Die Handwerksordnung ist das zentrale Gesetz für das Handwerk in Deutschland. Sie regelt die Berufsausbildung, die Meister- und Gesellenprüfungen, die Eintragung in die Handwerksrolle und viele andere Aspekte des Handwerks. Eine gute Kenntnis der Handwerksordnung ist für jeden Handwerker unerlässlich. In diesem Blogbeitrag wollen wir Ihnen eine detaillierte und praxisnahe Einführung in die Handwerksordnung geben. Dabei werden wir auf die wichtigsten Aspekte eingehen, aktuelle Gerichtsurteile und Gesetzesentwicklungen beleuchten und typische Fragen beantworten, die uns als Anwaltskanzlei immer wieder von Handwerkern gestellt werden.

Allgemeines zur Handwerksordnung

Die Handwerksordnung (HwO) wurde erstmals im Jahr 1953 erlassen und seitdem mehrfach novelliert. Sie soll die Qualität des Handwerks und den Verbraucherschutz gewährleisten sowie Handwerker und Handwerksbetriebe in ihrer Tätigkeit unterstützen. Die HwO ist in verschiedenen Teilen gegliedert, die sich schwerpunktmäßig mit folgenden Themen beschäftigen:

  • Teil I: Berufsausbildung
  • Teil II: Betrieb des Handwerks (z. B. Meisterpflicht, Eintragung in die Handwerksrolle)
  • Teil III: Organisation der Handwerkskammern und weiterer Organisationen
  • Teil IV: Ordnungsmäßigkeit der Handwerksausübung (z. B. Beilegung von Streitigkeiten)

Handwerksberufe und Anlage A zur Handwerksordnung

Die Handwerksordnung enthält eine Liste der Handwerksberufe in Anlage A und Anlage B. Die Anlage A listet zulassungspflichtige Handwerke auf, während Anlage B zulassungsfreie Handwerke und handwerksähnliche Gewerbe enthält.

Die Liste der zulassungspflichtigen Handwerke in Anlage A umfasst zurzeit 41 Handwerke, die in folgende Gruppen unterteilt sind:

  • Baugewerbe (z. B. Maurer, Zimmerer, Straßenbauer)
  • Elektrogewerbe (z. B. Elektroinstallateur, Informationstechniker)
  • Holzgewerbe (z. B. Tischler, Drechsler)
  • Metallgewerbe (z. B. Metallbauer, Schmied)
  • Nahrungsgewerbe (z. B. Bäcker, Fleischer)
  • Gesundheitsgewerbe (z. B. Zahntechniker, Hörakustiker)
  • Reinigungs- und Körperpflegegewerbe (z. B. Friseur, Augenoptiker)
  • Textilgewerbe (z. B. Schneider, Modist)
  • Technische Gewerbe (z. B. Kälteanlagenbauer, Raumausstatter)

In diesen zulassungspflichtigen Handwerke ist das Führen eines Handwerksbetriebs in der Regel an einen Meistertitel geknüpft. Ausnahmen und weitere Anforderungen werden im Folgenden erläutert.

Meisterpflicht, Meistertitel und Ausnahmen von der Meisterpflicht

Die sogenannte Meisterpflicht ist in § 1 Abs. 1 HwO geregelt und besagt, dass bestimmte Handwerke nur als zulassungspflichtige Handwerke ausgeübt werden dürfen, wenn der Betriebsinhaber oder eine verantwortliche Person im Betrieb einen Meistertitel nachweisen kann.

Der Meistertitel wird durch eine bestandene Meisterprüfung nach § 45 HwO erworben. Die Meisterprüfung umfasst sowohl fachliche Kenntnisse als auch Kenntnisse in der Berufs- und Arbeitspädagogik, womit der Meister auch zur Ausbildung von Lehrlingen befähigt wird.

Es gibt jedoch Ausnahmen von der Meisterpflicht, die in § 8 HwO geregelt sind. Hierzu gehören:

  • Altgesellenregelung: Personen, die sechs Jahre in einem zulassungspflichtigen Handwerk gearbeitet haben, davon vier Jahre in leitender Stellung, können eine Ausnahmebewilligung erhalten.
  • Handwerker, die bereits seit mehr als fünf Jahren eine leitende Tätigkeit in einem Betrieb ausüben und einen entsprechenden Antrag stellen.
  • Inhaber einer EU/EWR-Staatsangehörigkeit und Besitz einer Berufs- oder Tätigkeitsqualifikation, welche in der EU-Handwerkerverordnung als gleichwertig anerkannt sind, können eine Ausnahmebewilligung erhalten.

Eintragung in die Handwerksrolle: Voraussetzungen und Verfahren

Die Handwerksrolle ist das zentrale Register für Handwerksbetriebe in Deutschland. Die Eintragung in die Handwerksrolle ist gemäß § 2 HwO für jeden Betrieb verpflichtend, der ein zulassungspflichtiges Handwerk ausüben will. Die zuständige Handwerkskammer prüft die Voraussetzungen für die Eintragung und vergibt eine Betriebsnummer.

Zur Eintragung in die Handwerksrolle müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Nachweis des Meistertitels oder einer Ausnahmebewilligung
  • Anmeldung eines Gewerbes gemäß § 14 Gewerbeordnung
  • Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts
  • Angemessene Betriebsgröße und -ausstattung
  • Keine Eintragung von schweren Verstößen gegen Gesetze oder gewerberechtliche Vorschriften

Um sich in die Handwerksrolle eintragen zu lassen, muss ein Antrag bei der zuständigen Handwerkskammer gestellt werden. Dabei sind entsprechende Unterlagen wie Zeugnisse, Qualifikationsnachweise, gerichtliche Führungszeugnisse und sonstige erforderliche Nachweise einzureichen. Die Handwerkskammer prüft dann die Antragsunterlagen und entscheidet über die Eintragung. Wird die Eintragung bewilligt, erhält der Betrieb eine Betriebsnummer und eine Eintragungsbestätigung.

Gewerbeanmeldung und zulassungsfreie Handwerke

Alle Handwerksbetriebe, auch diejenigen, die zulassungsfreie Handwerke oder handwerksähnliche Gewerbe ausüben, müssen ein Gewerbe gemäß § 14 Gewerbeordnung anmelden. Die Gewerbeanmeldung erfolgt in der Regel bei der zuständigen Gemeindeverwaltung, die den Handwerksbetrieb dann bei der Handwerkskammer meldet.

Zulassungsfreie Handwerke sind in Anlage B zur Handwerksordnung gelistet und können ohne Meisterprüfung oder Ausnahmebewilligung ausgeübt werden. Dazu gehören beispielsweise:

  • Fotograf
  • Uhrmacher
  • Kosmetiker
  • Maler und Lackierer (Bauten- und Korrosionsschutz)

Die Eintragung in die Handwerksrolle ist für zulassungsfreie Handwerke nicht erforderlich, aber möglich. Eine freiwillige Eintragung kann in bestimmten Fällen Vorteile bieten, wie zum Beispiel in Bezug auf die Mitgliedschaft in einer Innung, die Teilnahme an Meisterprüfungen für andere Handwerksberufe oder die Befugnis zur Ausbildung von Lehrlingen.

Berufsausbildung im Handwerk

Die Handwerksordnung regelt auch die Berufsausbildung im Handwerk. Ziel der Ausbildung ist es, den Auszubildenden eine umfassende berufliche Grundbildung, vertiefte Fachkenntnisse und die notwendige Berufserfahrung zu vermitteln. Die Ausbildung erfolgt dual, das heißt, sie findet zum einem Teil in dem jeweiligen Handwerksbetrieb und zum anderen Teil in der Berufsschule statt.

Die Ausbildungsordnung, die für jeden Handwerksberuf existiert, legt die Inhalte und den Ablauf der Ausbildung, die Prüfungsanforderungen und die Dauer der Ausbildung fest. Die Dauer der Ausbildung beträgt in der Regel drei bis dreieinhalb Jahre.

Die Ausbildung schließt mit einer Gesellenprüfung ab, die von der zuständigen Handwerkskammer abgenommen wird. Bei bestandener Gesellenprüfung erhält der Auszubildende einen Gesellenbrief und ist berechtigt, den jeweiligen Handwerksberuf auszuüben.

Meisterprüfung und Meisterpflicht im Handwerk

Wie bereits erwähnt, ist der Meistertitel in vielen Handwerksberufen Voraussetzung für die selbstständige Ausübung des Handwerks oder die Ausbildung von Lehrlingen. Um den Meistertitel zu erlangen, muss eine Meisterprüfung abgelegt werden.

Die Meisterprüfung besteht aus vier Teilen:

  • dem praktischen Teil: Herstellung eines Meisterstücks oder Durchführung einer Meisterprüfungsarbeit
  • dem theoretischen Teil: Prüfung der fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten
  • der berufs- und arbeitspädagogischen Prüfung: Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten zur Planung, Durchführung und Kontrolle betrieblicher Bildungsprozesse
  • der betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Prüfung: Vermittlung von Kenntnissen in Bezug auf Betriebsführung, Personalwesen, Recht und Steuern

Die Meisterprüfung wird von der zuständigen Handwerkskammer abgenommen und schließt mit der Verleihung des Meisterbriefs ab. Der Meisterbrief berechtigt zum selbständigen Betreiben eines zulassungspflichtigen Handwerks und zur Ausbildung von Lehrlingen.

Aktuelle Gerichtsurteile und Gesetzesentwicklungen

Um Ihnen einen Einblick in die aktuellen rechtlichen Entwicklungen rund um die Handwerksordnung zu geben, stellen wir Ihnen einige interessante Gerichtsurteile und Gesetzesentwicklungen der letzten Jahre vor.

BGH-Urteil zur Meisterpflicht und deren Verfassungsmäßigkeit

In einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2013 – I ZR 146/12) wurde die Meisterpflicht im Handwerk unter Verfassungsaspekten betrachtet. Die Richter kamen zu dem Ergebnis, dass die Meisterpflicht verfassungsgemäß ist und einen gerechtfertigten Eingriff in die Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG darstellt. Sie dient dem Schutz der Allgemeinheit, insbesondere der Kunden und Auszubildenden, indem sie ein Mindestmaß an Qualität und Verbraucherschutz gewährleistet.

BVerwG-Urteil zur Altgesellenregelung

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urteil vom 21. März 2013 – 8 C 6.12) hat entschieden, dass die sogenannte Altgesellenregelung in § 8 Abs. 1 Nr. 1 HwO mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Nach dieser Regelung können Handwerker ohne Meistertitel die Ausübung eines zulassungspflichtigen Handwerks beantragen, wenn sie sechs Jahre im Handwerk tätig waren, davon vier Jahre in leitender Position. Die Richter sahen darin keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit und verwiesen auf den Schutz der Verbraucher und Auszubildenden als legitimes Ziel der Regelung.

Neue Handwerksberufe und EU-Anpassungen

Die Handwerksordnung wurde in den letzten Jahren immer wieder an neue Entwicklungen angepasst und ergänzt. So wurden beispielsweise neue Handwerksberufe wie der Trockenbaumonteur, der Fahrzeugrestaurator oder der Gebäudereiniger in die Anlagen zur Handwerksordnung aufgenommen. Zudem wurden Regelungen zur Anerkennung von EU-Berufsqualifikationen gemäß der EU-Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (2005/36/EG) eingeführt.

FAQs – häufig gestellte Fragen zur Handwerksordnung

Im Folgenden wollen wir Ihnen einige häufig gestellte Fragen zur Handwerksordnung beantworten. Sollten Sie weitere Fragen haben oder rechtliche Unterstützung suchen, stehen wir Ihnen als Anwaltskanzlei gerne zur Verfügung.

Kann ich als EU-Handwerker ohne deutschen Meistertitel in Deutschland arbeiten?

Handwerker mit einer EU/EWR-Staatsangehörigkeit können in Deutschland arbeiten, wenn ihre Berufsqualifikation als gleichwertig anerkannt wird. Dabei ist zu beachten, dass es sowohl für zulassungspflichtige als auch für zulassungsfreie Handwerke spezifische Regelungen gibt. Bei zulassungspflichtigen Handwerken muss eine Gleichwertigkeitsprüfung durch die zuständige Handwerkskammer erfolgen; bei zulassungsfreien Handwerken ist dies nicht erforderlich.

Muss ich mich in die Handwerksrolle eintragen lassen, wenn ich ein zulassungsfreies Handwerk ausübe?

Nein, für zulassungsfreie Handwerke ist eine Eintragung in die Handwerksrolle nicht verpflichtend. Eine freiwillige Eintragung kann jedoch in bestimmten Fällen Vorteile bieten, wie zum Beispiel in Bezug auf die Mitgliedschaft in einer Innung, die Teilnahme an Meisterprüfungen für andere Handwerksberufe oder die Befugnis zur Ausbildung von Lehrlingen.

Was passiert, wenn ich ohne gültige Eintragung in der Handwerksrolle ein zulassungspflichtiges Handwerk ausübe?

Die Ausübung eines zulassungspflichtigen Handwerks ohne gültige Eintragung in der Handwerksrolle ist nach § 117 HwO eine Ordnungswidrigkeit und kann mit einem Bußgeld von bis zu 10.000 Euro geahndet werden. Darüber hinaus drohen zivilrechtliche Ansprüche, wie zum Beispiel Schadensersatzansprüche von Kunden oder Konkurrenten.

Welche Kosten fallen für die Eintragung in die Handwerksrolle an?

Die Kosten für die Eintragung in die Handwerksrolle variieren je nach Handwerkskammer und betragen in der Regel zwischen 100 und 300 Euro. Hinzu kommen eventuell weitere Kosten für benötigte Unterlagen oder Gutachten.

Was ist zu tun, wenn ich mein Handwerk als Nebengewerbe ausüben möchte?

Auch wenn Sie ein Handwerk im Rahmen eines Nebengewerbes ausüben möchten, gelten die Regelungen der Handwerksordnung. Das bedeutet, dass Sie die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen und gegebenenfalls eine Eintragung in die Handwerksrolle vornehmen lassen müssen. Darüber hinaus müssen Sie ein Gewerbe anmelden und sich bei der zuständigen Handwerkskammer registrieren lassen.

Kann ich mehrere Handwerke ohne Meisterpflicht ausüben?

Prinzipiell ist es möglich, mehrere zulassungsfreie Handwerke oder Handwerke aus Anlage B zur Handwerksordnung gleichzeitig ohne Meisterpflicht auszuüben. Bei zulassungspflichtigen Handwerken benötigen Sie für jedes Handwerk entweder den entsprechenden Meistertitel oder eine entsprechende Ausnahmebewilligung.

Fazit und Ausblick zur Handwerksordnung

Die Handwerksordnung ist das zentrale Regelwerk für das Handwerk in Deutschland und sollte von jedem Handwerker sorgfältig beachtet werden. Die Einhaltung der Handwerksordnung gewährleistet Qualität und Verbraucherschutz und sichert den Fortbestand des handwerklichen Berufsstandes.

Um als Handwerker erfolgreich zu sein und eventuellen rechtlichen Problemen aus dem Weg zu gehen, ist es unerlässlich, sich über die Regelungen der Handwerksordnung zu informieren und die entsprechenden Voraussetzungen für die Ausübung des Handwerks zu erfüllen. Unsere Anwaltskanzlei steht Ihnen bei Fragen oder rechtlichen Problemen im Zusammenhang mit der Handwerksordnung jederzeit zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns für eine Beratung oder Vertretung in rechtlichen Angelegenheiten. Wir hoffen, Ihnen mit diesem Blogbeitrag einen guten Überblick über die Handwerksordnung und ihre praktische Bedeutung für Handwerker gegeben zu haben.

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