Der Schuldbeitritt ist ein Rechtsbegriff, der im täglichen Wirtschaftsleben eine große Anwendung findet. Er wird häufig in Vertragsverhandlungen eingesetzt, um Forderungen abzusichern oder Vertragspartnern zu ermöglichen, die Verantwortung für eine Schuld zu übernehmen oder zu teilen.

In diesem umfangreichen Blog-Beitrag werden wir uns intensiv mit dem Schuldbeitritt beschäftigen. Hierbei werden wir sowohl auf die Grundlagen und Abgrenzung zu anderen Rechtsinstituten eingehen, als auch praxisrelevante Fragen und Beispiele behandeln sowie aktuelle Urteile und Rechtsprechungen unter die Lupe nehmen. All dies wird Ihnen dabei helfen, ein besseres Verständnis für den Schuldbeitritt und seine Bedeutung im Vertragsrecht zu entwickeln.

Inhaltsverzeichnis

Grundlagen des Schuldbeitritts

Der Schuldbeitritt (auch „Schuldübernahme“ genannt) ist im deutschen Recht in den §§ 414-416 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) geregelt. Er ist eine vertragliche Vereinbarung, bei der ein neuer Schuldner (der „Beitretende“) die bestehenden Schulden eines alten Schuldners (dem „Verpflichteten“) ganz oder teilweise übernimmt.

Der Schuldbeitritt kann rechtsgeschäftlich als Vertrag zwischen den folgenden Beteiligten erfolgen:

  • dem Gläubiger (der Person, der die Schuld geschuldet wird);
  • dem Verpflichteten (der Person, die bisher die Schuld zu tragen hatte);
  • und dem Beitretenden (der Person, die nun die Schuld übernimmt).

Dabei kann der Schuldbeitritt sowohl einvernehmlich als auch einseitig erfolgen, jedoch müssen die übrigen Beteiligten von der Schuldübernahme Kenntnis haben, um wirksam zu sein.

Arten des Schuldbeitritts

Es gibt zwei Arten des Schuldbeitritts: den „beendenden“ und den „verstärkenden“ Schuldbeitritt.

  1. Beendender Schuldbeitritt: Hierbei tritt der Beitretende an die Stelle des Verpflichteten, sodass der neue Schuldner anstelle des alten haftet. Der bisherige Schuldner wird somit von der Schuld befreit, und das Vertragsverhältnis besteht fortan nur noch zwischen Gläubiger und neuem Schuldner. Dies entspricht im Wesentlichen der sogenannten „Schulderlassung“.
  2. Verstärkender Schuldbeitritt: In diesem Fall tritt der neue Schuldner neben den alten Schuldner. Beide Schuldner sind nun gegenüber dem Gläubiger verpflichtet, die Forderung zu erfüllen. Es handelt sich hierbei um eine Gesamtschuld im Sinne des § 421 BGB, bei der jeder der Schuldner die volle Schuld zu tragen hat und der Gläubiger sich aussuchen kann, von wem er die Leistung verlangen möchte. Der Gläubiger kann also sowohl vom alten als auch vom neuen Schuldner die vollständige Erfüllung der Verbindlichkeit verlangen.

Haftungsverlagerung und Haftungsverteilung

Wie bereits erwähnt, führt der Schuldbeitritt entweder zu einer Haftungsverlagerung (beendender Schuldbeitritt) oder zu einer Haftungsverteilung (verstärkender Schuldbeitritt).

Da der Schuldbeitritt ein vertragliches Rechtsgeschäft ist, kann er auch nur durch vertragliche Vereinbarungen – insbesondere durch die Willenserklärungen der beteiligten Parteien – verändert oder aufgehoben werden. Dies bedeutet im Wesentlichen, dass sowohl beim beendenden als auch beim verstärkenden Schuldbeitritt die beteiligten Schuldner und der Gläubiger grundsätzlich frei darüber entscheiden können, welche Art der Haftung sie eingehen wollen.

Haftungsverlagerung beim beendenden Schuldbeitritt

Beim beendenden Schuldbeitritt sind die Haftungsverhältnisse klar geregelt: Der alte Schuldner wird durch den Schuldbeitritt von der Schuld befreit, und der neue Schuldner ist allein zur Erfüllung der Verbindlichkeit gegenüber dem Gläubiger verpflichtet. Die Haftung wird somit vollständig vom alten auf den neuen Schuldner verlagert.

Haftungsverteilung beim verstärkenden Schuldbeitritt

Beim verstärkenden Schuldbeitritt wird die Haftung zwischen dem alten und dem neuen Schuldner aufgeteilt, wobei der rechtliche Charakter der Gesamtschuld gemäß § 421 BGB zu beachten ist. In der Praxis bedeutet dies, dass der Gläubiger sich aussuchen kann, von wem er die Erfüllung der Verbindlichkeit verlangen möchte – er kann also sowohl vom alten als auch vom neuen Schuldner verlangen, die gesamte Schuld zu begleichen.

Die Gesamtschuldner haften also nicht proportional zur Höhe ihrer vertraglich vereinbarten Beteiligung an der Schuld, sondern jeder Schuldner haftet für den gesamten Betrag („Solidarhaftung“). Dies bedeutet, dass der Gläubiger – wenn er die Erfüllung von einem der Schuldner erhalten hat – gegenüber dem anderen Schuldner keinen Anspruch mehr auf Zahlung hat, selbst wenn dieser Schuldner der Meinung ist, dass er einen geringeren Betrag hätte zahlen müssen.

Der Schuldner, der die Forderung des Gläubigers erfüllt hat, kann jedoch einen Ausgleichsanspruch gegen den anderen Schuldner geltend machen. Die Verteilung des Ausgleichsanspruchs richtet sich nach den vertraglich vereinbarten Anteilen der am Schuldbeitritt beteiligten Schuldner. Der andere Schuldner kann also nicht aus der Haftung für den gesamten Betrag entlassen werden, wenn er nicht auch seinen vertraglich vereinbarten Anteil an der Schuld beglichen hat.

Die Abgrenzung des Schuldbeitritts zu anderen Rechtsinstituten

Da der Schuldbeitritt weite Verbreitung im Wirtschaftsleben findet, lohnt es sich, ihn von
anderen verwandten Rechtsinstituten abzugrenzen. Hierzu zählen insbesondere:

Obwohl der Schuldbeitritt oft als Synonym für die Schuldübernahme verwendet wird, weist letztere tatsächlich einige Unterschiede auf. Bei der Schuldübernahme nimmt der neue Schuldner die gesamte Schuld des alten Schuldners auf sich, ohne dass dabei eine Gesamtschuld entsteht. Der alte Schuldner wird von seiner Schuld befreit, ebenso wie beim beendenden Schuldbeitritt. Der Hauptunterschied besteht jedoch darin, dass die Schuldübernahme unmittelbar zwischen dem übernehmenden Schuldner und dem Gläubiger vereinbart wird.

Die Schuldverschreibung ist ein Wertpapier, das die Verpflichtung des Schuldners zur Zahlung eines bestimmten Betrags an den Gläubiger verbrieft. Im Gegensatz zum Schuldbeitritt handelt es sich hierbei also nicht um eine vertragliche Vereinbarung zur Schuldübernahme, sondern um die Ausgabe von Wertpapieren als Mittel der Kapitalaufnahme.

Bei der Bürgschaft handelt es sich um einen Vertrag, bei dem ein Bürge gegenüber einem Gläubiger für die Erfüllung einer Verbindlichkeit eines Schuldners einsteht. Im Unterschied zum Schuldbeitritt wird der Bürge jedoch nicht selbst Schuldner der Verbindlichkeit, sondern haftet nur subsidiär für den Fall, dass der Hauptschuldner seine Schuld nicht erfüllen kann.

Der Vertrag zugunsten Dritter ist ein Vertrag, bei dem zwei Vertragsparteien (der „Versprechende“ und der „Versprechensempfänger“) einen Vertrag schließen, aus dem ein Dritter Leistungen als Begünstigter beanspruchen kann. Im Gegensatz zum Schuldbeitritt verwandelt sich hier jedoch keine bestehende Schuldverpflichtung, sondern es entsteht eine neue Leistungsverpflichtung zugunsten des Dritten.

Die Verwendung des Schuldbeitritts in der Vertragspraxis

Der Schuldbeitritt kommt in einer Vielzahl von Vertragssituationen zur Anwendung. Einige typische Beispiele, bei denen der Schuldbeitritt eine wichtige Rolle spielt, sind:

  • Kaufverträge, bei denen der Verkäufer gegenüber dem Käufer für die Schulden des Unternehmens haftet und der Käufer diese Schuld durch Schuldbeitritt übernimmt;
  • Mietverträge, in denen ein neuer Mieter nach einer Mieterwechsel die Mietverbindlichkeiten des Vormieters übernehmen möchte;
  • Darlehensverträge, bei denen ein Dritter (beispielsweise ein Gesellschafter oder ein Familienmitglied des Schuldners) die Darlehensschuld übernehmen möchte, um den Schuldner zu entlasten;
  • öffentliche Förderprogramme, bei denen die Fördermittel mit der Auflage vergeben werden, dass der Empfänger im Falle der Insolvenz oder anderer finanzieller Schwierigkeiten für die Schulden des geförderten Projekts eintritt;
  • bei Fusionen und Übernahmen, bei de
    nen rechtliche und wirtschaftliche Risiken im Zusammenhang mit übernommenen Verbindlichkeiten abgesichert werden sollen.

Die Anwendung des Schuldbeitritts in der Vertragspraxis ist jedoch nicht auf diese Beispiele beschränkt und kann je nach konkretem Einzelfall sehr vielfältig sein.

Aktuelle Urteile und Rechtsprechungen zum Schuldbeitritt

Der Schuldbeitritt und seine verschiedenen Ausprägungen wurden in der jüngeren Vergangenheit in einer Reihe von Gerichtsurteilen thematisiert. Einige der relevantesten Urteile und ihre Bedeutung für die rechtliche Praxis sind im Folgenden zusammengefasst:

Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 12. Februar 2019 – Az. XI ZR 370/18

In diesem Urteil entschied der BGH, dass es bei der Schuldübernahme durch einen nahestehenden Dritten zur Entlassung des bisherigen Schuldners aus einer persönlichen Haftung kommen kann, wenn der Gläubiger einer Schuldübernahme in einer zuvor festgelegten Zeit nicht widerspricht. Dadurch wollte der BGH für mehr Rechtssicherheit bei Schuldübernahmen durch nahestehende Dritte sorgen, deren Rechtsnatur häufig unklar ist.

Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 12. Januar 2016 – Az. X ZR 4/15

In diesem Fall entschied der BGH, dass ein Schuldbeitritt nur wirksam ist, wenn der Gläubiger zuvor von dieser Vereinbarung Kenntnis hat. Damit wurde die bisherige Rechtsprechung bestätigt, nach der ein Schuldbeitritt entweder einvernehmlich oder einseitig erfolgen kann, die übrigen Beteiligten jedoch über die Schuldübernahme informiert sein müssen.

Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 3. Juni 2014 – Az. 4 U 222/13

Dieses Urteil behandelt die Abgrenzung von Schuldbeitritt und Schuldübernahme. Das OLG Frankfurt am Main entschied, dass eine Vereinbarung nicht als Schuldübernahme, sondern als Schuldbeitritt zu qualifizieren ist, sofern nicht eindeutig aus dem Vertrag hervorgeht, dass der neue Schuldner den alten Schuldner von der Schuld befreien soll.

Diese Entscheidungen zeigen, dass der Schuldbeitritt in der Rechtsprechung immer wieder Gegenstand von Auseinandersetzungen ist und die Praxis anhand der gesetzlichen Regelungen ständig weiterentwickelt wird.

FAQ zum Schuldbeitritt

Abschließend wollen wir einige häufig gestellte Fragen zum Schuldbeitritt und deren Antworten behandeln, um Ihnen einen umfassenden Überblick über dieses Rechtsinstitut zu geben.

Kann ein Schuldbeitritt rückgängig gemacht werden?

Generell ist ein Schuldbeitritt als vertragliche Vereinbarung grundsätzlich erst einmal bindend. Soll ein Schuldbeitritt rückgängig gemacht werden, müssen sich die beteiligten Parteien darüber einig sein und eine vertragliche Vereinbarung treffen, die den Schuldbeitritt aufhebt oder ändert. Sind sich die Parteien einig, können sie den Schuldbeitritt entsprechend abändern oder aufheben. Eine Aufhebung des Schuldbeitritts ohne Zustimmung aller Beteiligten ist hingegen nicht möglich, es sei denn, es liegt ein gesetzlicher Aufhebungsgrund (z. B. Anfechtung) vor.

Wer haftet bei einem verstärkenden Schuldbeitritt?

Bei einem verstärkenden Schuldbeitritt haften der ursprüngliche Schuldner und der beitretende neue Schuldner gemeinsam für die gesamte Schuld. Es entsteht eine Gesamtschuld im Sinne des § 421 BGB. Der Gläubiger kann von beiden Schuldnern die Erfüllung der Verbindlichkeit verlangen. Die beiden Schuldner haften also solidarisch für die gesamte Schuld, und es obliegt dem Gläubiger zu entscheiden, wen er in Anspruch nehmen möchte.

Wie wird der Schuldbeitritt dokumentiert?

Der Schuldbeitritt wird in der Regel innerhalb des schriftlichen Vertrags zwischen den beteiligten Parteien (Gläubiger, alter Schuldner und neuer Schuldner) vereinbart und dokumentiert. Die Formbedürftigkeit des Schuldbeitritts hängt von der Formbedürftigkeit des zugrunde liegenden Hauptvertrags ab: Handelt es sich bei dem Hauptvertrag um einen formfreien Vertrag, so kann auch der Schuldbeitritt grundsätzlich formfrei vereinbart werden. Bei formbedürftigen Verträgen (z. B. Grundstückskaufverträge) muss jedoch auch der Schuldbeitritt der entsprechenden Form genügen, um wirksam zu sein. Im Zweifel empfiehlt es sich, den Schuldbeitritt schriftlich zu fixieren, um Streitigkeiten über dessen Bestehen und Umfang vorzubeugen.

Was passiert, wenn der Gläubiger den Schuldbeitritt nicht akzeptiert?

Eine Schuldübernahme durch Schuldbeitritt bedarf grundsätzlich der Mitwirkung und Zustimmung des Gläubigers. Lehnt der Gläubiger den Schuldbeitritt ab, kommt dieser nicht zustande, und der ursprüngliche Schuldner bleibt alleiniger Schuldner der Forderung. Der Beitretende hat in diesem Fall keine Verbindlichkeiten gegenüber dem Gläubiger.

Insgesamt zeigt die eingehende Betrachtung des Schuldbeitritts, wie vielschichtig und bedeutsam dieses Rechtsinstitut im täglichen Wirtschafts- und Vertragsleben ist. Indem Sie sich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen, den Haftungsfragen und den verschiedenen Typen des Schuldbeitritts auseinandersetzen, können Sie in Ihrem eigenen Vertragsmanagement besser einschätzen, wann der Schuldbeitritt sinnvoll eingesetzt werden kann und welche Konsequenzen dieser mit sich bringt.

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