Die Sicherungsverwahrung ist eine in Deutschland umstrittene instituionelle Praxis, die auf den Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Straftätern abzielt. In diesem umfassenden Blog-Beitrag werden wir Ihnen einen detaillierten Überblick über die Bedeutung und rechtlichen Rahmenbedingungen der Sicherungsverwahrung geben. Hierzu werden wir uns auf die gesetzlichen Grundlagen, die Voraussetzungen für die Anordnung, die Verfahrensabläufe sowie aktuelle Gerichtsurteile und Gesetzgebungsprozesse beziehen.

Einführung: Was ist Sicherungsverwahrung?

Die Sicherungsverwahrung ist eine präventive Maßregel des Strafrechts, die dazu dient, die Bevölkerung vor besonders gefährlichen Straftätern zu schützen, die nach Verbüßung ihrer Strafhaft immer noch eine erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit darstellen. Sie ist keine Strafe im eigentlichen Sinne, sondern dient der Abwehr von Gefahren und der Sicherheit der Bevölkerung. Die Unterbringung erfolgt in gesonderten Anstalten oder abgetrennten Bereichen von Justizvollzugsanstalten.

Rechtliche Grundlagen

Die Sicherungsverwahrung ist im deutschen Strafrecht (StGB) und im Strafprozessrecht (StPO) geregelt. Die Hauptvorschriften sind:

  • § 66 StGB: Sicherungsverwahrung wegen wiederholter Straftaten,
  • § 66a StGB: Sicherungsverwahrung wegen schwerster sexueller Gewalt- und schwerster Gewalttaten,
  • § 66b StGB: Sicherungsverwahrung bei Verbrechen gegen die persönliche Freiheit,
  • § 66c StGB: Sicherungsverwahrung bei Tötungsdelikten,
  • § 463 StPO: Verfahren zur Anordnung der Sicherungsverwahrung,
  • § 67c StGB: Maßregelvollzug der Sicherungsverwahrung.

Voraussetzungen für die Anordnung

Die wichtigsten Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung sind in den §§ 66 – 66c StGB geregelt und beziehen sich auf:

  • drei oder mehr schweren Straftaten aus unterschiedlichen Deliktskategorien (§ 66 Abs. 1 StGB),
  • schwerste Gewalt- oder sexuelle Straftaten, wenn der Täter von einer psychiatrischen Sachverständigen Person als gefährlich eingestuft wurde (§ 66a StGB),
  • Verbrechen gegen die persönliche Freiheit (§ 66b StGB),
  • schwere Tötungsdelikte (§ 66c StGB).

Insgesamt müssen folgende allgemeine Voraussetzungen erfüllt sein, damit eine Sicherungsverwahrung angeordnet werden kann:

  • der Täter hat mehrere schwere Straftaten begangen,
  • es besteht die konkretisierte Erwartung, dass der Täter weitere erhebliche Straftaten begehen wird,
  • ein psychiatrisches Gutachten bestätigt die Gefährlichkeit des Täters,
  • das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung im Urteil oder in einem nachträglichen Beschluss an.

Verfahren und Vollzug der Sicherungsverwahrung

 Anordnung der Sicherungsverwahrung im Urteil oder in einem nachträglichen Beschluss

Die Sicherungsverwahrung kann grundsätzlich im Urteil angeordnet werden oder in einem nachträglichen Beschluss, wenn die Voraussetzungen erst nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens festgestellt werden können. Das Gericht ist dabei an das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen gebunden.

Vollzug der Sicherungsverwahrung gemäß § 67c StGB

Der Vollzug der Sicherungsverwahrung erfolgt gemäß § 67c StGB im Maßregelvollzug in besonderen Einrichtungen oder abgetrennten Bereichen von Justizvollzugsanstalten. Dabei gelten für die Unterbringung und Behandlung der Sicherungsverwahrten besondere Bestimmungen, die dem Resozialisierungsgedanken Rechnung tragen und darauf abzielen, die Gefährlichkeit der Personen zu verringern. Diese Bestimmungen beinhalten u.a.:

  • Lockerungen und Ausgestaltung des Vollzugs wie beispielsweise die Möglichkeit von Freigängen und Ausführungen,
  • die Möglichkeit zur Teilnahme an qualifizierenden Maßnahmen, wie Bildungs- oder Berufsabschlüssen,
  • die psychologische und psychiatrische Behandlung der Sicherungsverwahrten.

Verfassungs- und europarechtliche Bedenken gegen die Sicherungsverwahrung

In der Rechtsprechung, insbesondere vom Bundesverfassungsgericht und vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), wurden in der Vergangenheit verfassungs- und europarechtliche Bedenken gegen die Sicherungsverwahrung geäußert. Diese betreffen vor allem:

  • die Verhältnismäßigkeit der präventiven Freiheitsentziehung,
  • den strafrechtlichen Grundsatz „nulla poena sine lege“ (keine Strafe ohne Gesetz),
  • die Menschenwürde und das Recht auf Freiheit und Sicherheit gemäß Art. 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK).

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 4. Mai 2011 (2 BvR 2333/08, 2 BvR 2365/08) die nachträgliche Verlängerung der Sicherungsverwahrung als verfassungswidrig erklärt und eine Neuregelung gefordert. Der deutsche Gesetzgeber hat daraufhin die Sicherungsverwahrung hinsichtlich der Anforderungen an den Vollzug und der Lockerungen reformiert, um den verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben gerecht zu werden.

Aktuelle Entwicklungen: Gesetzgebung und Rechtsprechung

Die Sicherungsverwahrung ist stetig Gegenstand von Gesetzgebungsverfahren und aktueller Rechtsprechung. Insbesondere der Umgang mit sogenannten „Gefährdern“ spielt in der politischen Debatte und in der rechtlichen Praxis eine große Rolle:

  • Im Jahr 2016 trat das Gesetz zur Einführung der elektronischen Fußfessel für Sicherungsverwahrte in Kraft. Danach können Sicherungsverwahrte, die in den Genuss von Vollzugslockerungen kommen, mit einer Fußfessel überwacht werden.
  • In der aktuellen Rechtsprechung spielt auch die Frage eine Rolle, inwieweit bereits die bloße Absicht, schwere Straftaten zu begehen, ausreichend ist, um die Anordnung der Sicherungsverwahrung zu rechtfertigen.
  • Die Sicherungsverwahrung ist auch Gegenstand einer intensiven Diskussion im Rahmen der Terrorismusbekämpfung. Hierbei wird die Frage diskutiert, ob auch Personen, die als potenzielle terroristische Gefährder eingestuft werden, der Sicherungsverwahrung unterworfen werden können.

FAQs

Gilt die Sicherungsverwahrung als Strafe?

Nein, die Sicherungsverwahrung ist keine Strafe, sondern eine präventive Maßregel des Strafrechts zur Abwehr von Gefahren von der Allgemeinheit durch besonders gefährliche Straftäter.

Wie lange dauert die Sicherungsverwahrung?

Die Sicherungsverwahrung ist zeitlich grundsätzlich unbefristet. Eine Überprüfung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung erfolgt jedoch regelmäßig, um zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Fortdauer der Sicherungsverwahrung noch vorliegen. Eine Entlassung aus der Sicherungsverwahrung ist möglich, wenn die Gefährlichkeit des Sicherungsverwahrten nicht mehr besteht.

Gibt es Lockerungen und Ausgang während der Sicherungsverwahrung?

Ja, im Rahmen der Resozialisierung und der verfassungs- und europarechtlichen Anforderungen gibt es Lockerungen und Ausgangsmöglichkeiten für Sicherungsverwahrte, die individuell vom Vollzugsplan und der Gefährlichkeitseinschätzung abhängen.

Können Sicherungsverwahrte auch eine elektronische Fußfessel tragen?

Ja, seit 2016 besteht die Möglichkeit, Sicherungsverwahrte, die Vollzugslockerungen oder Ausgänge erhalten, mittels einer elektronischen Fußfessel zu überwachen.

Gibt es eine Sicherungsverwahrung für terroristische Gefährder?

Die Frage, ob auch terroristische Gefährder der Sicherungsverwahrung unterworfen werden können, ist Gegenstand einer aktuellen politischen und rechtlichen Diskussion. Eine entsprechende gesetzliche Regelung existiert derzeit nicht, denkbar ist jedoch, dass zukünftige Gesetzgebungsverfahren in diese Richtung gehen könnten.

Fazit

Die Sicherungsverwahrung ist eine wichtige präventive Maßnahme des deutschen Strafrechts, um die Bevölkerung vor besonders gefährlichen Straftätern zu schützen. Dabei spielt die Abwägung zwischen dem Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit und den Grundrechten der betroffenen Personen eine bedeutende Rolle. Die Rechtsprechung und die Gesetzgebung haben in den letzten Jahren Anpassungen vorgenommen, um den verfassungs- und europarechtlichen Anforderungen gerecht zu werden. Dennoch bleibt die Sicherungsverwahrung ein umstrittenes

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