Arbeitsunfähigkeit kann unerwartet eintreten und einen wesentlichen Einfluss auf die Lebenssituation eines Arbeitnehmers haben. Doch welche Rechte und Pflichten haben Arbeitnehmer in einem solchen Fall? In diesem Blog-Beitrag werden wir uns umfassend und detailliert mit dem Thema auseinandersetzen und dabei rechtliche, gesetzliche und praktische Aspekte beleuchten, um ein klares Verständnis Ihrer Rechte und Pflichten als Arbeitnehmer zu bieten.

Gesetzliche Grundlagen

Betriebliche Regelungen und Gesetze legen fest, wie Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Falle von Arbeitsunfähigkeit miteinander umgehen sollen. Sie bilden die rechtliche Grundlage für die Rechte und Pflichten von Arbeitnehmern bei Arbeitsunfähigkeit.

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

  • § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG): Arbeitnehmer haben Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer von sechs Wochen, wenn sie arbeitsunfähig sind und dies nicht selbst verschuldet haben.
  • § 4 EntgFG: Arbeitnehmer erhalten von der Krankenkasse Krankengeld nach sechs Wochen Arbeitsunfähigkeit.

Meldepflichten bei Arbeitsunfähigkeit

  • § 5 EntgFG: Arbeitnehmer müssen ihren Arbeitgeber unverzüglich über ihre Arbeitsunfähigkeit und die voraussichtliche Dauer informieren.
  • § 5 Abs. 1 EntgFG: Zur Glaubhaftmachung der Arbeitsunfähigkeit kann der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung vorlegen, spätestens jedoch am 4. Tag der Arbeitsunfähigkeit.

Kündigungsschutz im Falle von Arbeitsunfähigkeit

  • § 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG): Arbeitnehmer haben Kündigungsschutz, wenn sie länger als sechs Monate im Betrieb beschäftigt sind und der Betrieb mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt.
  • § 168 Sozialgesetzbuch (SGB) IX: Schwerbehinderte Menschen genießen einen besonders starken Kündigungsschutz.

Arbeitnehmerrechte bei Arbeitsunfähigkeit

Es ist wichtig, Ihre Rechte als Arbeitnehmer im Falle von Arbeitsunfähigkeit zu kennen. Diese beinhalten:

Entgeltfortzahlung

Arbeitnehmer haben Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer von sechs Wochen, wenn sie arbeitsunfähig sind und dies nicht selbst verschuldet haben. Nach Ablauf dieser Frist zahlt die Krankenkasse Krankengeld.

Kündigungsschutz

Arbeitnehmer, die dem Kündigungsschutzgesetz unterliegen, können nicht aufgrund von Arbeitsunfähigkeit gekündigt werden, wenn sie ihre Meldepflichten einhalten. Schwerbehinderte Arbeitnehmer genießen einen besonderen Kündigungsschutz.

Flexible Arbeitsgestaltung

Einige Arbeitgeber bieten flexible Arbeitszeitmodelle oder Home-Office-Möglichkeiten an, die es Arbeitnehmern ermöglichen, ihre Arbeit trotz vorübergehender Beeinträchtigung fortzusetzen. Generell sollte im Gespräch mit dem Arbeitgeber gemeinsam überlegt werden, welche Gestaltungsmöglichkeiten es gibt, um die Arbeitsunfähigkeit bestmöglich zu bewältigen.

Arbeitnehmerpflichten bei Arbeitsunfähigkeit

Im Falle der Arbeitsunfähigkeit müssen Arbeitnehmer ihre vertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen erfüllen. Dazu zählen:

Informationspflicht

Arbeitnehmer müssen ihren Arbeitgeber unverzüglich über ihre Arbeitsunfähigkeit informieren, sowie die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit.

Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung

Zur Glaubhaftmachung der Arbeitsunfähigkeit hat der Arbeitnehmer spätestens am 4. Tag der Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen. Auf Verlangen des Arbeitgebers kann eine solche Bescheinigung auch früher verlangt werden.

 Verhalten während der Arbeitsunfähigkeit

Arbeitnehmer sollten sich während der Arbeitsunfähigkeit darauf konzentrieren, wieder gesund zu werden. Sie dürfen keine Tätigkeiten ausüben, die ihre Gesundheit gefährden oder den Genesungsprozess verzögern können.

Aktuelle Gerichtsurteile über Arbeitsunfähigkeit

Urteil des Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 14. November 2012 – 5 AZR 886/11

In diesem Urteil entschied das BAG, dass fast jeder Arbeitnehmer Anspruch auf sechs Wochen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall pro Arbeitsjahr hat, selbst wenn er in einem früheren Arbeitsjahr bereits einmal sechs Wochen arbeitsunfähig war. Die sechs Wochen Entgeltfortzahlung sind also nicht pro Krankheit, sondern pro Arbeitsjahr zu gewähren.

Urteil des Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 25. Oktober 2017 – 5 AZR 732/16

Das BAG entschied in diesem Fall, dass der Arbeitgeber die ärztliche Bescheinigung bei berechtigten Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers bereits ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit verlangen darf. Es gibt keine gesetzliche Regelung, die dies verbietet.

Urteil des Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 21. September 2011 – 5 AZR 629/10

Das BAG hat in diesem Urteil klargestellt, dass ein Arbeitnehmer bei Arbeitsunfähigkeit nicht verpflichtet ist, Erreichbarkeit für den Arbeitgeber sicherzustellen. Der Arbeitnehmer hat jedoch die Pflicht, die Arbeitsunfähigkeit und ihre voraussichtliche Dauer unverzüglich dem Arbeitgeber mitzuteilen.

Häufig gestellte Fragen (FAQs) zur Arbeitsunfähigkeit

Was ist eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, und welche Informationen sollte sie enthalten?

Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) ist eine ärztliche Bescheinigung, die bestätigt, dass ein Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen seiner Tätigkeit nicht nachgehen kann. Die AU sollte die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit, die Diagnose und die Art der Arbeitsunfähigkeit enthalten. Sie dient zur Glaubhaftmachung der Arbeitsunfähigkeit gegenüber dem Arbeitgeber und der Krankenkasse.

Wie kann ich meine Arbeitsunfähigkeit meinem Arbeitgeber mitteilen?

Die Informationspflicht kann persönlich, telefonisch, per E-Mail oder per SMS erfolgen. Wichtig ist, dass die Mitteilung unverzüglich erfolgt, sobald die Arbeitsunfähigkeit festgestellt wurde, und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit angegeben wird.

Wie lange zahlt mein Arbeitgeber bei Arbeitsunfähigkeit mein Gehalt weiter?

Der Arbeitgeber ist gesetzlich verpflichtet, das Gehalt bei Arbeitsunfähigkeit für einen Zeitraum von sechs Wochen fortzuzahlen. Voraussetzung dafür ist, dass die Arbeitsunfähigkeit nicht selbst verschuldet ist und der Arbeitnehmer die Meldepflichten einhält.

Was passiert, wenn ich mich während der Arbeitsunfähigkeit nicht an die Verhaltensregeln halte?

Wenn ein Arbeitnehmer während der Arbeitsunfähigkeit Tätigkeiten ausübt, die den Genesungsprozess gefährden oder verzögern, kann dies arbeitsrechtliche Konsequenzen, wie zum Beispiel Abmahnungen oder Kündigungen, nach sich ziehen. Zudem kann der Anspruch auf Entgeltfortzahlung und Krankengeld gefährdet sein.

Kann ich während der Arbeitsunfähigkeit gekündigt werden?

Grundsätzlich gilt der allgemeine Kündigungsschutz auch während der Arbeitsunfähigkeit. Eine Kündigung wegen Arbeitsunfähigkeit ist somit unzulässig, solange die Meldepflichten des Arbeitnehmers eingehalten werden. Allerdings kann eine Kündigung aus anderen Gründen, wie betriebsbedingten Gründen, auch während der Arbeitsunfähigkeit erfolgen.

Praktische Beispiele zur Arbeitsunfähigkeit

Beispiel 1: Ein Arbeitnehmer erkrankt während seines Jahresurlaubs. Er informiert seinen Arbeitgeber unverzüglich darüber und legt eine ärztliche Bescheinigung vor. Für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit werden die Urlaubstage, die betroffen sind, nicht als Urlaubstage gewertet. Der Arbeitnehmer hat nach seiner Genesung Anspruch darauf, diese Urlaubstage nachzuholen.

Beispiel 2: Ein Arbeitnehmer ist bereits seit fünf Wochen arbeitsunfähig. In der sechsten Woche verschlechtert sich sein Zustand, und er benötigt eine weitere Woche der Arbeitsunfähigkeit. Da der Arbeitgeber für sechs Wochen Entgeltfortzahlung verpflichtet ist, erhält der Arbeitnehmer für die sechste Woche noch die Entgeltfortzahlung. Ab der siebten Woche erhält er jedoch Krankengeld von seiner Krankenkasse.

Beispiel 3: Ein Arbeitnehmer ist arbeitsunfähig und geht während dieser Zeit einer Nebentätigkeit nach, die den Gesundungsprozess nicht gefährdet. Sein Arbeitgeber erfährt davon und kündigt ihm fristlos. Die Kündigung ist unwirksam, da ein Arbeitnehmer während der Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich nicht daran gehindert ist, einer anderen Tätigkeit nachzugehen, solange diese den Gesundungsprozess nicht negativ beeinflusst.

Rechte und Pflichten bei Arbeitsunfähigkeit verstehen und anwenden

Arbeitsunfähigkeit kann jeden Arbeitnehmer treffen und stellt in solchen Situationen alle Beteiligten – Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Krankenkassen – vor Herausforderungen. Das Verständnis der gesetzlichen Grundlagen, der eigenen Rechte und Pflichten sowie aktueller Gerichtsurteile ist entscheidend, um sich während der Arbeitsunfähigkeit angemessen zu verhalten und seine Ansprüche effektiv durchzusetzen.

Die umfangreichen Informationen in diesem Blog-Beitrag sollen dazu beitragen, dass Sie als Arbeitnehmer bestmöglich auf das Thema Arbeitsunfähigkeit vorbereitet sind und im Ernstfall souverän agieren können. Bei weitergehenden rechtlichen Fragestellungen oder Unsicherheiten ist die Konsultation eines erfahrenen Rechtsanwalts ratsam, um individuelle Rechtsberatung zu erhalten.

Unsere Rechtsanwälte stehen Ihnen bundesweit und im deutschsprachigen Ausland zur Verfügung.

Rechtsanwalt Arthur Wilms - Kanzlei Herfurtner

Arthur Wilms | Rechtsanwalt | Associate

Philipp Franz Rechtsanwalt

Philipp Franz | Rechtsanwalt | Associate

Anwalt Wolfgang Herfurtner Hamburg - Wirtschaftsrecht

Wolfgang Herfurtner | Rechtsanwalt | Geschäftsführer | Gesellschafter

Kundenbewertungen & Erfahrungen zu Herfurtner Rechtsanwälte. Mehr Infos anzeigen.

Aktuelle Beiträge aus dem Rechtsgebiet Arbeitsrecht