Als erfahrene Anwaltskanzlei ist uns bewusst, wie verwirrend und überwältigend Steuerangelegenheiten sein können. Eine Selbstanzeige kann jedoch eine effektive Lösung sein, um möglichen strafrechtlichen Konsequenzen bei steuerlichen Unregelmäßigkeiten entgegenzuwirken. In diesem umfassenden Beitrag werde ich erörtern, wann eine Selbstanzeige sinnvoll ist, wie sie abläuft und welche rechtlichen Grundlagen sie umfasst. Ich werde zudem aktuelle Gerichtsurteile vorstellen und Antworten auf häufig gestellte Fragen geben.

Einleitung in die Selbstanzeige

Bevor wir auf die Details der Selbstanzeige eingehen, sollten wir zunächst klären, was man unter einer Selbstanzeige versteht. Die Selbstanzeige bezeichnet den Vorgang, bei dem sich eine Person oder ein Unternehmen bei der zuständigen Finanzbehörde selbst anzeigt, indem steuerrechtliche Unregelmäßigkeiten offengelegt und korrigiert werden.

Das deutsche Steuerrecht sieht in § 371 Abgabenordnung (AO) die Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige vor. Ziel ist es, Steuersünder, die bisher unentdeckt geblieben sind, zur Selbstanzeige zu bewegen und somit für die Wiedergutmachung der hinterzogenen Steuern zu sorgen. Eine erfolgreiche Selbstanzeige kann daher dazu führen, dass der Steuersünder straffrei bleibt, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.

Wann ist eine Selbstanzeige sinnvoll?

Eine Selbstanzeige kann aus verschiedenen Gründen sinnvoll sein:

  • Einkünfte oder Umsätze wurden nicht oder falsch deklariert.
  • Es wurden Steuern hinterzogen, sei es durch Vorsatz oder Fahrlässigkeit.
  • Ein Steuerprüfer hat bereits eine Prüfung angekündigt, bei der nicht korrekte Angaben in Bezug auf Steuerangelegenheiten aufgedeckt werden könnten.
  • Es wurden Steuererklärungen für Vorjahre unterlassen oder fehlerhaft abgegeben.
  • Es besteht das Risiko, dass ein Dritter die steuerlichen Unregelmäßigkeiten meldet, etwa aus geschäftlichen, persönlichen oder erpresserischen Gründen.

Grundsätzlich ist es ratsam, bei steuerlichen Unregelmäßigkeiten zu prüfen, ob eine Selbstanzeige zur Strafbefreiung führen könnte. Dabei sollte jedoch stets eine individuelle Risikoabwägung erfolgen, da die Straffreiheit an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist.

Voraussetzungen für eine strafbefreiende Selbstanzeige

Um strafbefreiend zu wirken, muss die Selbstanzeige bestimmte Voraussetzungen gemäß § 371 AO erfüllen. Dazu gehören:

  • Vollständigkeit der Angaben: Alle hinterzogenen Steuern und steuerrelevanten Informationen müssen vollständig und korrekt offengelegt werden.
  • Nachentrichtung der geschuldeten Steuern: Die hinterzogenen Steuern müssen innerhalb einer von der Finanzbehörde festgesetzten Frist nachentrichtet werden, einschließlich möglicher Hinterziehungszinsen in Höhe von 6 Prozent pro Jahr.
  • Zahlung eines Zuschlags: Bei einer Hinterziehungssumme von mehr als 25.000 Euro muss der Steuerpflichtige zusätzlich einen Zuschlag von 10 Prozent der hinterzogenen Steuer entrichten. Ab 100.000 Euro hinterzogener Steuer beträgt der Zuschlag 15 Prozent und ab 1 Million Euro hinterzogener Steuer sogar 20 Prozent.
  • Kein Ausschlussgrund: Die Selbstanzeige darf nicht verspätet oder in Bezug auf ausgeschlossene Steuerstraftaten erfolgen, wie z. B. bei einer bereits eingeleiteten oder abgeschlossenen Steuerfahndungsprüfung.

Eine erfolgreiche strafbefreiende Selbstanzeige kann dann zur Vermeidung einer Strafverfolgung führen.

Der Ablauf einer Selbstanzeige

Die Selbstanzeige sollte durch den Steuerpflichtigen selbst oder durch den Bevollmächtigten, z. B. einen Rechtsanwalt oder Steuerberater, gegenüber dem zuständigen Finanzamt erklärt werden. Der Ablauf einer Selbstanzeige gestaltet sich in der Regel wie folgt:

  1. Prüfung der Voraussetzungen: Zunächst sollte eine umfassende Prüfung erfolgen, ob die Voraussetzungen für eine strafbefreiende Selbstanzeige gegeben sind.
  2. Ermittlung des Hinterziehungsumfangs: Es muss ermittelt werden, wie hoch der Umfang der hinterzogenen Steuern ist. Dies kann eine zeitaufwendige und komplexe Aufgabe sein, insbesondere wenn es sich um einen längeren Zeitraum handelt.
  3. Erstellung der Selbstanzeige: Die Selbstanzeige muss schriftlich und formlos erfolgen. Dabei sollten sämtliche steuerrelevanten Informationen und Unterlagen genannt und gegebenenfalls nachgereicht werden.
  4. Einreichung der Selbstanzeige: Die Selbstanzeige sollte persönlich, per Einschreiben oder auf elektronischem Wege beim zuständigen Finanzamt eingereicht werden.
  5. Prüfung durch das Finanzamt: Das Finanzamt prüft die vorgelegten Unterlagen und ermittelt den Nachzahlungsbetrag, inklusive der Hinterziehungszinsen und Zuschläge.
  6. Entscheidung über Straffreiheit: Abschließend wird seitens des Finanzamts geprüft, ob alle Voraussetzungen für eine strafbefreiende Wirkung erfüllt sind. Nur wenn dies der Fall ist, wird die Straffreiheit gewährt.
  7. Zahlung der geschuldeten Beträge: Der Steuerpflichtige muss die festgesetzten Beträge innerhalb der vom Finanzamt festgelegten Frist entrichten.

Es ist wichtig zu betonen, dass die Selbstanzeige den Steuerpflichtigen nicht von seinen Steuerzahlungsverpflichtungen befreit. Eine Selbstanzeige dient lediglich dazu, eine Strafverfolgung und die damit verbundenen strafrechtlichen Konsequenzen abzuwenden.

Aktuelle Gerichtsurteile zur Selbstanzeige

Im Folgenden werde ich einige aktuelle Gerichtsurteile vorstellen, die die Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit von Selbstanzeigen betreffen:

  • BFH, Urteil vom 13.02.2018, Az. VIII R 32/16: Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige nur dann eintritt, wenn die Selbstanzeige vollständig ist. Dies bedeutet, dass alle relevanten Steuerdaten und -angaben korrekt offengelegt werden müssen. Im vorliegenden Fall hatte die Steuerpflichtige unvollständige Informationen genannt und war daher nicht von strafrechtlichen Konsequenzen befreit.
  • BFH, Urteil vom 02.05.2017, Az. VIII R 36/15: Der Bundesfinanzhof entschied, dass eine fehlerhafte Selbstanzeige ihrer strafbefreienden Wirkung verlustig geht, wenn diese Fehler dazu führen, dass die Steuervorteile den Betrag von 25.000 Euro übersteigen.
  • BVerfG, Beschluss vom 19.09.2016, Az. 2 BvL 6/11: Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass die Regelungen zur Selbstanzeige verfassungsgemäß sind und somit als rechtmäßiges Instrument der Steuergerechtigkeit anzusehen sind. In dem verhandelten Fall hatte ein Steuerpflichtiger geklagt, als er nach seiner Selbstanzeige weiterhin strafverfolgt wurde. Das Gericht bestätigte jedoch die geltenden gesetzlichen Bestimmungen und wies die Klage ab.

Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Selbstanzeige

In diesem Abschnitt beantworte ich einige der häufigsten Fragen im Zusammenhang mit der Selbstanzeige:

Kann die Selbstanzeige auch bei fahrlässiger Steuerhinterziehung strafbefreiend wirken?

Ja, eine strafbefreiende Selbstanzeige kann sowohl bei vorsätzlicher als auch bei fahrlässiger Steuerhinterziehung zur Vermeidung einer Strafverfolgung führen. Allerdings sollte eine individuelle Risikoabwägung durchgeführt werden, da die strafrechtlichen Folgen im Fall einer fahrlässigen Hinterziehung oft weniger gravierend sind.

Muss die Selbstanzeige immer durch einen Rechtsanwalt oder Steuerberater erfolgen?

Nein, grundsätzlich kann die Selbstanzeige auch direkt durch den Steuerpflichtigen erfolgen. Da jedoch eine unzureichende oder fehlerhafte Selbstanzeige ihre strafbefreiende Wirkung verlieren kann, empfiehlt es sich, einen erfahrenen Rechtsanwalt oder Steuerberater hinzuzuziehen.

Gibt es eine Frist, innerhalb derer eine Selbstanzeige erfolgen muss?

Ein konkreter Zeitpunkt, bis zu dem eine Selbstanzeige abgegeben werden muss, ist gesetzlich nicht festgelegt. Nach Bekanntwerden einer Steuerstraftat oder des Verdachts einer Steuerstraftat bei der Finanzverwaltung ist jedoch keine Selbstanzeige mehr möglich, die strafbefreiend wirkt.

Welche Kosten fallen bei einer Selbstanzeige an?

Bei einer Selbstanzeige fallen neben den nachzuzahlenden Steuern und Zuschlägen gegebenenfalls auch Kosten für den Rechtsanwalt oder Steuerberater an. Diese variieren je nach Umfang und Komplexität der Selbstanzeige.

Wie lange dauert der Prozess der Selbstanzeige?

Die Dauer des Selbstanzeigeverfahrens variiert je nach Komplexität und Umfang der steuerlichen Unregelmäßigkeiten. Im Allgemeinen kann der gesamte Prozess von der Erstellung der Selbstanzeige bis zur Entscheidung des Finanzamts mehrere Monate oder sogar Jahre in Anspruch nehmen.

Alles Wissenswerte zur Selbstanzeige

Die Selbstanzeige stellt eine Möglichkeit dar, strafrechtliche Konsequenzen bei steuerlichen Unregelmäßigkeiten zu vermeiden. Diese sinnvolle Lösung sollte jedoch sorgfältig geplant und abgewogen werden, um die strafbefreiende Wirkung sicherzustellen. Die Beispiele, Gesetze und Gerichtsurteile, die ich in diesem Beitrag dargestellt habe, sollen Ihnen einen umfassenden Überblick über die strafbefreiende Selbstanzeige bieten.

Dennoch ist es ratsam, diese Fragen gemeinsam mit einem kompetenten Rechtsanwalt oder Steuerberater zu besprechen, um sicherzustellen, dass alle rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind und eine erfolgreiche Selbstanzeige durchgeführt wird. Jede steuerliche Situation und die damit verbundenen Unregelmäßigkeiten sind individuell und erfordern oft eine maßgeschneiderte Lösung. Ich hoffe, dass Ihnen dieser Beitrag dabei helfen konnte, einen grundlegenden Einblick in das Thema Selbstanzeige zu gewinnen und möglicherweise Ihren ersten Schritt in die richtige Richtung zu leiten.

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