Die Abschiebung ist eines der sensibelsten Themen im Bereich des Migrations- und Asylrechts. In den letzten Jahren hat sich die rechtliche und politische Debatte um Abschiebungen intensiviert. Die Zahl der Abschiebungen und Rückführungen von Flüchtlingen und Migranten nimmt zu und die öffentliche Meinung ist gespalten. In diesem Blog-Beitrag behandeln wir die rechtlichen Grundlagen und Verfahren der Abschiebung, die Rechte der Betroffenen und wie Sie sich als Betroffener mit Hilfe eines kompetenten, erfahrenen Rechtsanwalts zur Wehr setzen können.

Inhaltsverzeichnis

Gesetzliche Grundlagen

Zuallererst sollten wir uns einen Überblick über die gesetzlichen Grundlagen der Abschiebung verschaffen.

Diese lassen sich in folgende Kategorien unterteilen:

  • Internationales Recht
  • Europäisches Recht
  • Nationales Recht (in diesem Artikel beziehen wir uns auf das deutsche Recht)

Internationales Recht

Auf internationaler Ebene existieren verschiedene Abkommen, die darauf abzielen, die Menschenrechte von Flüchtlingen und Migranten zu schützen. Dazu gehören etwa das Genfer Abkommen von 1951 und das Protokoll von New York von 1967 über die Rechtsstellung von Flüchtlingen. Diese Abkommen legen das Prinzip der Non-Refoulement fest, das besagt, dass niemand in ein Land abgeschoben werden darf, in dem sein Leben oder seine Freiheit aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Meinung bedroht wäre.

Europäisches Recht

Auf Ebene der Europäischen Union sind die Dublin-Verordnungen (aktuell die Dublin-III-Verordnung) von besonderer Bedeutung. Sie legen die Zuständigkeit für die Prüfung eines Asylantrags innerhalb der EU fest. Im Wesentlichen sieht die Verordnung vor, dass der erste sichere EU-Mitgliedstaat, den ein Asylsuchender betritt, für die Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Eine Rücküberstellung (sogenannte Dublin-Überstellungen) in den zuständigen EU-Staat ist unter Beachtung bestimmter Voraussetzungen und Verfahren möglich.

Hinzu kommt die EU-Rückführungsrichtlinie (2008/115/EG), die Mindeststandards für Rückführungsverfahren und die Rechte der betroffenen Drittstaatsangehörigen festlegt.

Nationales Recht (deutsch)

Die wichtigsten gesetzlichen Grundlagen für Abschiebungen in Deutschland sind das Aufenthaltsgesetz (AufenthG) und das Asylgesetz (AsylG). Im Wesentlichen unterscheidet das AufenthG zwischen Abschiebung und Ausweisung:

  • Abschiebung: Die zwangsweise Rückführung einer Person in den Zustand nach unausgesetztem Aufenthalt (ohne Aufenthaltserlaubnis)
  • Ausweisung: Die behördliche Entscheidung, einen Ausländer aus dem Bundesgebiet zu entfernen

Daneben gibt es noch weitere Rechtsvorschriften, wie z.B. das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) und das Gesetz über den Ausländerzentralregister (AZRG).

Das Abschiebungsverfahren

Anordnung der Abschiebung

Das Abschiebungsverfahren beginnt in der Regel mit der Feststellung, dass ein Ausländer sich unerlaubt im Bundesgebiet aufhält. Dafür kann es verschiedene Gründe geben, z. B. weil sein Asylantrag rechtskräftig abgelehnt wurde, weil er nach Ablauf einer Duldung keine gültige Aufenthaltserlaubnis mehr besitzt oder weil er sich ohne Papiere und Erlaubnis ins Land eingeschleust hat.

Die Entscheidung über die Abschiebung wird von der zuständigen Ausländerbehörde getroffen. Die Behörde hat eine Reihe von Ermessensspielräumen, die sie im Sinne einer humanitären und integrationspolitisch verantwortlichen Entscheidung nutzen kann. Zum Beispiel kann sie – unter gewissen Voraussetzungen – von einer Abschiebung absehen und stattdessen eine Duldung oder eine Aufenthaltserlaubnis erteilen.

Durchführung der Abschiebung

Die Abschiebung selbst wird von der zuständigen Polizeibehörde durchgeführt und erfolgt in der Regel ohne Vorankündigung. Der Betroffene wird entweder von seinem Wohnsitz oder aus einer Abschiebungshaftanstalt abgeholt und zum Flughafen oder zur Landesgrenze gebracht, wo er den Grenzbeamten und gegebenenfalls den Vertretern des Rückkehrlandes übergeben wird.

Die Abschiebung kann auf unterschiedliche Weise erfolgen:

  • mit Linienflügen
  • mit Charterflügen (insbesondere bei Sammelabschiebungen)
  • per Landweg

Bei der Durchführung der Abschiebung müssen die Behörden auf die Wahrung der Menschenwürde und der körperlichen Unversehrtheit des Betroffenen achten. Das bedeutet: keine übermäßige Gewaltanwendung, keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, Beachtung der Flugtauglichkeit und der sonstigen gesundheitlichen Belange des Betroffenen.

Abschiebungshaft

Die Abschiebungshaft ist eine freiheitsentziehende Maßnahme, die dazu dient, die Durchführung der Abschiebung sicherzustellen. Sie ist im Aufenthaltsgesetz (§ 62 AufenthG) geregelt und darf nur unter bestimmten Voraussetzungen und nur als ultima ratio angewendet werden.

Die wesentlichen Voraussetzungen für die Anordnung und Fortdauer der Abschiebungshaft sind:

  • vorangegangene erfolglose Abschiebung
  • Gefahr der Flucht (z. B. aufgrund einer begründeten Annahme, der Betroffene werde sich der Abschiebung entziehen)
  • keine milderen Mittel (z. B. räumliche Beschränkung des Aufenthalts, Meldepflichten) vorhanden
  • gerichtliche Entscheidung (Abschiebungshaft darf nur auf richterliche Anordnung hin vollzogen werden)
  • Verhältnismäßigkeit (die Vor- und Nachteile der Freiheitsentziehung müssen gegeneinander abgewogen werden)

Die Dauer der Abschiebungshaft ist gesetzlich begrenzt und darf in der Regel drei Monate nicht überschreiten, bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen bis zu max. 18 Monate verlängert werden.

Rechte der abgelehnten Asylbewerber

Abgelehnte Asylbewerber, die sich einer Abschiebung ausgesetzt sehen, haben verschiedene Rechte, die sie im Verfahren wahrnehmen können:

  • Recht auf Anhörung und Akteneinsicht: Die Betroffenen müssen über ihre Rechte und Pflichten im Abschiebungsverfahren informiert werden und Gelegenheit haben, ihre Gründe und Beweise für ein Bleiberecht vorzutragen. Dazu gehört auch das Recht auf Akteneinsicht, um sich mit den Vorwürfen der Behörden auseinandersetzen zu können.
  • Recht auf anwaltlichen Beistand: Jeder Betroffene hat das Recht, sich im Abschiebungsverfahren von einem Rechtsanwalt vertreten und beraten zu lassen. Die Kosten hierfür müssen in der Regel selbst getragen werden, es sei denn, es liegt eine Bedürftigkeit vor, die eine Prozesskostenhilfe rechtfertigt.
  • Recht auf Akteneinsicht: Abgelehnte Asylbewerber haben das Recht, Einsicht in ihre Akten zu nehmen, um alle relevanten Informationen über ihren Fall zu erhalten und ihre Verteidigung entsprechend vorzubereiten.
  • Recht auf gerichtlichen Rechtsschutz: Wenn die Betroffenen mit der Entscheidung der Ausländerbehörde oder der Polizei nicht einverstanden sind, können sie dagegen vor Gericht vorgehen. Hierzu stehen ihnen verschiedene Rechtsmittel zur Verfügung, je nach Stadium des Verfahrens (z.B. Widerspruch, einstweiliger Rechtsschutz, Klage, Berufung und Revision).
  • Duldung und Humanitäres Bleiberecht: In besonderen Fällen (z.B. bei schwerer Krankheit, Dauer der Anwesenheit, Integration und Bindungen im Bundesgebiet) kann die Behörde die Abschiebung vorübergehend aussetzen (Duldung) oder ein humanitäres Aufenthaltsrecht gewähren.
  • Beachtung der Non-Refoulement-Grundsätze: Die Betroffenen haben das Recht, nicht in ein Land abgeschoben zu werden, in dem ihr Leben oder ihre Freiheit bedroht wäre (Genfer Flüchtlingskonvention, Art. 3 EMRK).

Abwehrstrategien gegen eine Abschiebung

Nachdem wir die gesetzlichen Grundlagen und das Verfahren der Abschiebung dargestellt haben, wollen wir uns nun mit den Möglichkeiten befassen, die Betroffene haben, um sich gegen eine drohende Abschiebung zur Wehr zu setzen.

  • Antrag auf Asyl: Ein Antrag auf Asyl kann die Abschiebung verhindern, wenn ernsthafte und begründete Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit des Betroffenen in seinem Heimatland bestehen. Sofern die Asylgründe glaubhaft gemacht werden und keine sonstigen Ausschlussgründe vorliegen, kann die Anerkennung als Asylberechtigter oder Flüchtling (gemäß Art. 16a GG bzw. § 3 AsylG) erfolgen.
  • Erneuter Asylantrag („Asylfolgeantrag“): Wenn die Situation im Herkunftsland sich nachteilig verändert hat oder neue Informationen und Beweise für die Asylgründe vorliegen, kann ein erneuter Antrag auf Asyl gestellt werden (§ 71 AsylG).
  • Antrag auf Abschiebungsschutz: Zusätzlich zum Asylrecht besteht im deutschen Aufenthaltsgesetz (§ 60 Abs. 1 AufenthG) die Regelung, dass Ausländer nicht abgeschoben werden dürfen, wenn Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit im Zielland bestehen (z.B. Krieg, Bürgerkrieg, Folter, Verfolgung aus anderen Gründen).
  • Vorläufiger Rechtsschutz: Um eine drohende Abschiebung vorläufig zu stoppen, ist der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (§ 123 VwGO) bei Gericht möglich. In der Regel bleibt der Betroffene dann so lange im Bundesgebiet, bis über den Antrag entschieden wird. Ist der Antrag erfolgreich, wird die Abschiebung vorläufig gestoppt.
  • Klage gegen die Abschiebungsanordnung: Gegen die Abschiebungsanordnung kann Klage erhoben werden (§ 42 VwGO). Dabei muss der Kläger darlegen und beweisen, warum die Abschiebung rechtswidrig wäre, z.B. wegen Verstößen gegen das Non-Refoulement-Gebot oder wegen Verfahrensfehlern bei der Anhörung. Ist die Klage erfolgreich, wird die Abschiebungsanordnung aufgehoben.

Es ist wichtig zu betonen, dass sich Betroffene so früh wie möglich rechtlichen Beistand in Form eines erfahrenen Rechtsanwalts für Migrations- und Asylrecht suchen sollten, um optimale Chancen für einen erfolgreichen Ausgang zu haben.

Aktuelle Urteile und Entscheidungen

In diesem Abschnitt stellen wir Ihnen einige aktuelle Gerichtsurteile und Entscheidungen aus dem Bereich der Abschiebung vor. Diese dienen als Beispiele für die rechtliche Praxis und können Ihnen helfen, ein besseres Verständnis für die Materie zu entwickeln.

  • Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27.04.2021 – 1 C 17.20: Das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass die Abschiebung eines sogenannten „Gefährders“ nach Tunesien zulässig sei, obwohl im Zielland Folter und andere Menschenrechtsverstöße drohen. Grund hierfür sei die Zusage der tunesischen Behörden, den Betroffenen nicht zu foltern oder unmenschlich zu behandeln, sowie die Möglichkeit einer diplomatischen Begleitung des Falles durch die deutsche Botschaft.
  • Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 08.12.2020 – C-611/19 PPU und C-612/19 PPU: Der EuGH stellte klar, dass eine Abschiebung im Dublin-Verfahren nicht automatisch unzulässig ist, bloß weil der Betroffene im zuständ igen EU-Mitgliedstaat aufgrund der dortigen Lebensbedingungen (z.B. schlechte Unterbringung, medizinische Versorgung und soziale Unterstützung) Schutzbedürftigkeit erfährt. Hierfür müsse eine individuelle Prüfung stattfinden und ein Zusammenhang mit der Schutzbedürftigkeit im Sinne der EU-Qualifikationsrichtlinie gegeben sein.
  • Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 14.05.2020 – 2 BvR 864/20: Das BVerfG entschied, dass die Abschiebungshaft einer schwangeren Frau nicht zulässig sei, da die Haftanstalten nicht geeignet seien, den besonderen Bedürfnissen von Schwangeren gerecht zu werden und die Haft daher gegen das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) verstoße.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

In diesem Abschnitt beantworten wir einige häufig gestellte Fragen zum Thema Abschiebung:

  1. Wie lange dauert es vom negativen Asylbescheid bis zur Abschiebung? Die Dauer von einem negativen Asylbescheid bis zur tatsächlichen Abschiebung kann stark variieren und ist abhängig von verschiedenen Faktoren, wie der Kooperation des Herkunftslandes, der Verfügbarkeit von Reisedokumenten und der Auslastung von Behörden und Gerichten. Grundsätzlich sollte man sich jedoch sofort nach Erhalt eines negativen Bescheids an einen Rechtsanwalt wenden, um mögliche Rechtsmittel zu prüfen.
  2. Kann eine Abschiebung verhindert werden, wenn die betroffene Person in Deutschland geboren wurde oder hier aufgewachsen ist? Die Geburt oder das Aufwachsen in Deutschland allein garantiert nicht vor einer Abschiebung. Dennoch können in bestimmten Fällen humanitäre oder integrationspolitische Gründe dafür sprechen, von einer Abschiebung abzusehen und eine Duldung oder sogar eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Ein Anwalt kann hierbei helfen, die individuellen Umstände darzulegen und die Chancen auf ein Bleiberecht zu erhöhen.
  3. Was passiert nach der Abschiebung? Nach der Abschiebung wird die betroffene Person in das Zielland zurückgeführt und dort den zuständigen Behörden übergeben. Die Betroffenen müssen sich dann in der Regel an die Gesetze und Vorschriften des Ziellandes halten. Es kann auch zu einem Einreise- und Aufenthaltsverbot für Deutschland und den Schengen-Raum kommen, dessen Dauer von den Umständen des Einzelfalls abhängt.
  4. Kann eine abgeschobene Person wieder nach Deutschland einreisen? Eine Wiedereinreise in Deutschland nach der Abschiebung ist grundsätzlich möglich, jedoch sind hierbei zahlreiche rechtliche Einschränkungen zu beachten. Je nach Grund der Abschiebung und individuellen Umständen kann es zu einem Einreise- und Aufenthaltsverbot kommen, das mehrere Jahre dauern kann. In manchen Fällen kann jedoch ein Antrag auf Aufhebung des Einreiseverbots gestellt werden. Eine rechtliche Beratung ist in solchen Fällen unerlässlich.
  5. Wie kann ein Anwalt im Abschiebungsverfahren helfen? Ein erfahrener Anwalt kann im Abschiebungsverfahren auf vielfältige Weise helfen. Dazu gehören unter anderem: Überprüfung von Bescheiden auf Rechtsfehler, Vertretung vor Behörden und Gerichten, Recherche und Darlegung von Abschiebungshindernissen, Prüfung von Duldungsmöglichkeiten und humanitären Bleiberechten, Erschließen von Integrations- und Familienzusammenführungsansprüchen, Verhandlungen mit Behörden und Unterstützung bei der Beschaffung von Dokumenten und Nachweisen.

Zusammenfassung

Die Thematik der Abschiebung ist komplex und erfordert ein umfassendes Verständnis der rechtlichen Grundlagen und Verfahren. Betroffene sollten sich stets rechtlichen Beistand suchen, um ihre Rechte und Möglichkeiten optimal wahrnehmen zu können. In diesem Beitrag haben wir Ihnen die wichtigsten Aspekte der Abschiebung dargestellt und dabei sowohl auf die gesetzlichen Grundlagen als auch auf das konkrete Verfahren eingegangen. Zudem haben wir auf die Rechte der Betroffenen, mögliche Abwehrstrategien und aktuelle Gerichtsurteile hingewiesen.

Wir hoffen, Ihnen mit diesem Beitrag einen Überblick über das Thema Abschiebung gegeben zu haben und stehen Ihnen für weitere Fragen und Beratung gerne zur Verfügung.

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