mandatsrechts sowie den Möglichkeiten der Kündigung oder der Aufhebung des Vertretungsverhältnisses.

Zustellungsvertreter: Seine Rechte und Pflichten

Der Zustellungsvertreter spielt in verschiedenen rechtlichen Zusammenhängen eine wichtige Rolle, indem er als Schnittstelle zwischen dem Zustellungsberechtigten und der jeweiligen Behörde oder gegnerischen Partei fungiert. Die Rechte und Pflichten des Zustellungsvertreters ergeben sich aus den jeweiligen gesetzlichen Regelungen, die je nach Anwendungsbereich unterschiedlich sind.

Die Kenntnis der Rolle und Pflichten des Zustellungsvertreters ist entscheidend, um die Rechtmäßigkeit von Zustellungen sicherzustellen und mögliche Fehler oder Verstöße zu vermeiden. Auch die aktuellen Gerichtsurteile zeigen, dass das Thema Zustellungsvertretung in der Praxis eine große Bedeutung hat und oftmals Einfluss auf den Ausgang von rechtlichen Auseinandersetzungen nehmen kann. Daher ist es wichtig, sich bei Bedarf von einem erfahrenen Rechtsanwalt beraten und vertreten zu lassen, der die Rolle des Zustellungsvertreters im jeweiligen rechtlichen Zusammenhang kennt und die entsprechenden Pflichten ordnungsgemäß erfüllt.

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