Ein Überbau entsteht, wenn ein Bauwerk ohne Genehmigung ganz oder teilweise auf einem fremden Grundstück errichtet wurde. Dieser Blog-Beitrag setzt sich detailliert mit dem Thema Überbau auseinander, erläutert den rechtlichen Rahmen, zeigt Fallbeispiele und stellt Lösungen zur Verfügung, um Überbausituationen zu bewältigen.

Inhalt:

Rechtliche Grundlagen

Zunächst einmal sind die gesetzlichen Regelungen zum Überbau im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in den §§ 912 bis 924 BGB festgehalten. Hier ein kurzer Überblick über die Regelungen:

  • § 912 BGB: Grundstückseigentümer hat grundsätzlich Duldungspflicht.
  • § 913 BGB: Überbaudehnung und Mindestabstand.
  • § 914 BGB: Überbau ohne deutliches Hervortreten.
  • § 915 BGB: Überbau ohne Widerspruch.
  • § 916 BGB: Überbaurente.
  • § 917 BGB: Überbau durch nachträgliche Grenzänderung.
  • § 918 BGB: Abfindung in Geld.
  • § 919 BGB: Beseitigung nach Ablauf der Verjährungsfrist.
  • § 920 BGB: Gegenleistung für die Duldung eines Überbaus.
  • § 921 BGB: Überbaugrenze und Mindestabstand.
  • § 922 BGB: Erhaltung und Instandsetzung des Überbaus.
  • § 923 BGB: Nutzung des überbauten Grundstücks.
  • § 924 BGB: Rückbau bei Aufgabe des überbauten Grundstücks.

Die wichtigste Bestimmung ist § 912 BGB, welcher besagt, dass der betroffene Grundstückseigentümer, sobald ein Überbau festgestellt wird, grundsätzlich zur Duldung des Überbaus verpflichtet ist, wenn dieser nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht wurde. In diesem Fall kann er vom überbauenden Nachbarn verlangen, dass der Überbau auch ohne Beeinträchtigung des benachbarten Grundstücks wieder entfernt oder zurückgebaut wird. Allerdings besteht diese Beseitigungspflicht nur, wenn der betroffene Nachbar die Beseitigung binnen drei Jahren seit Kenntnis der Einzelheiten verlangt.

Aktuelle Gerichtsurteile

Neben der gesetzlichen Regelung gibt es zahlreiche höchstrichterliche Entscheidungen, die das Thema Überbau näher auslegen:

Fall 1: Überbau durch Terrassenplatte

Einige Beispiele für aktuelle Gerichtsurteile zum Überbau sind etwa das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 21.9.2012 (Az. V ZR 78/11), in dem es um einen Überbau durch eine Terrassenplatte ging. Im konkreten Fall wurde eine Terrassenplatte ohne Einhaltung des erforderlichen Grenzabstands auf dem Nachbargrundstück errichtet. Der BGH entschied hier, dass Terrassenplatten grundsätzlich als Überbau anzusehen sind und somit nach § 912 BGB zu dulden sind, wenn sie nicht ohne wesentliche Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks entfernt werden können.

Fall 2: Überbau aufgrund falscher Grenzvermessung

In einem anderen Fall (BGH, Urteil vom 22.3.2013, Az. V ZR 106/12) ging es um einen Überbau, der aufgrund einer fehlerhaften Grundstückseinteilung zustande gekommen war: Grundsätzlich ist der überbauende Eigentümer nach Ablauf von zehn Jahren – gerechnet ab dem Zeitpunkt, in dem er Kenntnis von der fehlerhaften Grenzvermessung erlangt hat – nicht mehr verpflichtet, den Überbau zu entfernen.

Fall 3: Überbau durch Fenster

Ein weiteres interessantes Beispiel ist die Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm vom 11.5.2018 (Az. 5 U 54/17), in dem eine Eigentümerin ein Fenster angebracht hatte, das in den Luftraum des Nachbargrundstücks ragte. Das Gericht entschied hier, dass es sich dabei um einen rechtswidrigen Überbau handelt, da die Fensteröffnung mit 33 cm in den Luftraum des benachbarten Grundstücks hineinragt. Das Gericht stellte zudem fest, dass für einen Überbau kein qualifizierter Mindestabstand erforderlich ist, sondern dass es sich bereits dann um einen rechtswidrigen Überbau handelt, wenn das Bauwerk prinzipiell auch auf dem eigenen Grundstück hätte errichtet werden können.

FAQs zum Überbau

Im Zusammenhang mit dem Thema gibt es viele Fragen, die immer wieder gestellt werden. Hier finden Sie Antworten auf einige der häufigsten Fragen:

Kann ich bei einem Überbau Schadenersatz verlangen?

Grundsätzlich ist der überbauende Nachbar verpflichtet, dem betroffenen Eigentümer Schadenersatz zu leisten. Die Höhe des Schadenersatzes richtet sich nach dem Umfang des Überbaus und den tatsächlich entstandenen Schäden.

Welche Fristen gelten für die Geltendmachung von Ansprüchen bei einem Überbau?

Bei einer Beseitigungspflicht wegen eines Überbaus muss der betroffene Nachbar die Beseitigung binnen drei Jahren seit Kenntnis der Einzelheiten verlangen (§ 919 Abs. 1 BGB). Danach besteht keine Beseitigungspflicht mehr. Für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gelten die allgemeinen Verjährungsvorschriften des § 195 BGB.

Gibt es bauliche Anforderungen für einen Überbau?

Ja, ein Überbau muss den baulichen Anforderungen genügen, die sich aus der jeweiligen Landesbauordnung ergeben. Insbesondere müssen die für das betreffende Gebiet vorgesehenen Mindestabstände eingehalten werden.

Wie kann ich einen Überbau vermeiden?

Treffen Sie vor Beginn jeglicher Bauarbeiten entsprechende Vorkehrungen, wie eine sorgfältige Prüfung der Grenzverhältnisse und ggf. eine Einholung entsprechender Genehmigungen. Darüber hinaus sollte vor Ort eine Baukontrolle durchgeführt werden, um etwaige Fehler rechtzeitig zu erkennen und korrigieren zu können.

Was passiert, wenn sich ein Überbau erst nach Fertigstellung des Bauwerks herausstellt?

Solange der Überbau nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht wurde, muss der betroffene Grundstückseigentümer ihn in der Regel dulden (§ 912 BGB). Allerdings ist der überbauende Eigentümer verpflichtet, Schadenersatz zu leisten und gegebenenfalls Überbaurente zu zahlen (§§ 916, 921 BGB).

Mögliche Lösungen

Für den Umgang mit einem Überbau stehen unterschiedliche Lösungen zur Verfügung:

Duldung und Überbaurente

Wenn der Überbau nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht wurde, muss der betroffene Nachbar ihn grundsätzlich dulden (§ 912 BGB) und kann vom überbauenden Eigentümer eine Überbaurente verlangen (§§ 916, 921 BGB). Diese kann sowohl in Form einer einmaligen Zahlung als auch in Form einer laufenden Geldrente erfolgen.

Beseitigung des Überbaus

Ist der Überbau vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht worden, kann der betroffene Nachbar auf Beseitigung des Überbaus bestehen (§ 913 BGB). Die Beseitigung muss allerdings binnen drei Jahren seit Kenntnis der Einzelheiten verlangt werden (§ 919 Abs. 1 BGB).

Schadenersatz

Unabhängig von einer Duldungspflicht kann der betroffene Nachbar Schadenersatzansprüche geltend machen (§§ 918, 923 BGB). Diese richten sich nach dem Umfang des Überbaus und den tatsächlich entstandenen Schäden.

Grenzbereinigung

In manchen Fällen kann eine nachträgliche Grenzbereinigung Abhilfe schaffen: Entweder durch eine einvernehmliche Grundstücksvermessung und das Versetzen der Grenzsteine, oder durch eine Teilungsversteigerung oder einen (lediglich rechtlichen) Grundstückstausch.

Tipps für Eigentümer und Nachbarn

Hier finden Sie einige abschließende Tipps für Grundstückseigentümer und betroffene Nachbarn:

Klärung der Grenzverhältnisse

Um Überbauten bereits im Vorfeld zu vermeiden, sollten Sie frühzeitig die Grenzverhältnisse klären und bei Unklarheiten eine Vermessung in Auftrag geben.

Kommunikation mit dem Nachbarn

Auch wenn es schwerfallen mag: Setzen Sie sich zeitnah mit Ihrem Nachbarn in Verbindung, sobald Sie einen mutmaßlichen Überbau entdeckt haben. Oft lassen sich bereits im Vorfeld Lösungen finden, die für beide Seiten akzeptabel sind.

Fachliche Unterstützung suchen

Ein erfahrener Rechtsanwalt kann Ihnen dabei helfen, Ihre rechtlichen Möglichkeiten und Ansprüche richtig einzuschätzen und durchzusetzen. Holen Sie bei Bedarf rechtlichen Rat ein.

Dokumentation

Dokumentieren Sie überbaute Flächen und die daraus resultierenden Beeinträchtigungen sorgfältig, z. B. durch Fotos, Zeugen oder Nachweise über etwaige Mietminderungen etc., um Ihre Ansprüche belegen zu können.

Vergleichsverhandlungen führen

Nicht jede Auseinandersetzung über einen Überbau muss gerichtlich geklärt werden. Führen Sie ggf. Vergleichsverhandlungen mit Ihrem Nachbarn, um zu einer für beide Seiten akzeptablen Lösung zu kommen.

Insgesamt zeigt sich, dass das Thema Überbau im Baurecht vielschichtig ist und eine genaue Kenntnis der gesetzlichen Regelungen, der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der jeweiligen Einzelfallumstände erfordert. Sollten Sie von einem Überbau betroffen sein oder selbst einen Überbau versehentlich verursacht haben, empfiehlt es sich, sich fachliche Unterstützung zu sichern und umgehend mit dem Nachbarn in Kontakt zu treten, um gemeinsam eine einvernehmliche Lösung zu finden.

Unsere Rechtsanwälte stehen Ihnen bundesweit und im deutschsprachigen Ausland zur Verfügung.

Rechtsanwalt Arthur Wilms - Kanzlei Herfurtner

Arthur Wilms | Rechtsanwalt | Associate

Philipp Franz Rechtsanwalt

Philipp Franz | Rechtsanwalt | Associate

Anwalt Wolfgang Herfurtner Hamburg - Wirtschaftsrecht

Wolfgang Herfurtner | Rechtsanwalt | Geschäftsführer | Gesellschafter

Kundenbewertungen & Erfahrungen zu Herfurtner Rechtsanwälte. Mehr Infos anzeigen.

Aktuelle Beiträge aus dem Rechtsgebiet Immobilienrecht