Im deutschen Rechtssystem spielt die Betreuung eine wichtige Rolle, wenn ein Volljähriger aufgrund seiner körperlichen, geistigen oder seelischen Verfassung nicht mehr in der Lage ist, seine Angelegenheiten selbst zu regeln. In solchen Situationen wird ein Betreuer bestellt, der die betroffene Person rechtlich vertritt und unterstützt. Doch wann ist eine Betreuerbestellung eigentlich möglich und welche Rechte hat der Betreute, um sich gegebenenfalls zu wehren?

Die Bestellung eines Betreuers stellt einen erheblichen Eingriff in die Selbstbestimmung eines Menschen dar. Daher sind die Anforderungen für die Anordnung einer Betreuung und die Auswahl des Betreuers gesetzlich streng geregelt. Im Folgenden finden Sie umfassende Informationen zur Betreuerbestellung, dem rechtlichen Verfahren, sowie den Rechten der betroffenen Person.

Wann ist eine Betreuerbestellung möglich?

Die Betreuerbestellung erfolgt nach den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), insbesondere §§ 1896 ff. Es gibt mehrere wesentliche Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit ein Betreuer bestellt werden kann:

Der Betroffene muss volljährig sein.

Eine Betreuung kann nur angeordnet werden, wenn der Betroffene wegen einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht selbst regeln kann.

Die Betreuung dient ausschließlich dem Wohl des Betroffenen.

Ein Betreuungsbedarf muss festgestellt werden, d.h., es muss eine konkrete Aufgabe bestehen, die die Betreuung erforderlich macht.

Psychische Krankheit oder Behinderung

Eine psychische Krankheit kann beispielsweise durch Depressionen, Schizophrenie oder eine bipolare Störung ausgelöst werden. Körperliche Behinderungen, wie schwere Verletzungen oder Krankheit, die geistige Funktionen einschränken, können ebenfalls eine Betreuung erforderlich machen. Auch eine seelische Behinderung, wie Demenz, fällt unter diese Kategorie.

Antragsstellung und Verfahren

Der Antrag auf Betreuerbestellung kann von verschiedenen Personen gestellt werden:

Vom Betroffenen selbst

Von nahen Angehörigen

Von Behörden, wie dem Sozialamt oder dem Gesundheitsamt

Das Betreuungsgericht prüft anschließend die Notwendigkeit einer Betreuung. Eine ärztliche Begutachtung des Betroffenen ist hierbei zwingend erforderlich. Diese Gutachten helfen dem Gericht dabei, die tatsächlichen Lebensumstände des Betroffenen zu erfassen und eine fundierte Entscheidung zu treffen.

Welche Rechte hat der Betreute?

Auch wenn eine Betreuung angeordnet wird, hat der Betroffene zahlreiche Rechte, die seine Selbstbestimmung schützen und wahren sollen:

Anhörungspflicht

Das Betreuungsgericht hat den Betroffenen persönlich anzuhören, bevor es eine Entscheidung trifft (§ 278 FamFG). Diese Anhörung zielt darauf ab, die Situation aus Sicht des Betroffenen zu verstehen und seine Wünsche und Vorstellungen zu berücksichtigen.

Wahl des Betreuers

Der Betroffene hat das Recht, eine Person seines Vertrauens als Betreuer vorzuschlagen. Dieser Vorschlag kann nur abgelehnt werden, wenn gewichtige Gründe dagegen sprechen (§ 1897 BGB). Dies können beispielsweise Interessenkonflikte sein oder die Ungeeignetheit des Vorgeschlagenen.

Einspruchsrecht

Gegen die Entscheidung des Gerichts, einen Betreuer zu bestellen oder die Betreuung auszudehnen, kann der Betroffene Beschwerde einlegen (§ 58 FamFG). Diese muss innerhalb eines gewissen Zeitraums beim zuständigen Gericht eingereicht werden.

Begleitende Hilfe

Der Betreute hat das Recht, dass die Betreuung so gestaltet wird, dass seine Selbstständigkeit soweit wie möglich erhalten bleibt (§ 1901 BGB). Dies bedeutet, dass der Betreuer den Betroffenen in Entscheidungen einbezieht und ihn unterstützt, anstatt ihm alle Entscheidungen abzunehmen.

Einsichtsrecht

Der Betreute kann in alle Unterlagen, die im Verlauf des Betreuungsverfahrens entstanden sind, Einsicht nehmen. Dies gilt sowohl für die Gutachten, als auch für die Beschlüsse und Protokolle des Gerichts (§ 13 Abs. 4 FamFG).

Praxisbeispiele und Fallstudien

Um die theoretischen Ausführungen zu verdeutlichen, finden Sie im Folgenden einige anonymisierte Beispiele und Fallstudien, die typische Situationen einer Betreuerbestellung illustrieren:

Beispiel 1: Betreuung aufgrund von Demenz

Frau Müller, 78 Jahre alt, leidet an fortschreitender Demenz. Ihre Ärztin stellt fest, dass Frau Müller nicht mehr in der Lage ist, ihre Finanzen zu verwalten und ihre gesundheitlichen Belange zu regeln. Frau Müllers Tochter stellt daraufhin einen Antrag auf Betreuerbestellung beim zuständigen Betreuungsgericht. Das Gericht lässt ein Gutachten erstellen und überprüft die Sachlage durch Gespräche mit Frau Müller und ihrer Familie. Schließlich wird die Tochter von Frau Müller als Betreuerin bestellt. Frau Müllers Wohnung bleibt als Lebensmittelpunkt erhalten, während die Tochter sie bei ihren Angelegenheiten unterstützt.

Beispiel 2: Psychische Erkrankung

Herr Schmidt, 45 Jahre alt, wird nach langjähriger Schizophrenie-Erkrankung mehrfach in psychiatrischen Kliniken behandelt. Bisher hat er seine Angelegenheiten mit Unterstützung seiner Mutter geregelt. Als sich sein Zustand verschlechtert und er seine Angelegenheiten nicht mehr selbständig regeln kann, beantragt die Klinik die Bestellung eines Betreuers. Das Gericht bestellt einen Berufsbetreuer, der die medizinische Versorgung und die Wohnungsangelegenheiten von Herrn Schmidt koordiniert. Herr Schmidt bleibt jedoch in wichtigen Entscheidungen, soweit möglich, einbezogen.

Häufig gestellte Fragen (FAQs) zur Betreuerbestellung

Was kostet eine Betreuung?

Die Kosten für eine Betreuung hängen vom Umfang und der Art der Betreuung ab. Bei ehrenamtlichen Betreuern fallen in der Regel keine Kosten für den Betreuten an. Berufsbetreuer erhalten eine Vergütung, die sich nach dem Betreuungsaufwand richtet und gesetzlich geregelt ist.

Kann der Betreute den Betreuer ablehnen?

Ja, der Betreute kann Einwände gegen die Bestellung eines bestimmten Betreuers äußern. Das Gericht muss diese Einwände prüfen und berücksichtigen, soweit keine gewichtigen Gründe gegen die Wünsche des Betreuten sprechen.

Wie lange dauert eine Betreuung?

Die Dauer der Betreuung wird vom Gericht festgelegt und richtet sich nach dem individuellen Betreuungsbedarf. In regelmäßigen Abständen überprüft das Gericht, ob die Voraussetzungen für die Betreuung weiterhin bestehen. Dies geschieht in der Regel alle sieben Jahre, kann aber auch in kürzeren Abständen erfolgen.

Kann eine Betreuung wieder aufgehoben werden?

Ja, wenn die Voraussetzungen für die Betreuung nicht mehr gegeben sind, kann das Gericht die Betreuung aufheben. Hierzu muss ein entsprechender Antrag gestellt werden, und das Gericht wird die Sachlage erneut prüfen.

Welche Pflichten hat ein Betreuer?

Ein Betreuer hat die Pflicht, die Interessen des Betreuten zu wahren und zu vertreten. Er muss regelmäßig gegenüber dem Betreuungsgericht Bericht erstatten und Rechenschaft über getroffene Maßnahmen ablegen. Zudem ist er verpflichtet, den Betreuten so weit wie möglich in Entscheidungen einzubeziehen.

Gesetzliche Grundlagen und zusätzliche Informationen

Für diejenigen, die tiefer in die gesetzlichen Details eintauchen möchten, bieten sich verschiedene Gesetze und Vorschriften als Lektüre an. Hier ein Überblick:

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Insbesondere §§ 1896 bis 1908i regeln die rechtlichen Rahmenbedingungen für Betreuungen.
  • Familienverfahrensgesetz (FamFG): Dieses Gesetz enthält Verfahrensregelungen, die bei der Betreuerbestellung Anwendung finden.
  • Betreuungsbehördengesetz (BtBG): Es enthält Regelungen zu den Aufgaben der Betreuungsbehörden.

Checkliste für Angehörige und Betroffene

Um den Prozess der Betreuerbestellung strukturiert und übersichtlich zu gestalten, kann folgende Checkliste hilfreich sein:

  • Eine ärztliche Begutachtung einholen, die den Betreuungsbedarf bestätigt.
  • Den Antrag auf Betreuerbestellung beim zuständigen Betreuungsgericht einreichen.
  • Dem Gericht alle erforderlichen Unterlagen und Informationen zur Verfügung stellen.
  • Wünsche und Vorschläge hinsichtlich der Person des Betreuers äußern.
  • Die Anhörung beim Gericht wahrnehmen und aktiv am Entscheidungsprozess teilnehmen.
  • Nach der Betreuerbestellung regelmäßig mit dem Betreuer kommunizieren und Veränderungen der Situation anzeigen.

Fallstricke und häufige Probleme

Die Betreuerbestellung kann manchmal eine Herausforderung darstellen. Hier einige häufige Probleme und wie man sie vermeiden kann:

Widersprüchliche Gutachten

Es kann vorkommen, dass verschiedene Ärzte zu unterschiedlichen Einschätzungen der Situation kommen. In solchen Fällen kann es hilfreich sein, ein weiteres unabhängiges Gutachten einzuholen.

Konflikte innerhalb der Familie

Manchmal führt die Frage nach der Betreuerbestellung zu familiären Konflikten. Es ist wichtig, in solchen Fällen das Wohl des Betroffenen in den Mittelpunkt zu stellen und professionelle Mediation in Betracht zu ziehen.

Ungeeigneter Betreuer

Wird ein Betreuer bestellt, der sich als ungeeignet erweist, können Betroffene und ihre Angehörigen beim Gericht die Abberufung und Bestellung eines neuen Betreuers beantragen.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Betreuerbestellung ist ein komplexer und sensibler Prozess, der auf das Wohl und die Rechte des betroffenen Menschen ausgerichtet ist. Es ist wichtig, dass Betroffene und ihre Angehörigen gut informiert sind und ihre Rechte kennen. Ein transparenter und fairer Prozess, der alle Beteiligten einbezieht, kann helfen, Lösungen zu finden, die im besten Interesse des Betreuten liegen.

Falls Sie Fragen haben oder Unterstützung bei der Betreuerbestellung benötigen, stehen Ihnen verschiedene Beratungsstellen und rechtliche Hilfen zur Verfügung. Ein fundiertes Verständnis der gesetzlichen Grundlagen und ein respektvoller Umgang miteinander sind entscheidend, um in schwierigen Situationen die bestmögliche Unterstützung zu gewährleisten.

Unsere Rechtsanwälte stehen Ihnen bundesweit und im deutschsprachigen Ausland zur Verfügung.

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