Das Jugendamt ist eine wichtige Institution in Deutschland und spielt eine entscheidende Rolle bei der Sicherung des Wohlergehens von Kindern und Jugendlichen. Für viele Menschen ist jedoch das genaue Wirken des Jugendamts, sowie seine gesetzlichen Grundlagen, oft nicht ausreichend bekannt. In diesem umfassenden Blog-Beitrag erfahren Sie alles Wissenswerte rund um das Jugendamt und die rechtlichen Aspekte seiner Aufgaben, Rechte und Pflichten. Insbesondere gehen wir auf folgende Fragen ein:

  • Was genau ist das Jugendamt?
  • Welche gesetzlichen Grundlagen hat das Jugendamt?
  • Was sind die Hauptaufgaben des Jugendamts?
  • Was sind die Rechte und Pflichten des Jugendamts?
  • Welche Gerichtsurteile und Entwicklungen in der Rechtsprechung sind besonders relevant für das Jugendamt?

Was genau ist das Jugendamt?

Das Jugendamt ist eine staatliche Institution, die in jeder Stadt und jedem Landkreis in Deutschland vorhanden ist. Es ist eine lokale Instanz von mehreren Jugendämtern in einem Bundesland, die gemeinsam die öffentliche Jugendhilfe bilden. Ziel des Jugendamts ist es, das Wohlergehen von Kindern und Jugendlichen sowie deren Familien zu gewährleisten. Dabei ist das übergeordnete Prinzip, dass das Jugendamt „Hilfe zur Selbsthilfe“ leistet und sich an der Eigenverantwortung der Familien orientiert.

Gesetzliche Grundlagen des Jugendamts

Die rechtlichen Grundlagen für die Arbeit der Jugendämter finden sich vor allem im Achten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB VIII). Dieses Buch befasst sich mit der Kinder- und Jugendhilfe und regelt die Zuständigkeiten und Aufgaben des Jugendamts. Die wichtigsten Paragraphen im SGB VIII sind dabei:

  • § 3 – Das Wohl des Kindes oder Jugendlichen
  • § 6 – Wahrung der Interessen und Rechte
  • § 8 – Beteiligung des jungen Menschen und seiner Sorgeberechtigten
  • §§ 18 bis 27 – Hilfen zur Erziehung
  • §§ 41 bis 67 – Aufgaben des Jugendamts

Zusätzlich zu den gesetzlichen Regelungen auf Bundesebene können auch Landesgesetze und Verordnungen die Arbeit der Jugendämter beeinflussen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn Bundesländer eigene Regelungen für die Zuständigkeit von Jugendämtern in bestimmten Bereichen haben.

Hauptaufgaben des Jugendamts

Die Aufgaben des Jugendamts sind vielfältig und umfassen Aspekte des Sozial-, Familien- und Jugendrechts sowie des Kinderschutzes und der Jugendarbeit. Im SGB VIII sind über 200 verschiedene Aufgaben für das Jugendamt aufgeführt. Dabei lassen sich die Hauptaufgaben in verschiedene Bereiche unterteilen:

  • A. Förderung von Familien, jungen Menschen und Kindern
  • B. Schutz von Kindern und Jugendlichen
  • C. Maßnahmen zur Integration und Inklusion
  • D. Förderung und Unterstützung von Jugendverbänden und Jugendarbeit
  • E. Zusammenarbeit mit anderen Stellen und Institutionen

Einige der zentralen Aufgaben des Jugendamts sind:

  • Beratung und Unterstützung von (werdenden) Eltern und jungen Menschen in Fragen der Erziehung, Entwicklung und Förderung von Kindern und Jugendlichen (§ 16 SGB VIII)
  • Gewährung von Hilfen zur Erziehung (§§ 27 bis 35 SGB VIII) wie Sozialpädagogische Familienhilfe, Erziehungsbeistandschaften oder Heimerziehung
  • Ausgestaltung und Entwicklung von Tageseinrichtungen für Kinder und die Tagespflege (§ 22 bis 24 SGB VIII)
  • Unterstützung bei der Ausübung der Personensorge und dem Umgang, also beispielsweise Klärung von Sorgerechtsfragen oder Regelung des Umgangsrechts (§ 50 SGB VIII)
  • Beurteilung von Kindeswohlgefährdungen und Einleitung von Maßnahmen zum Schutz des Kindeswohls (§§ 8a und 8b SGB VIII)
  • Organisation und Durchführung von Schutzmaßnahmen im Rahmen von Inobhutnahmen (§§ 42 bis 42b SGB VIII)
  • Mitwirkung bei Adoptionen, insbesondere im Adoptionsvermittlungsverfahren (§ 50 SGB VIII)
  • Organisation und Durchführung von Maßnahmen zur Integration und Inklusion, insbesondere für junge Menschen mit Migrationshintergrund oder Behinderungen (§§ 13 und 13a SGB VIII)

Daneben hat das Jugendamt auch eine Vielzahl weiterer, oft weniger bekannter Aufgaben, wie den Entzug der Fahrerlaubnis bei Jugendlichen, die nicht für die eigenen Verstöße einstehen, die Organisation und Durchführung von Jugendgerichtshilfe oder auch die Beteiligung und Organisation von Maßnahmen zur Suchtprävention und -beratung.

Rechte und Pflichten des Jugendamts

Die Rechte und Pflichten des Jugendamts richten sich im Wesentlichen nach den gesetzlichen Vorgaben, insbesondere dem SGB VIII. Grundlegend kann man festhalten, dass das Jugendamt einerseits dem Kindeswohl verpflichtet ist, andererseits aber auch die Rechte und Pflichten der Eltern und des jungen Menschen selbst zu berücksichtigen hat. Die wichtigsten Rechte und Pflichten lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • a) Recht auf Information und Beteiligung von Kindern, Jugendlichen und Eltern (§ 8 SGB VIII)
  • b) Pflicht zur Wahrnehmung von Anzeichen für eine Kindeswohlgefährdung und zur Prüfung möglicher Schutzmaßnahmen (§ 8a SGB VIII)
  • c) Recht zur Einschaltung des Familiengerichts bei bestehenden Uneinigkeiten (§ 50 SGB VIII)
  • d) Pflicht zur Zusammenarbeit mit anderen Stellen und Institutionen, insbesondere Schulen, Polizei und Sozialleistungsträgern (§ 4 SGB VIII)
  • e) Recht zur Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen, wenn dies zum Schutz des Kindeswohls erforderlich ist (§ 42 SGB VIII)
  • f) Recht zur Erteilung von Auflagen, Weisungen und Anordnungen im Rahmen von Hilfen zur Erziehung (§ 36 SGB VIII)
  • g) Pflicht zur Finanzierung und Gewährung von Leistungen und Hilfen (§ 74 SGB VIII)
  • h) Pflicht zur Qualitätssicherung und zur Weiterentwicklung der öffentlichen Jugendhilfe (§ 79 SGB VIII)

Dabei ist es wichtig, dass das Jugendamt bei seinen Entscheidungen und Maßnahmen immer das Wohl des Kindes oder Jugendlichen als Maßstab nimmt und sich dabei an den Vorgaben des Gesetzes sowie der einschlägigen Rechtsprechung orientiert.

Aktuelle Gerichtsurteile und Entwicklungen in der Rechtsprechung

Im Folgenden stellen wir einige aktuelle und relevante Gerichtsurteile und Entwicklungen in der Rechtsprechung vor, die die Arbeit des Jugendamts betreffen:

Bundesgerichtshof: Kindeswohlgefährdung kann auch „drohend“ sein (Beschluss vom 18. April 2018 – XII ZB 589/17)

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass eine Kindeswohlgefährdung im Sinne von § 1666 BGB auch dann vorliegen kann, wenn die Gefahr noch nicht eingetreten ist, aber eine „konkrete, hinreichend wahrscheinliche“ Gefahr besteht. Damit bestätigte der BGH die Möglichkeit des Jugendamts, auch aufgrund einer drohenden Gefährdung des Kindeswohls tätig zu werden.

Bundesverfassungsgericht: Keine generelle Bevorzugung der leiblichen Eltern (Beschluss vom 24. September 2014 – 1 BvR 2926/13)

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass das Jugendamt in Sorgerechts- oder Umgangsverfahren keine generelle Bevorzugung der leiblichen Eltern vornehmen darf. Vielmehr sind die Interessen des Kindes sowie die konkreten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Dies bekräftigt die verfassungsrechtliche Bedeutung des Kindeswohls als entscheidendes Kriterium für das Handeln des Jugendamts.

Bundessozialgericht: Leistungen für Bildung und Teilhabe auch für Jugendliche (Urteil vom 8. Mai 2019 – B 4 AS 12/18 R)

Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass das Jugendamt auch für Jugendliche, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, Leistungen für Bildung und Teilhabe nach dem SGB II erbringen muss. Damit wird der Jugendarbeit eine besondere Bedeutung zugesprochen, die über die materielle Sicherung hinausgeht.

FAQs

An wen kann ich mich wenden, wenn ich Hilfe vom Jugendamt benötige?

Die örtlich zuständige Dienststelle des Jugendamts ist in der Regel der richtige Ansprechpartner, wenn Sie Hilfe für sich oder Ihr Kind benötigen. Sie können sich auch an Fachberatungsstellen oder an das bundesweite Kinder- und Jugendtelefon wenden, um sich unabhängig beraten zu lassen. Bei akuten Fällen von Kindeswohlgefährdung, also wenn Sie den Eindruck haben, dass ein Kind in unmittelbarer Gefahr ist, sollten Sie umgehend die Polizei oder das Jugendamt informieren.

Wie kann das Jugendamt im Rahmen der Hilfen zur Erziehung tätig werden?

Die Hilfen zur Erziehung setzen voraus, dass die betroffenen Eltern oder jungen Menschen selbst einen entsprechenden Bedarf haben und diesen bei der zuständigen Jugendamtsdienststelle anmelden. Im Anschluss wird das Jugendamt prüfen, welche Maßnahmen für den Einzelfall geeignet und notwendig sind, und einen Hilfeplan erstellen. Dies kann beispielsweise eine ambulante Beratung, eine sozialpädagogische Familienhilfe oder auch eine Heimunterbringung umfassen.

Kann das Jugendamt ohne Zustimmung der Eltern ein Kind in Obhut nehmen?

Grundsätzlich ist eine Inobhutnahme gemäß § 42 SGB VIII nur mit Zustimmung der sorgeberechtigten Person möglich. Wenn jedoch eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes besteht und keine andere Hilfe zur Abwendung dieser Gefahr möglich ist, kann das Jugendamt auch gegen den Willen der Sorgeberechtigten oder des jungen Menschen handeln. In diesem Fall ist das Familiengericht jedoch unverzüglich einzuschalten, um die Rechtmäßigkeit der Inobhutnahme zu überprüfen.

Habe ich einen Rechtsanspruch auf Leistungen vom Jugendamt?

Ob und in welchem Umfang ein Rechtsanspruch auf Leistungen vom Jugendamt besteht, richtet sich nach dem Einzelfall und den gesetzlichen Vorgaben. Grundsätzlich besteht für viele Hilfen zur Erziehung, die Regelungen zur Kinder- und Jugenderholung oder auch die Leistungen für Bildung und Teilhabe ein Rechtsanspruch, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. In bestimmten Fällen kann das Jugendamt jedoch auch Ermessensleistungen erbringen, bei denen es keinen unmittelbaren Rechtsanspruch gibt.

Wer trägt die Kosten für Maßnahmen des Jugendamts?

Die Finanzierung der Maßnahmen des Jugendamts – insbesondere der Hilfen zur Erziehung – wird gemäß § 74 SGB VIII in erster Linie durch das zuständige Bundesland getragen. Je nach Einkommen und Vermögen der Eltern oder des jungen Menschen kann jedoch auch ein Kostenbeitrag erhoben werden. Dieser wird nach den Vorgaben der jeweiligen Landesregelungen berechnet.

Fazit

Das Jugendamt ist eine wichtige Institution in Deutschland, die sich um das Wohl von Kindern und Jugendlichen sowie deren Familien kümmert. Die gesetzlichen Grundlagen und die zahlreichen Aufgaben des Jugendamts stellen dabei sicher, dass eine umfassende und fachgerechte Unterstützung gewährleistet ist. Dabei müssen die Rechte und Pflichten des Jugendamts immer im Einklang mit dem Wohl des Kindes stehen. Die aktuelle Rechtsprechung zeigt, dass die Arbeit des Jugendamts fortlaufend neuen Entwicklungen und Fragestellungen begegnet und sich dadurch auch ständig weiterentwickelt. Es ist daher wichtig, sich als Eltern, junge Menschen oder auch Fachkraft im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe kontinuierlich über die rechtlichen Rahmenbedingungen und Veränderungen zu informieren und dies in der täglichen Praxis zu berücksichtigen.

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