Als Rechtsanwälte, die sich auf das Strafrecht spezialisiert haben, erhalten wir oft Fragen zum Thema Vermögensabschöpfung. Dabei geht es um die Frage, welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen, um das unrechtmäßig erworbene Vermögen von Straftätern abzuschöpfen. In diesem umfangreichen Blogbeitrag möchten wir Ihnen einen umfassenden Überblick über die Thematik geben, aktuelle Gerichtsurteile und Gesetze betrachten und Ihre häufigsten Fragen beantworten.

Gliederung des Beitrags

  • Grundlagen der Vermögensabschöpfung
  • Gesetzliche Regelungen
  • Aktuelle Gerichtsurteile zur Vermögensabschöpfung
  • FAQs zur Vermögensabschöpfung

Grundlagen der Vermögensabschöpfung

Die Vermögensabschöpfung im Strafrecht dient dazu, die durch eine Straftat erlangten Vermögenswerte wiederzugewinnen und damit die entstandenen Vermögensnachteile für das Opfer und die öffentliche Hand auszugleichen. Vermögensabschöpfung kann in unterschiedlichen Formen erfolgen, etwa durch:

  • Einziehung von Taterträgen (§ 73 StGB)
  • Einziehung von Tatprodukten und Tatobjekten (§ 74 StGB)
  • Wertersatz bei nicht mehr vorhandenen Vermögenswerten (§ 73a StGB)
  • Abschöpfung von rechtswidrig erlangtem Vermögen (§ 111b StPO)

Die gesetzlichen Grundlagen für diese Maßnahmen sind primär im Strafgesetzbuch (StGB) und der Strafprozessordnung (StPO) zu finden. Zu unterscheiden ist die Vermögensabschöpfung von der Vermögensstrafe, welche als zusätzliche Sanktion neben etwa Freiheits- oder Geldstrafen verhängt werden kann (z.B. § 43a StGB, Einziehung).

Gesetzliche Regelungen

Die zentralen gesetzlichen Vorschriften im Bereich der Vermögensabschöpfung sind:

Einziehung von Taterträgen (§ 73 StGB)

Gemäß § 73 StGB sind Taterträge, also der Vermögensvorteil, den der Täter oder Teilnehmer aus der Tat erlangt hat, einzuziehen. Unter „Vermögensvorteil“ ist jede Bereicherung des Täters zu verstehen, die einen messbaren Vermögenszuwachs darstellt. Dies kann auch die Ersparung von Aufwendungen umfassen. Sind die Taterträge in den Vermögensverkehr übergegangen, so wird die Einziehung gegen den aktuellen Inhaber des Vermögenswertes angeordnet (§ 73 Abs. 1 S. 3 StGB).

Beispiel: Ein Kfz-Dieb stiehlt ein Auto und verkauft es anschließend weiter. Der Erlös ist der Vermögensvorteil, den der Dieb aus der Tat erlangt hat und der nach § 73 StGB eingezogen werden kann.

Einziehung von Tatprodukten und Tatobjekten (§ 74 StGB)

Tatprodukte, also Gegenstände, die durch die Straftat selbst entstanden sind, oder Tatobjekte, also Gegenstände, auf die oder mit denen die Straftat begangen wurde, können gemäß § 74 StGB eingezogen werden. Voraussetzung ist, dass die Einziehung im Interesse der Rechtspflege oder zur Gefahrenabwehr geboten ist.

Beispiel: Ein Räuber verwendet bei einer Banküberfall eine Schusswaffe. Die Waffe kann als Tatobjekt nach § 74 StGB eingezogen werden.

Wertersatz bei nicht mehr vorhandenen Vermögenswerten (§ 73a StGB)

Ist der Tatertrag nicht mehr vorhanden oder kann aus anderen Gründen eine Einziehung nicht erfolgen, kann gemäß § 73a StGB die Einziehung des Wertes des Tatertrags angeordnet werden. Hierbei wird der erlangte Vermögensvorteil in Geldwert bemessen und dieser Betrag eingezogen.

Beispiel: Ein Betrüger erlangt durch seine Taten 10.000 €. Anschließend gibt er das Geld aus. Da der Betrag nicht mehr vorhanden ist, wird gemäß § 73a StGB die Einziehung des Wertes dieses Tatertrags angeordnet.

Abschöpfung von rechtswidrig erlangtem Vermögen (§ 111b StPO)

Im Rahmen von Sicherungsmaßnahmen während des Strafverfahrens können gemäß § 111b StPO Vermögenswerte gegenstandslos gemacht werden, die voraussichtlich zur Sicherung der Einziehungsansprüche erforderlich sind. Dies dient insbesondere dazu, bei Verdacht auf erlangtes Vermögen aus Straftaten die Vollstreckung von späteren Einziehungsanordnungen zu sichern.

Übersicht über weitere gesetzliche Regelungen

  • Erweiterte Einziehung (§ 73d StGB)
  • Einziehung von Gegenständen bei Drittbeteiligung (§ 74a StGB)
  • Vermögensmanagement (§ 111o StPO)

Aktuelle Gerichtsurteile zur Vermögensabschöpfung

Die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Thema Vermögensabschöpfung ist vielfältig und betrifft unterschiedliche Aspekte der Thematik. Im Folgenden werden aktuelle wesentliche Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH) vorgestellt:

BGH, Beschluss vom 20.12.2018 – 4 StR 547/18

In diesem Beschluss befasst sich der BGH mit der Frage, wann die Einziehung von Taterträgen ausgesetzt werden kann, wenn sich die Höhe des Vermögensvorteils nicht konkret ermitteln lässt. Der BGH stellt klar, dass der Vermögensabschöpfung nach § 73 Abs. 1 StGB grundsätzlich Vorrang vor der Verhängung einer Geldstrafe hat. Die Einziehung kann jedoch ausgesetzt werden, wenn sie zu einer unverhältnismäßigen Härte für den Betroffenen führen würde.

BGH, Urteil vom 25.04.2018 – 1 StR 159/17

Der BGH setzt sich in diesem Urteil mit der Frage auseinander, inwieweit die erweiterte Einziehung nach § 73d StGB auf Vermögenswerte angewendet werden kann, die im Wege des Betäubungsmittelhandels erlangt wurden. Das Gericht stellt fest, dass die erweiterte Einziehung auch auf solche Vermögenswerte anwendbar ist, sofern der Täter im Zusammenhang mit seinen strafbaren Handlungen eine erhebliche Menge von Betäubungsmitteln in den Verkehr gebracht hat.

BGH, Urteil vom 20.06.2018 – 5 StR 635/17

Der BGH befasst sich in diesem Urteil mit der Anordnung von Wertersatz gemäß § 73a StGB und stellt klar, dass eine solche Anordnung auch dann erfolgen kann, wenn der ursprüngliche Gegenstand des Tatertrags noch vorhanden ist, der Täter jedoch nicht mehr darüber verfügen kann. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn das Tatobjekt bereits eingezogen wurde oder inzwischen dem Zugriff des Täters entzogen ist.

BGH, Beschluss vom 25.07.2017 – 1 StR 31/17

In diesem Beschluss hat der BGH sich zur Frage geäußert, ob die Einziehung des Wertersatzes nach § 73a StGB zugunsten eines Geschädigten anzuordnen ist, obwohl dieser auf zivilrechtlichem Wege seine Schadenersatzansprüche durchsetzen könnte. Der BGH stellt klar, dass eine solche Einziehung grundsätzlich zulässig ist, sofern eine Aufrechterhaltung des Vermögensvorteils unangemessen wäre.

FAQs zur Vermögensabschöpfung

Im Folgenden beantworten wir die häufigsten Fragen unserer Mandanten zum Thema Vermögensabschöpfung.

Was ist der Unterschied zwischen Vermögensabschöpfung und Vermögensstrafe?

Die Vermögensabschöpfung dient dazu, den Täter oder Teilnehmer einer Straftat in seinem Vermögen zu treffen und die durch die Tat erlangten Vermögensvorteile wiederzugewinnen. Die Vermögensstrafe hingegen dient als Zusatzstrafe, um den Täter neben einer Hauptstrafe wie Freiheits- oder Geldstrafe auch in seinem Vermögen zu bestrafen.

Kann Vermögensabschöpfung auch bei Dritten angeordnet werden?

Ja, in bestimmten Fällen kann die Vermögensabschöpfung auch bei Dritten angeordnet werden. Dies ist beispielsweise gemäß § 73 Abs. 1 S. 3 StGB möglich, wenn der Tatertrag in den Vermögensverkehr übergegangen ist und der Dritte in den Besitz des Vermögenswertes kommt. Ebenfalls ist gemäß § 74a StGB die Einziehung von Gegenständen bei Drittbeteiligung möglich.

Wer trägt die Beweislast für die Herkunft des Vermögens im Rahmen der Vermögensabschöpfung?

Grundsätzlich trägt die Staatsanwaltschaft die Beweislast für die Herkunft des Vermögens und die Erforderlichkeit der Vermögensabschöpfung. Im Rahmen der erweiterten Einziehung (§ 73d StGB) liegt jedoch eine Beweislastumkehr vor, sodass der Betroffene nachweisen muss, dass die Vermögenswerte aus legalen Quellen stammen.

Ist die Einziehung von Vermögenswerten auch bei bereits verjährten Taten möglich?

Die Einziehung von Vermögenswerten bei verjährten Taten ist nur möglich, wenn die Verfolgungsverjährung noch nicht eingetreten ist. Ist dies der Fall, so kann die Einziehung unabhängig von der Vollstreckungsverjährung angeordnet werden (ergibt sich aus der Systematik der §§ 73 ff., 76a StGB und § 459 StPO).

Ist eine Anfechtung der Vermögensabschöpfung möglich?

Ja, gegen die Anordnung einer Vermögensabschöpfung kann der Betroffene Rechtsmittel einlegen, insbesondere Revision zum BGH (vgl. §§ 333, 335 StPO). Über das Rechtsmittel entscheidet dasjenige Gericht, das über die Vermögensabschöpfung entschieden hat. Soweit die Vermögensabschöpfung selbständig, d.h. ohne Verurteilung oder Einstellung des Verfahrens gegen den Betroffenen angeordnet wurde, kommt die Beschwerde gemäß § 464 Abs. 3 StPO in Betracht.

Fazit

Die Vermögensabschöpfung im Strafrecht ist ein komplexes Thema, das sowohl Täter als auch Opfer betrifft und von einem erfahrenen Rechtsanwalt berücksichtigt werden sollte. Wichtig ist hierbei die Kenntnis der aktuellen Gesetzeslage und Rechtsprechung sowie die individuelle Betrachtung des Einzelfalls. Wir hoffen, dass Ihnen dieser Blogbeitrag einen guten Überblick über das Thema Vermögensabschöpfung gegeben hat und stehen Ihnen als kompetenter Ansprechpartner im Bereich des Strafrechts zur Seite. Sollten Sie weitere Fragen oder Beratungsbedarf haben, zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren.

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