Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 8. Juni 2023 hat wesentliche Fragen bezüglich des Verbraucherschutzes und der Auslegung der Richtlinie 93/13/EWG geklärt. Es wirft einen detaillierten Blick auf die Geschäftspraktiken von Lyoness, auch bekannt als Lyconet und myWorld, und seine mögliche Klassifizierung als Schneeballsystem. Dieser Beitrag soll das Lyoness Urteil und seine Auswirkungen für Geschädigte verständlich erklären.

Richtlinie 93/13/EWG: Verbraucherschutz in der EU

Die Richtlinie 93/13/EWG des Rates zielt darauf ab, Verbraucher vor missbräuchlichen Klauseln in Verbraucherverträgen zu schützen. Sie definiert den Verbraucher als eine natürliche Person, die außerhalb ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt. Eine Klausel, die nicht im Detail ausgehandelt wurde, wird als missbräuchlich angesehen, wenn sie zu einem erheblichen Ungleichgewicht der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien führt. Im Fall von Lyoness war das Geschäftsmodell, das Cashback- und Empfehlungsmarketing beinhaltet, in verschiedenen Ländern unterschiedlich bewertet worden, wobei in einigen Fällen die Klassifizierung als Schneeballsystem vorgenommen wurde.

Der Fall: OZ gegen Lyoness Europe AG

OZ, ein Maschinenbauingenieur ohne kommerzielle oder berufliche kaufmännische Aktivität, schloss einen Mitgliedschaftsvertrag mit Lyoness Europe ab. Dieses System bietet Mitgliedern Rabatte und andere Vorteile beim Einkauf bei verbundenen Händlern. OZ beanstandete mehrere Klauseln des Mitgliedschaftsvertrags als „missbräuchlich“ und klagte vor einem rumänischen Gericht. Das Gericht wies die Klage jedoch ab.

Der Streit: Wer ist ein Verbraucher?

Das Kernproblem in diesem Fall dreht sich um die Frage, wer als „Verbraucher“ im Sinne der Richtlinie gilt. OZ argumentierte, er sei ein Verbraucher, da er nicht in einer kommerziellen oder beruflichen Tätigkeit handelte. Lyoness Europe argumentierte jedoch, dass OZ im Rahmen des Systems eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübte. Der EuGH stellte klar, dass Kunden von Lyoness nur dann keine Verbraucher sind, wenn ihre Beziehung zu Lyoness ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zuzurechnen ist.

Das Lyoness Urteil: Die Entscheidung des EuGH

Der EuGH fällte ein grundlegendes Urteil bezüglich der Interpretation der Richtlinie 93/13/EWG und der Definition eines „Verbrauchers“. Das Gericht entschied im Wesentlichen Folgendes:

  • Das Vorabentscheidungsersuchen in Bezug auf die erste Frage, ob OZ als „Verbraucher“ gelten kann, ist zulässig.
  • Zu den weiteren Fragen fehlen jedoch ausreichende Informationen und Gründe, weshalb diese unzulässig sind.
  • Die Richtlinie 93/13 gewährt Verbrauchern Schutz, unabhängig davon, ob das Recht eines Drittlandes auf den Vertrag anwendbar ist.
  • Das Gericht betonte, dass der Schutz durch die Richtlinie auf der Annahme basiert, dass der Verbraucher gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition steht.
  • Ob eine Person als „Verbraucher“ gilt, muss das nationale Gericht prüfen. Hierbei muss berücksichtigt werden, ob die Vertragsbeziehung außerhalb einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit liegt.
  • Schließlich stellte das Gericht fest, dass eine Person nicht allein durch den Erhalt bestimmter Vorteile ihre Eigenschaft als „Verbraucher“ verliert.

Was bedeutet das Lyoness Urteil für Geschädigte?

Das Lyoness Urteil hat wichtige Auswirkungen für Geschädigte. Es betont den Schutz von Verbrauchern und stellt klar, dass eine Person nicht allein durch den Erhalt von Vorteilen ihre Eigenschaft als „Verbraucher“ verliert. Dies könnte für Geschädigte, die sich gegenüber Unternehmen in einer ähnlichen Position befinden, einen erheblichen Unterschied machen. Besonders hervorzuheben ist die Tatsache, dass das Urteil auch Auswirkungen auf die Möglichkeit der Kunden hat, ihre eingezahlten Beiträge zurückzufordern. Die Kunden müssen schriftlich ihren Rücktritt einreichen, um ihren Vertrag zu annullieren und ihr Geld zurückzufordern.

Abschließende Gedanken

Das Lyoness Urteil ist ein wichtiger Meilenstein in der Interpretation der Richtlinie 93/13/EWG und in der Definition eines „Verbrauchers“. Es betont den Schutz von Verbrauchern und kann als Grundlage für zukünftige Urteile dienen. Es zeigt jedoch auch die Notwendigkeit auf, dass Kunden sich bei Fragen oder Unsicherheiten an versierte Juristen wenden, um ihre Rechte zu verstehen und zu schützen. Geschädigte sollten sich daher von einem qualifizierten Anwalt beraten lassen, um ihre Rechte in ähnlichen Fällen zu schützen.

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