Unabhängig davon, ob Sie Kläger oder Beklagter sind, kann die Vorstellung, vor Gericht zu gehen, beängstigend sein. In Konfliktsituationen bevorzugt man sicherlich den Weg einer außergerichtlichen Einigung, doch manchmal ist eine mündliche Verhandlung unvermeidlich. In dieser ausführlichen Analyse möchten wir als erfahrene Rechtsanwälte Ihnen ein Verständnis vermitteln, was es mit mündlichen Verhandlungen auf sich hat und auf was Sie sich vorbereiten sollten. Wir werden neben den verfahrensrechtlichen Grundlagen auch auf aktuelle Gerichtsurteile eingehen und die Frequently Asked Questions (FAQs) behandeln.

Inhaltsverzeichnis

  • Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung
  • Ablauf einer mündlichen Verhandlung
  • Rechtliche Grundlagen mündlicher Verhandlungen
  • Aktuelle Gerichtsurteile zum Thema mündliche Verhandlung
  • FAQs zur mündlichen Verhandlung

Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung

Die Vorbereitung auf eine mündliche Verhandlung ist ein wesentlicher Schritt, um Erfolg vor Gericht zu haben. Hier sind einige Aspekte, die man im Vorfeld bedenken sollte:

  • Aktenstudium: Lesen Sie alle relevanten Dokumente und Unterlagen gründlich durch und stellen Sie sicher, dass Sie die Vorwürfe und Argumente der Gegenseite verstehen. Sie sollten sich auch mit Ihren eigenen Argumenten und Beweismitteln vertraut machen.
  • Beweispflicht: Denken Sie daran, dass es Ihre Aufgabe ist, Ihre Behauptungen zu beweisen. Sie sollten daher alle Beweise sammeln, die Ihre Position stärken.
  • Rechtsprechung: Recherchieren Sie relevante Gerichtsurteile, um Ihre Argumente zu stützen.
  • Rechtsanwalt: Ziehen Sie einen kompetenten und erfahrenen Rechtsanwalt hinzu, um Ihre Interessen zu vertreten.
  • Vorabgespräch: Besprechen Sie mit Ihrem Rechtsanwalt das Verfahren, die möglichen Szenarien und die entsprechenden Strategien.
  • Zeugen: Identifizieren Sie mögliche Zeugen, die für Ihre Sache aussagen können, und stellen Sie sicher, dass sie sich auf ihre Aussagen vorbereiten.
  • Vollmachten: Stellen Sie gegebenenfalls notwendige Vollmachten für Ihren Rechtsanwalt aus.

Ablauf einer mündlichen Verhandlung

Eine mündliche Verhandlung gliedert sich in verschiedene Phasen:

  • Eröffnung der Verhandlung: Der Vorsitzende Richter eröffnet die Verhandlung und stellt sicher, dass alle Beteiligten anwesend und bereit sind. Zuständig für den Ablauf der mündlichen Verhandlung ist der betreffende Richter in seiner Funktion als Vorsitzender der Kammer, aber auch im Falle eines Einzelrichters im Landgericht oder in den Amtsgerichten.
  • Antragsvortrag: In der ersten Phase haben die Parteien die Möglichkeit, ihre Anträge mündlich vorzutragen. Dabei trägt zunächst der Kläger seine Klage, den Tatsachenvortrag und die Schlussfolgerungen vor und erklärt, warum er nach seiner Meinung gewinnen sollte. Anschließend trägt der Beklagte seine Einwände und Argumente vor und sagt, warum der Klageanspruch nicht besteht.
  • Erörterung der Streitsache: Beide Seiten können weitere Klage- oder Verteidigungsmittel einbringen und Argumente erörtern, die sich aus dem bisherigen Vorbringen ergeben. Sie können Fragen an den Gegner oder an etwaige Zeugen stellen. Es kann auch zu richterlichen Hinweisen kommen, die das Gericht erteilt, um Verfahrensmängel aufzuzeigen, klarzustellen oder zu beschleunigen.
  • Beweisaufnahme: Der Richter kann die Beweisaufnahme anordnen, in deren Verlauf Zeugen vernommen und Sachverständigengutachten eingeholt werden. Hierbei können die Parteien dem Richter relevante Beweisanträge stellen, die allerdings auch abgelehnt werden können, wenn sie etwa unerheblich sind oder nicht zur Wahrheitsfindung beitragen.
  • Plädoyers: Am Ende der Verhandlung haben die Parteien die Möglichkeit, nochmals zusammenfassend ihre Rechtsauffassung vorzutragen und den Vortrag der Gegenseite zu entkräften. Oftmals sind hier die Anträge und Argumente bereits ausgetauscht, sodass die Plädoyers eher eine „Zusammenfassung“ und Vertiefung der eigenen Position darstellen.
  • Urteil: Nach den Plädoyers verkündet das Gericht das Urteil, das kurz begründet wird. Die ausführliche schriftliche Begründung folgt meist später und wird den Parteien zugesandt. In der Regel wählt das Gericht eine der angebotenen Entscheidungen, es sei denn, es hält einen Vergleich für angemessen.

Rechtliche Grundlagen mündlicher Verhandlungen

Die wichtigsten rechtlichen Grundlagen der mündlichen Verhandlung finden sich in der Zivilprozessordnung (ZPO). Hier seien insbesondere folgende Vorschriften genannt:

  • § 128 ZPO (Grundsatz der mündlichen Verhandlung): Dieser legt das grundlegende Prinzip der mündlichen Verhandlung fest und stellt zugleich klar, dass das schriftliche Vorverfahren abgeschlossen sein muss, bevor die mündliche Verhandlung stattfinden kann.
  • § 129 ZPO (Protokoll über die mündliche Verhandlung): Hier werden die Anforderungen an die Protokollführung geregelt, die bei jeder mündlichen Verhandlung durchzuführen ist.
  • § 139 ZPO (Fragen, Hinweise, Vorschläge des Gerichts): Diese Norm legt fest, dass das Gericht den Parteien notwendige Fragen stellen und Hinweise geben kann, um den Sachverhalt aufzuklären und das Verfahren zu beschleunigen.
  • § 141 ZPO (Rüge von Verfahrensmängeln): Es wird erläutert, wie die Partei einen Verfahrensmangel rügen kann und welche Voraussetzungen hierfür gelten.

Aktuelle Gerichtsurteile zum Thema mündliche Verhandlung

Im Folgenden möchten wir Ihnen exemplarisch drei aktuelle Gerichtsurteile zum Thema mündliche Verhandlung präsentieren:

  • Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 04.05.2021 – XI ZR 26/20: Wesentliche Frage dieses Urteils war, ob eine Partei während der mündlichen Verhandlung nachträglich Beweisanträge stellen darf und welche Voraussetzungen dafür gegeben sein müssen. Laut BGH ist dies zulässig, wenn zuvor keine verfahrensrechtliche Möglichkeit bestand oder wenn die Partei von einem späteren Vorbringen der Gegenseite nicht hätte ausgehen können.
  • Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 14.09.2020 – II ZR 412/19: In diesem Fall hat der BGH klargestellt, dass Bürokosten eines Rechtsanwalts grundsätzlich nur ersatzfähig sind, wenn diese auf einer sachlichen Notwendigkeit beruhen. Es wurde jedoch betont, dass dies im Einzelfall vom Gericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu prüfen ist.
  • Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 25.06.2020 – IX ZR 388/19: Hier wurde entschieden, dass ein gerichtlicher Hinweis in der mündlichen Verhandlung auch dann fristgerecht erfolgt, wenn der Richter diesen erst kurz vor Ende der Verhandlung erteilt – vorausgesetzt, dass die Parteien ausreichend Gelegenheit erhalten, darauf zu reagieren.

FAQs zur mündlichen Verhandlung

Im letzten Abschnitt fassen wir einige häufig gestellte Fragen zum Thema mündliche Verhandlung zusammen und geben Ihnen Antworten darauf:

  • Wie lange dauert eine mündliche Verhandlung? Die Dauer einer mündlichen Verhandlung variiert stark und hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie z.B. der Komplexität und dem Umfang des Falles, der Anzahl der Zeugen und Sachverständigen sowie der Verfügbarkeit der Beteiligten. Sie kann sowohl wenige Stunden als auch mehrere Tage dauern.
  • Bin ich verpflichtet, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen? Normalerweise besteht die Pflicht zur Anwesenheit bei der mündlichen Verhandlung. Dennoch kann man im Einzelfall eine Vertretung beantragen, wenn wichtige Gründe vorliegen. Allerdings sollte man in diesem Fall sich auch den Rat und die Unterstützung eines qualifizierten Rechtsanwalts sichern.
  • Kann ich gegen ein Urteil nach mündlicher Verhandlung vorgehen? Ja, es besteht die Möglichkeit, gegen ein Urteil Rechtsmittel einzulegen (z. B. Berufung oder Revision) – allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen und innerhalb bestimmter Fristen.
  • Muss ich meine eigenen Anträge und Argumente vortragen oder kann das mein Rechtsanwalt tun? In der Regel wird Ihr Rechtsanwalt Ihre Interessen vertreten und in Ihrem Namen auftreten. Sie können allerdings auch persönlich Stellungnahmen abgeben oder Fragen stellen, doch ist dies eher unüblich und sollte in enger Absprache mit Ihrem Rechtsanwalt erfolgen.
  • Kann die mündliche Verhandlung ausgesetzt oder verschoben werden? Ja, das Gericht kann die mündliche Verhandlung unter bestimmten Umständen aussetzen oder verschieben, z. B. wenn einer der Beteiligten erkrankt oder wichtige Unterlagen fehlen. Eine solche Entscheidung liegt jedoch im Ermessen des Gerichts.

Abschließende Bemerkungen

Abschließend möchten wir betonen, wie wichtig es ist, sich gründlich auf eine mündliche Verhandlung vorzubereiten, um Ihre Chancen auf Erfolg zu maximieren. Schließlich ist die mündliche Verhandlung ein entscheidender Aspekt des deutschen Zivilprozesses, in der die Weichen für den weiteren Prozessverlauf und die endgültige Entscheidung gestellt werden. Durch eine gute Vorbereitung, das Studium relevanter Gesetzestexte und Gerichtsurteile sowie die Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Rechtsanwalt können Sie möglichen Unwägbarkeiten entgegenwirken und gestärkt in die Verhandlung gehen. Wir hoffen, dass Ihnen dieser ausführliche Artikel einen umfassenden Einblick in das Thema mündliche Verhandlung und dessen rechtlichen Hintergründen gegeben hat, so dass Sie gut gerüstet sind, wenn es um diesen bedeutenden Schritt im Rechtsstreit geht.

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