Irrtum über den Nachlass: OLG Frankfurt aktuelle Entscheidung

Der Verlust eines geliebten Menschen ist oft von Emotionen und unerwarteten Herausforderungen begleitet. In manchen Fällen kann auch die Erbschaft selbst zu Überraschungen führen – wie ein aktueller Fall des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt zeigt.

Unterschätztes Erbe: Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses kann Erbausschlagung rückgängig machen

Hier entschied das Gericht zugunsten einer Tochter, die das Erbe ihrer verstorbenen Mutter ausgeschlagen hatte, ohne zu wissen, dass ein erhebliches Vermögen existierte.

Der Fall: Eine überraschende Wendung

Eine Frau hatte seit ihrem elften Lebensjahr keinen Kontakt mehr zu ihrer alkoholkranken Mutter. Als die Mutter verstarb, wurde die Tochter von einer Kriminalbeamtin über den Tod informiert. Sie erfuhr von dem chaotischen Zustand der Wohnung der Mutter im Bahnhofsviertel und ging sofort davon aus, dass die Mutter mittellos und in einem sozialen Brennpunkt lebte. Die Tochter entschied sich, das Erbe auszuschlagen.

Erst später, nach dem Erhalt eines Schreibens vom Nachlasspfleger, stellte sich heraus, dass die Mutter ein nicht unerhebliches Kontoguthaben im oberen fünfstelligen Bereich hinterlassen hatte. Die Tochter wollte nun die Erbausschlagung rückgängig machen und beantragte einen Erbschein. Das Nachlassgericht lehnte ab, doch das OLG Frankfurt gab ihr Recht (Beschl. v. 24.07.2024, Az. 21 W 146/23).

Rechtliche Grundlage: Eigenschaftsirrtum und Erbausschlagung

Das OLG Frankfurt argumentierte, dass die Erbin die Ausschlagung des Erbes anfechten könne, weil sie irrtümlich von einer Überschuldung der Mutter ausgegangen sei. Der 21. Zivilsenat des Gerichts stellte fest, dass die Tochter über die Zusammensetzung des Nachlasses und damit über wesentliche Eigenschaften geirrt habe – insbesondere über das Vorhandensein von Kontoguthaben. Dieser Irrtum ist als Eigenschaftsirrtum gemäß § 119 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu bewerten.

Entscheidend hierbei ist, dass es nicht um einen Irrtum über den Wert des Nachlasses an sich ging, sondern um die Annahme falscher Tatsachen hinsichtlich der wertbildenden Faktoren. Der Wert einer Erbschaft ist nämlich keine Eigenschaft einer Sache, sondern die zugrundeliegenden Vermögenswerte, wie das Vorhandensein von Kontoguthaben, sind es.

Wann ist eine Anfechtung möglich?

Die Anfechtung der Erbausschlagung wäre ausgeschlossen gewesen, wenn die Tochter die Entscheidung auf unsicherer Grundlage oder bloßen Vermutungen getroffen hätte. Doch das OLG Frankfurt kam zu dem Schluss, dass die Tochter von einer falschen Annahme ausgegangen war und diese Entscheidung nicht spekulativ getroffen hatte.

Nachdem sie von den tatsächlichen Vermögensverhältnissen ihrer Mutter erfahren hatte, erklärte die Tochter die Anfechtung unverzüglich, wie es die §§ 1954, 121 BGB vorschreiben. Damit war die Anfechtung wirksam und sie konnte das Erbe annehmen.

Was bedeutet das für Erben in ähnlichen Situationen?

Irrtum über den Nachlass: OLG Frankfurt entscheidet

Diese Entscheidung unterstreicht, dass ein Irrtum über die Zusammensetzung eines Nachlasses eine Erbausschlagung rückgängig machen kann, sofern die Entscheidung nicht spekulativ, sondern auf einem tatsächlichen Irrtum basiert. Es ist wichtig für Erben, alle verfügbaren Informationen sorgfältig zu prüfen, bevor sie eine Erbschaft ausschlagen oder annehmen. Sollte sich herausstellen, dass ein relevanter Irrtum vorlag, bestehen Möglichkeiten, die Entscheidung anzufechten und das Erbe doch anzunehmen.

Erkenntnisse und Empfehlungen für Erben

Der Fall zeigt, wie wichtig es ist, die Vermögensverhältnisse eines Erblassers sorgfältig zu prüfen. Ein Irrtum über den Nachlass kann fatale Folgen haben, jedoch bietet das deutsche Erbrecht durch die Möglichkeit der Anfechtung einen Ausweg. Wenn auch Sie in einer ähnlichen Situation sind oder rechtliche Fragen zum Thema Erbe haben, steht Ihnen unsere Kanzlei gerne beratend zur Seite.

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