In diesem umfassenden Blog-Beitrag werden wir den Begriff „Zweitbescheid“ untersuchen, uns eingehend mit den Rechtsmitteln befassen, die den Betroffenen zur Verfügung stehen, und die Auswirkungen auf die Rechtslage insgesamt erörtern. Wir werden Bestimmungen aus verschiedenen Gesetzen und aktuelle Gerichtsurteile heranziehen, um eine fundierte Analyse der Thematik vorzunehmen. Zu guter Letzt haben wir auch einen FAQ-Bereich eingerichtet, um häufig gestellte Fragen rund um den Zweitbescheid zu beantworten. Sehen wir uns nun zunächst an, was genau ein Zweitbescheid ist.

Definition: Zweitbescheid

Ein Zweitbescheid ist eine erneute behördliche Entscheidung in derselben Angelegenheit, nachdem ein Erstbescheid bereits ergangen ist. Behörden dürfen grundsätzlich nicht zweimal über dieselbe Sache entscheiden. Dennoch kommt es vor, dass sogenannte Zweitbescheide ergehen, weil sich beispielsweise die Sach- oder Rechtslage geändert hat. In solchen Fällen sind Zweitbescheide zulässig, sofern die Voraussetzungen hierfür im Einzelfall erfüllt sind.

Rechtliche Grundlagen für Zweitbescheide

In der deutschen Rechtsordnung gibt es verschiedene Vorschriften, die Zweitbescheide zulassen. Zu den wichtigsten gehören:

  • § 51 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG): Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts
  • § 48 VwVfG: Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts
  • § 49 VwVfG: Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsakts
  • § 84 Sozialgesetzbuch (SGB) X: Aufhebung eines Verwaltungsakts

Wichtig ist, dass die jeweiligen Voraussetzungen dieser Vorschriften im Einzelfall vorliegen müssen, damit ein Zweitbescheid zulässig ist.

Beispiel: Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts (§ 51 VwVfG)

Herr Müller erhielt einen Bescheid über einen zu Unrecht gewährten Zuschuss. Nachdem sich die Behörde dessen bewusst wurde, erließ sie einen Zweitbescheid, in dem sie die Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsakts anordnete. Gemäß § 51 VwVfG ist dies zulässig.

Auswirkungen von Zweitbescheiden

Zweitbescheide können erhebliche Auswirkungen auf die Betroffenen haben. Zum einen können sie eine andere rechtliche Beurteilung bringen und damit die bisherige Rechtsposition des Betroffenen verschlechtern oder verbessern. Zum anderen können Zweitbescheide zu einer Rechtssicherheit führen, indem sie Unklarheiten und Widersprüche, die im Erstbescheid bestanden, beseitigen.

Beispiel:

Frau Schneider erhielt zunächst einen Bescheid, in dem ihre Arbeitslosenhilfe bewilligt wurde. Kurze Zeit später erhielt sie jedoch einen Zweitbescheid, in dem die Arbeitslosenhilfe wieder aberkannt wurde. Im Ergebnis hat der Zweitbescheid die Rechtsposition von Frau Schneider erheblich verschlechtert.

Möglichkeiten der Rechtsverfolgung gegen Zweitbescheide

Im Fall eines Zweitbescheids haben die Betroffenen verschiedene Rechtsmittel zur Verfügung, um ihre Rechte zu schützen und gegebenenfalls die Aufhebung des Zweitbescheids zu erwirken. Diese Rechtsmittel stehen unabhängig davon zur Verfügung, ob der Zweitbescheid rechtmäßig oder rechtswidrig ist:

Widerspruch

Der Widerspruch ist grundsätzlich das erste Rechtsmittel gegen einen behördlichen Bescheid. Ein Widerspruch ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids bei der zuständigen Behörde einzulegen. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der Betroffene bereits im Widerspruchsverfahren alle seine Argumente vorträgt. Es genügt, den Widerspruch fristgerecht einzulegen und gegebenenfalls später zu begründen.

Anfechtungsklage

Wenn der Widerspruch erfolglos bleibt oder die Behörde den Widerspruch nicht zulässt, steht dem Betroffenen die Anfechtungsklage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht zur Verfügung. Mit der Anfechtungsklage kann der Kläger die Aufhebung des Verwaltungsakts (hier: des Zweitbescheids) begehren, weil er ihn für rechtswidrig hält. Die Klage muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden.

Verpflichtungsklage

Die Verpflichtungsklage kommt zum Einsatz, wenn der Betroffene einen Anspruch auf eine bestimmte Leistung geltend machen möchte, die ihm die Behörde im Zweitbescheid verweigert hat. Hierbei geht es um die Verpflichtung der Behörde, einen bestimmten Verwaltungsakt zu erlassen. Die Verpflichtungsklage ist innerhalb eines Monats nach Ablauf der Widerspruchsfrist zu erheben.

Fortsetzungsfeststellungsklage

Die Fortsetzungsfeststellungsklage kann eingelegt werden, wenn der Zweitbescheid bereits vollzogen ist oder sich erledigt hat, der Betroffene aber dennoch an einer Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheids interessiert ist. Gründe hierfür können beispielsweise sein:

  • Präventive Wirkung
  • Disziplinarrechtliche Konsequenzen
  • Rehabilitation

Ein begründetes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit muss vorhanden sein. Die Klage ist innerhalb eines Monats nach Eintritt der Erledigung zu erheben.

Aktuelle Gerichtsurteile

Um ein besseres Verständnis der Thematik zu vermitteln, haben wir einige aktuelle Gerichtsurteile ausgewählt, die sich mit Zweitbescheiden befassen:

  1. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 14.10.2015 – 10 C 12.14:

In diesem Fall musste das Bundesverwaltungsgericht über die Zulässigkeit eines Zweitbescheids entscheiden, in dem eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis widerrufen wurde, weil der Betroffene Sozialleistungen bezogen hatte. Das Gericht entschied, dass ein solcher Widerruf möglich sei, wenn das Erlöschen des Daueraufenthaltsrechts festgestellt werde.

  1. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Urteil vom 29.09.2014 – 12 B 13.1789:

In diesem Verfahren widerrief das Landratsamt einen zunächst erteilten positiven Bauvorbescheid, da es im Anschluss einen negativen Bauvorbescheid erließ. Das Gericht entschied, dass der Zweitbescheid, also der negative Bauvorbescheid, rechtswidrig sei, da er inhaltlich nicht völlig deckungsgleich mit dem Erstbescheid, dem positiven Bauvorbescheid, war.

FAQ: Häufig gestellte Fragen zum Zweitbescheid

Können Zweitbescheide grundsätzlich angefochten werden?

Ja, Zweitbescheide können grundsätzlich mittels Widerspruch und gegebenenfalls anschließender Klage angefochten werden, wenn der Betroffene sie für rechtswidrig hält.

Gibt es Fristen, die ich bei der Anfechtung eines Zweitbescheids beachten muss?

Ja, bei der Anfechtung eines Zweitbescheids gelten die allgemeinen Fristen im Verwaltungsverfahren: Für den Widerspruch gilt eine Monatsfrist ab Bekanntgabe des Bescheids, für die Klage vor dem Verwaltungsgericht ebenfalls eine Monatsfrist ab Zustellung des Widerspruchsbescheids.

Kann ich gegen einen Zweitbescheid, der meine Rechtsposition verbessert, vorgehen?

Grundsätzlich ist ein Betroffener nur dann klagebefugt, wenn er durch den beschrittenen Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt ist. Bei einer Verbesserung der Rechtsposition durch den Zweitbescheid wird man im Regelfall keine rechtliche Verletzung feststellen können. Daher ist ein Vorgehen gegen einen solchen Bescheid in der Regel nicht möglich.

Sind Zweitbescheide immer rechtswidrig?

Nein, Zweitbescheide sind nicht per se rechtswidrig. Sie können rechtmäßig sein, wenn die jeweiligen Voraussetzungen der einschlägigen gesetzlichen Regelungen, beispielsweise nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz oder dem Sozialgesetzbuch, erfüllt sind.

Gibt es Unterschiede zwischen einem Widerspruchsverfahren und einem Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht?

Ja, das Widerspruchsverfahren findet zunächst bei der Behörde statt und soll dazu dienen, diese dazu zu veranlassen, den angefochtenen Verwaltungsakt unter Beachtung der Rechts- und Sachlage nochmals zu überprüfen. Erst wenn der Widerspruch erfolglos geblieben ist oder nicht zugelassen wurde, ist der Weg zu den Verwaltungsgerichten offen, bei denen dann das Klageverfahren stattfindet. Während im Widerspruchsverfahren primär die Behörde tätig ist, entscheiden im Klageverfahren die unabhängigen Verwaltungsgerichte.

Fazit

Zweitbescheide sind ein bedeutender Aspekt im Verwaltungsrecht, der für Betroffene erhebliche Auswirkungen haben kann. Um ihre Rechte optimal zu schützen, sollten Bürgerinnen und Bürger sowohl die rechtlichen Grundlagen von Zweitbescheiden als auch die ihnen zur Verfügung stehenden Rechtsmittel kennen.

Dieser Leitfaden hat die wichtigsten Informationen zum Thema Zweitbescheid, den Rechtsmitteln und ausgewählten Gerichtsurteilen zusammengefasst und sollte als erste Informationsquelle dienen. Für eine individuelle Beratung und Unterstützung im konkreten Einzelfall sollte jedoch ein erfahrener Rechtsanwalt hinzugezogen werden.

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