Rechtsanwalt kontaktiert gegnerische Partei – In vielen Situationen kommt es vor, dass ein Rechtsanwalt oder eine Anwaltskanzlei die gegnerische Partei kontaktiert, um eine Angelegenheit zu klären oder um die eigenen Interessen in einem Streit zu vertreten. Doch darf ein Anwalt dies überhaupt tun? Welche rechtlichen Grenzen gibt es und welche Kommunikationsmittel sind erlaubt? Dieser Beitrag gibt Ihnen einen umfassenden Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen zu dieser Thematik und liefert Ihnen praktische Beispiele und Checklisten, um sich in solchen Situationen rechtssicher zu bewegen.

Inhaltsverzeichnis:

  • Rechtsgrundlagen für die Kontaktaufnahme durch einen Rechtsanwalt
  • Zuständigkeit und Vertretungsbefugnis
  • Kommunikationsmittel und deren Grenzen
  • Direktkontakt als Verhandlungsstrategie
  • Ethik und professionelle Standesregeln
  • Fallstudie 1: Der Rechtsanwalt als Vermittler
  • Fallstudie 2: Kontakt trotz gegnerischen Anwalts
  • FAQ: Häufig gestellte Fragen zur Kontaktaufnahme
  • Checkliste für die Kontaktaufnahme
  • Fazit

Rechtsgrundlagen für die Kontaktaufnahme durch einen Rechtsanwalt

Grundsätzlich ist die Kontaktaufnahme eines Rechtsanwalts zur gegnerischen Partei durch die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) und die Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) geregelt. Gemäß § 43a Abs. 3 BRAO hat der Rechtsanwalt das Recht, seine Mandanten außergerichtlich, vor Gerichten oder Schiedsgerichten in ihrer Rechtsangelegenheit zu vertreten. Hierzu gehört auch die Kommunikation mit der anderen Seite, um die Interessen seines Mandanten zu wahren und zu fördern.

Zuständigkeit und Vertretungsbefugnis

Eine wichtige Voraussetzung hierfür ist, dass der Rechtsanwalt durch seinen Mandanten ordnungsgemäß bevollmächtigt ist. Hierzu ist eine schriftliche Vollmacht mit entsprechenden Vollmachtsregelungen notwendig. Ohne diese Vollmacht darf der Anwalt nicht in eigenem Namen handeln oder Rechtsgeschäfte tätigen. Andernfalls riskiert er berufsrechtliche Konsequenzen und Schadensersatzansprüche des Mandanten.

Kommunikationsmittel und deren Grenzen

Die Kontaktaufnahme mit der gegnerischen Partei geschieht meistens schriftlich, etwa durch Briefe, E-Mails oder Faxnachrichten. Grundsätzlich sind solche Kommunikationsmittel erlaubt und üblich, solange sie dem Schutz des Mandanten und der Wahrung seiner Interessen dienen. Allerdings sind bestimmte Verhaltensweisen und Kommunikationsmittel unzulässig bzw. können als unethisch oder unprofessionell angesehen werden. Dazu zählen beispielsweise:

  • Belästigung oder Nötigung der gegnerischen Partei
  • Verbreitung unwahrer oder verleumderischer Informationen
  • Verwendung einer Sprache, die als beleidigend oder herabwürdigend empfunden werden kann
  • Kommunikation über soziale Medien, falls der gegnerische Mandant dies nicht ausdrücklich wünscht oder zustimmt

Direktkontakt als Verhandlungsstrategie

In einigen Fällen ist es für einen Rechtsanwalt sinnvoll und taktisch klug, direkt mit der Gegenseite zu sprechen, etwa um eine Einigung zu erzielen oder um Klarheiten zu schaffen. In solchen Situationen sollte der Rechtsanwalt jedoch immer respektvoll und sachlich agieren, um den gegnerischen Mandanten nicht vor den Kopf zu stoßen und um weiterhin eine professionelle Gesprächsatmosphäre sicherzustellen.

Ethik und professionelle Standesregeln

Ein Rechtsanwalt muss immer die Grundprinzipien des anwaltlichen Berufsbildes beachten, darunter Unabhängigkeit, Verschwiegenheit, Integrität und Loyalität gegenüber dem Mandanten. Die Berufsordnung für Rechtsanwälte enthält zudem spezielle Standesregeln, die einzuhalten sind:

  • § 27 BORA: Persönliche Kommunikation mit dem gegnerischen Mandanten
  • § 11 BORA: Korrekte und vollständige Information des gegnerischen Mandanten
  • § 12 BORA: Verbot der Tätigkeit für mehrere Parteien mit widerstreitenden Interessen

Fallstudie 1: Der Rechtsanwalt als Vermittler

In einem Fall von Nachbarschaftsstreitigkeiten wurde ein Rechtsanwalt von einem Mandanten beauftragt, seine Interessen zu vertreten. Der Anwalt entschied sich dazu, direkt Kontakt zur gegnerischen Partei aufzunehmen, um eine einvernehmliche Lösung der Probleme zu finden. Durch konstruktive Gespräche und einen respektvollen Umgang konnte der Anwalt eine Einigung zwischen den Parteien erreichen, ohne dass ein gerichtliches Verfahren notwendig wurde.

Fallstudie 2: Kontakt trotz gegnerischen Anwalts

In einer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung hatte die gegnerische Partei ebenfalls einen Rechtsanwalt beauftragt. Dennoch entschied sich der Anwalt, direkt mit dem Gegner in Kontakt zu treten, um eine gütliche Einigung zu ermöglichen. Dabei hat der Anwalt darauf geachtet, dass er den gegnerischen Anwalt in die Kommunikation mit einbezieht und informiert hält, um keine beruflichen Standesregeln zu verletzen.

FAQ: Häufig gestellte Fragen zur Kontaktaufnahme

Lassen Sie uns Ihnen mit den häufigsten Fragen und ihren Antworten weiterhelfen.

  • Darf ein Rechtsanwalt den Arbeitgeber seines Mandanten kontaktieren?
    Ja, wenn dies zur Wahrung der Interessen des Mandanten erforderlich ist und der Mandant ihn entsprechend bevollmächtigt hat.
  • Ist es erlaubt, die gegnerische Partei anzurufen?
    Grundsätzlich ja, solange die Kommunikation respektvoll und sachlich erfolgt und das Telefonat zur Wahrung der Interessen des Mandanten dient.
  • Wie verhält man sich, wenn der Gegner bereits einen Anwalt hat?
    In solchen Fällen sollte die Kommunikation primär über den gegnerischen Anwalt erfolgen. Nur in Ausnahmefällen und bei besonderen Gründen kann auch ein direkter Kontakt zur gegnerischen Partei gerechtfertigt sein.
  • Welche Informationen muss ich als Anwalt dem Gegner mitteilen?
    Ein Rechtsanwalt ist verpflichtet, den Gegner korrekt und vollständig zu informieren und ihm die notwendigen Informationen für die Wahrung seiner eigenen Rechte zur Verfügung zu stellen. Dabei müssen allerdings die Interessen des eigenen Mandanten gewahrt bleiben.

Checkliste für die Kontaktaufnahme

  • Prüfung der Vertretungsbefugnis und Vorliegen einer ordnungsgemäßen Vollmacht
  • Auswahl des passenden Kommunikationsmittels (Brief, E-Mail, Telefon etc.)
  • Einhaltung der rechtlichen und ethischen Rahmenbedingungen (BORA, BRAO)
  • Respektvoller und sachlicher Umgang mit der gegnerischen Partei
  • Rücksichtnahme auf eventuell vorhandene Vertreter der Gegenseite (z. B. Anwälte)
  • Klare und verständliche Darstellung der eigenen Position und Forderungen
  • Offenheit für Kompromisse und Verhandlungen
  • Dokumentation der Kommunikation für eventuelle spätere Verfahren

Fazit

Ein Rechtsanwalt darf die gegnerische Partei kontaktieren, um die Interessen seines Mandanten zu vertreten und Rechtsangelegenheiten zu klären. Dabei ist es wichtig, die rechtlichen und ethischen Rahmenbedingungen einzuhalten und auf die Vertretungsbefugnis sowie die Form der Kommunikation zu achten. Durch einen respektvollen und sachlichen Umgang mit der Gegenseite lässt sich oft eine außergerichtliche Einigung erreichen und ein langwieriges Gerichtsverfahren vermeiden.

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