Öffentliche Aufträge und ihre Vergabe sind komplexe Prozesse, die durch zahlreiche gesetzliche Regelungen und Vorschriften gesteuert werden. Für staatliche Behörden ist es essenziell, dass Ausschreibungen korrekt durchgeführt werden, um Transparenz, Fairness und Wirtschaftlichkeit zu gewährleisten. In diesem Beitrag zeigen wir Ihnen, wie Ausschreibungen korrekt und effizient durchgeführt werden, welche rechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten sind und geben Ihnen praktische Beispiele und Checklisten an die Hand.

Was ist eine Ausschreibung und warum ist sie wichtig?

Eine Ausschreibung stellt ein Verfahren dar, bei dem staatliche Aufträge öffentlich bekannt gemacht werden, damit interessierte Unternehmen Angebote einreichen können. Durch eine Ausschreibung sollen der Wettbewerb gefördert und die besten Angebote in Bezug auf Preis und Leistung ermittelt werden.

Die Wichtigkeit von Ausschreibungen ergibt sich aus mehreren Faktoren:

  • Förderung des Wettbewerbs: Durch die öffentliche Bekanntmachung der Aufträge soll möglichst vielen konkurrierenden Unternehmen die Gelegenheit gegeben werden, ein Angebot einzureichen.
  • Transparenz: Alle potenziellen Bieter erhalten dieselben Informationen und haben die gleichen Chancen, den Auftrag zu erhalten.
  • Wirtschaftlichkeit: Die öffentliche Hand soll durch den Wettbewerb das beste Preis-Leistungs-Verhältnis erzielen.
  • Bekämpfung von Korruption: Durch ein strukturiertes und transparentes Verfahren können unlautere Bevorzugungen oder Absprachen verhindert werden.

Die rechtlichen Grundlagen der Ausschreibung

Die Vergabe öffentlicher Aufträge ist durch eine Vielzahl von Gesetzen, Verordnungen und EU-Richtlinien geregelt. In Deutschland sind die wichtigsten Rechtsgrundlagen:

  • Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB): Hier werden die Rahmenbedingungen für die Vergabe öffentlicher Aufträge festgelegt, einschließlich der zugrundeliegenden Prinzipien wie Transparenz und Nichtdiskriminierung.
  • Vergabeverordnung (VgV): Diese Verordnung konkretisiert die Vorgaben des GWB und regelt das Verfahren für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen.
  • VOB/A (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil A): Sie regelt die Vergabeverfahren für Bauleistungen und setzt ebenfalls EU-rechtliche Vorgaben um.
  • UVgO (Unterschwellenvergabeordnung): Relevante Vorgaben für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen, deren Wert die EU-Schwellenwerte nicht erreicht.
  • VSVgV (Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit): Diese Verordnung betrifft spezielle Vergaben im Bereich der Verteidigung und Sicherheit.
  • SektVO (Sektorenverordnung): Regelt die Vergabe im Bereich der sogenannten Sektoren, wie zum Beispiel Energieversorgung, Wasserwirtschaft und Verkehr.

Arten der Ausschreibung

Es gibt verschiedene Arten von Ausschreibungen, die je nach Vergabeverfahren ausgewählt werden. Hier sind die wichtigsten:

Offenes Verfahren

Beim offenen Verfahren werden alle interessierten Unternehmen öffentlich zur Angebotsabgabe aufgefordert. Dies gewährleistet größtmögliche Transparenz und Wettbewerb.

Nichtoffenes Verfahren

Hierbei werden nur ausgewählte Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert. Die Auswahl der Bieter erfolgt nach einem vorherigen Teilnahmewettbewerb.

Verhandlungsverfahren

Beim Verhandlungsverfahren wird mit den ausgewählten Bietern über die Bedingungen des Auftrags verhandelt. Diese Verfahrensart wird insbesondere bei komplexen Projekten angewandt, bei denen eine Leistungsbeschreibung schwer zu erstellen ist.

Wettbewerblicher Dialog

Diese Form wird genutzt, wenn der öffentliche Auftraggeber die genauen Anforderungen an die Lösung noch nicht definieren kann. Bieter werden hier in eine Gesprächsphase einbezogen, um innovative Lösungen zu entwickeln.

Der Ablauf einer Ausschreibung

Um einen Überblick über den generellen Ablauf zu geben, wird in der Regel ein standardisiertes Verfahren durchlaufen, das aus mehreren Phasen besteht:

1. Planung und Vorbereitung

  • Bedarfsermittlung: Zunächst muss der konkrete Bedarf festgestellt und gegebenenfalls durch eine Nutzen-Kosten-Analyse untermauert werden.
  • Markterkundung: Es wird geprüft, welche potenziellen Anbieter für die ausgeschriebene Leistung in Betracht kommen.
  • Festlegung der Vergabekriterien: Kriterien zur Wertung der Angebote werden festgelegt, wie Wirtschaftlichkeit, Qualität, Referenzen usw.
  • Erstellung der Leistungsbeschreibung: Diese beschreibt eindeutig und vollständig die geforderten Leistungen und Anforderungen.

2. Bekanntmachung

  • Veröffentlichung: Die Ausschreibung wird in geeigneten Medien, z. B. im Amtsblatt der Europäischen Union sowie auf nationalen Vergabeplattformen, veröffentlicht.
  • Bereitstellung der Vergabeunterlagen: Den Bietern werden alle notwendigen Unterlagen für die Angebotsabgabe zur Verfügung gestellt.

3. Angebotsphase

  • Angebotseinreichung: Bieter reichen ihre Angebote fristgerecht ein. Hierbei sind formale Anforderungen zu beachten.
  • Fragen und Klarstellungen: Während der Angebotsphase können Bieter Fragen stellen, die anonymisiert allen Bewerbern beantwortet werden.

4. Angebotsprüfung und Wertung

  • Formale Prüfung: Zunächst werden die Angebote auf formale Fehler und Vollständigkeit geprüft.
  • Inhaltliche Prüfung: Danach erfolgt die inhaltliche Prüfung gemäß den festgelegten Wertungskriterien.
  • Bieterpräsentationen: In manchen Fällen werden Bieter zu Präsentationen eingeladen, um ihre Angebote vorzustellen.

5. Zuschlagserteilung

  • Bekanntmachung des Zuschlags: Der Zuschlag wird dem erfolgreichen Bieter erteilt und den anderen Bietern mitgeteilt.
  • Vertragsabschluss: Nach der Zuschlagserteilung wird der Vertrag mit dem erfolgreichen Bieter abgeschlossen.

Häufige Fehler und wie sie vermieden werden können

Die Durchführung einer Ausschreibung ist ein komplexer Vorgang, bei dem häufiger Fehler gemacht werden können. Hier sind einige der häufigsten Fehler und Hinweise, wie diese vermieden werden können:

  • Unklare Leistungsbeschreibung: Eine unklare oder unvollständige Leistungsbeschreibung kann zu Missverständnissen bei den Bietern führen und die Vergleichbarkeit der Angebote erschweren. Achten Sie darauf, die Anforderungen klar und detailliert zu definieren.
  • Fehlerhafte Bekanntmachung: Eine falsche oder verspätete Veröffentlichung der Ausschreibung kann dazu führen, dass weniger Bieter teilnehmen. Stellen Sie sicher, dass die Bekanntmachung rechtzeitig und in den richtigen Medien erfolgt.
  • Mangelnde Marktkenntnis: Ohne ausreichende Kenntnisse über den Markt und die potenziellen Anbieter können keine realistischen Vergabekriterien festgelegt werden. Führen Sie eine eingehende Markterkundung durch.
  • fehlende Fragen- und Antwort-Runden: Sorgen Sie dafür, dass alle Bieter dieselben Informationen haben und erkennen können, dass bei Fragen und Unklarheiten offene, transparente und verbindliche Antworten gegeben werden.
  • Rechtswidrige Wertung: Die Angebote müssen strikt nach den festgelegten Kriterien gewertet werden. Änderungen der Kriterien während des Verfahrens sind unzulässig. Dokumentieren Sie den Wertungsprozess gründlich.
  • Fehlende Dokumentation: Jede Phase des Ausschreibungsverfahrens muss sorgfältig dokumentiert werden, um im Falle eines Rechtsstreits nachvollziehbar zu sein. Führen Sie ein Vergabeprotokoll.

Praxisbeispiel einer erfolgreichen Ausschreibung

Um die beschriebenen Schritte und Tipps zu veranschaulichen, schildern wir ein anonymisiertes Praxisbeispiel einer erfolgreichen Ausschreibung:

Projekt: Bau einer neuen Grundschule

Eine kommunale Verwaltung benötigte den Bau einer neuen Grundschule und entschied sich für ein offenes Vergabeverfahren, um möglichst viele Bauunternehmen zu erreichen und somit die besten Baupreise und Konditionen zu erhalten.

Schritte zur erfolgreichen Ausschreibung:

  • Planung und Vorbereitung: Die Verwaltung definierte zunächst den Bedarf und die Anforderungen an die neue Schule in enger Zusammenarbeit mit einem Architektenbüro und Schulvertretern. Daraufhin wurde eine detaillierte Leistungsbeschreibung erstellt, die neben der Bauleistung auch Anforderungen an die Energieeffizienz und die Nutzung nachhaltiger Materialien beinhaltete.
  • Bekanntmachung: Die Ausschreibung wurde auf nationalen und europäischen Vergabeplattformen veröffentlicht, um möglichst viele geeignete Unternehmen zu erreichen. Die Vergabeunterlagen wurden auf der Webseite der Verwaltung bereitgestellt.
  • Angebotsphase: Die Bieter hatten sechs Wochen Zeit, ihre Angebote einzureichen. Während dieser Phase stellte die Verwaltung sicher, dass alle eingehenden Fragen beantwortet und die Antworten allen Interessenten zugänglich gemacht wurden.
  • Angebotsprüfung und Wertung: Nach Ablauf der Angebotsfrist prüfte die Verwaltung die eingereichten Angebote auf formale und inhaltliche Richtigkeit. Anhand der festgelegten Wertungskriterien, wie Preis, Referenzen, Qualität der Materialien und Nachhaltigkeitsaspekte, wurden die Angebote bewertet. Die drei besten Bieter wurden zu einer Präsentation eingeladen, um ihre Projekte detailliert vorzustellen und letzte Unklarheiten zu beseitigen.
  • Zuschlagserteilung: Der Auftrag wurde an das Unternehmen vergeben, das das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bot und gleichzeitig alle Anforderungen erfüllte. Der Vergabeprozess wurde transparent und nachvollziehbar dokumentiert, um im Falle eines Einspruchs gerüstet zu sein.
  • Vertragsabschluss und Projektumsetzung: Nach der Zuschlagserteilung wurde der Vertrag mit dem erfolgreichen Bieter abgeschlossen, und die Bauarbeiten begannen planmäßig. Die Verwaltung stellte sicher, dass das Projekt kontinuierlich überwacht wurde, um den Fortgang und die Einhaltung der Vertragsbedingungen zu gewährleisten.

Checkliste: Erfolgreiche Ausschreibung Schritt für Schritt

Damit Sie den komplexen Ausschreibungsprozess im Blick behalten und erfolgreich durchführen können, haben wir eine praktische Checkliste zusammengestellt:

1. Vorbereitung

  • Klären Sie den genauen Bedarf und erstellen Sie eine detaillierte Leistungsbeschreibung.
  • Ermitteln Sie den Markt und potenzielle Anbieter.
  • Setzen Sie sich mit den gesetzlichen Vorgaben und Schwellenwerten auseinander.
  • Definieren Sie klare und nachvollziehbare Vergabekriterien.

2. Bekanntmachung

  • Veröffentlichen Sie die Ausschreibung rechtzeitig und in geeigneten Medien.
  • Stellen Sie sicher, dass die Vergabeunterlagen vollständig und verständlich zur Verfügung stehen.

3. Angebotsphase

  • Legen Sie eine realistische Angebotsfrist fest.
  • Seien Sie während der Angebotsphase für Fragen der Bieter erreichbar und sorgen Sie für transparente Kommunikation.

4. Angebotsprüfung

  • Prüfen Sie die eingereichten Angebote auf formale Richtigkeit und Vollständigkeit.
  • Bewerten Sie die Angebote gemäß den festgelegten Kriterien.
  • Dokumentieren Sie den Prüfungs- und Wertungsprozess gründlich.

5. Zuschlagserteilung und Vertragsabschluss

  • Erteilen Sie den Zuschlag an den besten Bieter und informieren Sie die anderen Teilnehmer.
  • Schließen Sie zeitnah den Vertrag mit dem erfolgreichen Anbieter ab.
  • Dokumentieren Sie den gesamten Ausschreibungsprozess für eventuelle Nachfragen oder Rechtsstreitigkeiten.

Häufige Fragen zu Ausschreibungen

Hier sind einige häufig gestellte Fragen zu Ausschreibungen und deren Antworten:

Was ist der Unterschied zwischen einem offenen und einem nichtoffenen Verfahren?

Beim offenen Verfahren kann jedes interessierte Unternehmen ein Angebot abgeben. Im nichtoffenen Verfahren werden hingegen nur ausgewählte Unternehmen nach einem Teilnahmewettbewerb zur Angebotsabgabe aufgefordert.

Welche Schwellenwerte gelten für die Anwendung der EU-weiten Ausschreibungen?

Die Schwellenwerte für EU-weite Ausschreibungen werden regelmäßig angepasst und sind variabel je nach Art des öffentlichen Auftrags (Bauleistungen, Liefer- und Dienstleistungsaufträge). Bitte konsultieren Sie die aktuellen Werte im Amtsblatt der Europäischen Union oder auf offiziellen Vergabeportalen.

Wie lange muss die Angebotsfrist mindestens sein?

Die Angebotsfrist hängt von der Komplexität des Auftrags und der Art des Verfahrens ab. Für offene Verfahren beträgt sie mindestens 35 Tage, kann aber bei Dringlichkeit verkürzt werden.

Was passiert, wenn es zu einer Angebotsrücknahme kommt?

Ein Bieter kann sein Angebot bis zum Ablauf der Angebotsfrist zurückziehen. Danach ist die Rücknahme nur mit Zustimmung des Auftraggebers und unter bestimmten Bedingungen möglich.

Wie können sich Bieter gegen eine fehlerhafte Ausschreibung wehren?

Bieter haben die Möglichkeit, Vergabeverstöße über Nachprüfungsverfahren bei den Vergabekammern oder über zivilrechtliche Klagen geltend zu machen. Es wird empfohlen, bereits während des Verfahrens auf etwaige Fehler hinzuweisen und in Kontakt mit dem Auftraggeber zu treten, bevor formelle Rechtsmittel eingelegt werden.

Abschließend lässt sich sagen, dass eine gut geplante und korrekt durchgeführte Ausschreibung maßgeblich zum Erfolg eines Projekts beiträgt. Die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben, eine transparente Kommunikation und eine gründliche Dokumentation sind dabei unerlässlich. Mit den oben beschriebenen Schritten und Checklisten sind Sie bestens gerüstet, um Ihre nächsten Ausschreibungen effizient und regelkonform durchzuführen.

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