Das Besitzmittlungsverhältnis ist ein rechtlicher Begriff, der in verschiedenen Situationen eine wichtige Rolle spielt. Als kompetenter, erfahrener Rechtsanwalt erkläre und analysiere ich in diesem Blog-Beitrag das Besitzmittlungsverhältnis, seine rechtlichen Grundlagen, Beispiele, Gesetze, aktuelle Gerichtsurteile und häufig gestellte Fragen. Ziel ist es, Ihnen ein umfassendes Verständnis der Rechte und Pflichten zu vermitteln, die sich aus dem Besitzmittlungsverhältnis ergeben.

Inhaltsverzeichnis

Definition: Was ist ein Besitzmittlungsverhältnis?

Ein Besitzmittlungsverhältnis entsteht, wenn eine Person (der sogenannte mittelbare Besitzer) eine Sache im Besitz hat, weil sie diese durch eine andere Person (den sogenannten unmittelbaren Besitzer) erhalten hat. Der unmittelbare Besitzer behält dabei den Sachherrschaft des Gegenstandes zu Gunsten des mittelbaren Besitzers aufrecht.

Der wesentliche Grundsatz eines Besitzmittlungsverhältnisses ist, dass die Sache aufgrund eines bestimmten Rechtsgrundes (z. B. Miete, Leihe, Verwahrung) dem mittelbaren Besitzer zur Verfügung gestellt wird. Der unmittelbare Besitzer ist somit auch in gewisser Weise an die Weisungen des mittelbaren Besitzers gebunden.

Rechtliche Grundlagen: Bürgerliches Gesetzbuch und andere Vorschriften

Das Besitzmittlungsverhältnis ist in Deutschland im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Es finden sich insbesondere in den §§ 868 bis 872 BGB Regelungen zum Thema. Zusätzlich existieren weitere Vorschriften im Rahmen von Spezialgesetzen, die das Besitzmittlungsverhältnis berühren.

  1. § 868 BGB: Diese Vorschrift definiert das Besitzmittlungsverhältnis und legt fest, unter welchen Bedingungen ein solches Verhältnis zustande kommt.
  2. § 869 BGB: Hieraus ergibt sich, dass durch einen Siechtum oder Todesfall des mittelbaren Besitzers dessen Erben in das Besitzmittlungsverhältnis eintreten können.
  3. § 870 BGB: Diese Norm regelt, wann ein mittelbarer Besitzer als unmittelbarer Besitzer betrachtet wird. Entscheidend ist, dass keine Einigung zwischen den Beteiligten über die Beendigung des Besitzmittlungsverhältnisses stattfindet.
  4. § 871 BGB: Hier erfahren wir, welchen Anspruch der mittelbare Besitzer gegenüber dem unmittelbaren Besitzer hat, wenn dieser die Sache an einen Dritten veräußert.
  5. § 872 BGB: Schließlich regelt diese Vorschrift, wann das Besitzmittlungsverhältnis endet, und zwar insbesondere durch den Ablauf der vereinbarten Zeit oder durch Kündigung – entweder des mittelbaren oder des unmittelbaren Besitzers.

Außerdem gibt es spezielle gesetzliche Regelungen für bestimmte Besitzmittlungsverhältnisse, beispielsweise bei Miet-, Pacht- und Leihverhältnissen, die jeweils eigene Vorschriften im BGB haben.

Besitzmittlungsverhältnis in der Praxis: Beispiele

Ein Besitzmittlungsverhältnis tritt in vielen alltäglichen Situationen auf. Im Folgenden zeige ich einige Beispiele auf:

  1. Mieter und Vermieter: Der Mieter ist unmittelbarer Besitzer, während der Vermieter mittelbarer Besitzer der gemieteten Wohnung ist.
  2. Autovermietung: Der Fahrer des Mietwagens ist unmittelbarer Besitzer und die Autovermietung (oder der tatsächliche Eigentümer des Fahrzeugs) ist mittelbarer Besitzer.
  3. Kreditgeber und Kreditnehmer: Der Kreditnehmer, der z.B. einen Gegenstand als Sicherheit hinterlegt hat, bleibt weiterhin mittelbarer Besitzer, während der Kreditgeber unmittelbarer Besitzer wird.
  4. Werkverträge: Ein Auftragnehmer, der eine Sache zur Erbringung einer Werkleistung (z.B. Reparatur, Umbau) erhält, wird unmittelbarer Besitzer, während der Auftraggeber mittelbarer Besitzer bleibt.

Rechte und Pflichten der Beteiligten

Den Beteiligten eines Besitzmittlungsverhältnisses stehen sowohl Rechte als auch Pflichten zu.

Rechte des mittelbaren Besitzers:

  1. Weisungsrecht: Der mittelbare Besitzer hat das Recht, dem unmittelbaren Besitzer Anweisungen zu geben, wie der Gegenstand zu behandeln ist (z. B. Art der Nutzung, Pflege).
  2. Herausgabeanspruch: Der mittelbare Besitzer kann vom unmittelbaren Besitzer die Herausgabe des Gegenstandes verlangen, wenn das Besitzmittlungsverhältnis endet (z. B. durch Kündigung).
  3. Ersatzanspruch: Wenn der unmittelbare Besitzer den Gegenstand beschädigt oder dessen Wert gemindert hat, kann der mittelbare Besitzer Ersatz verlangen.

Pflichten des mittelbaren Besitzers:

  1. Vertragspflichten: Der mittelbare Besitzer muss die vertraglichen Pflichten aus dem zugrunde liegenden Vertragsverhältnis (z. B. Mietvertrag) erfüllen, z. B. Zahlung von Miete, Nebenkosten oder sonstige vereinbarte Leistungen.
  2. Weisungstreue: Der mittelbare Besitzer muss die Weisungen des unmittelbaren Besitzers beachten, es sei denn, diese sind gesetzlich oder vertraglich unzulässig.

Rechte des unmittelbaren Besitzers:

  1. Recht auf Sachherrschaft: Der unmittelbare Besitzer hat das Recht, den Gegenstand tatsächlich in Besitz zu halten und über diesen im Rahmen der vereinbarten Weisungen des mittelbaren Besitzers zu verfügen.
  2. Recht auf Schutz vor Störungen: Der unmittelbare Besitzer hat das Recht, sich gegen Störungen durch Dritte (z. B. Entwendung, Beschädigung) zu wehren.

Pflichten des unmittelbaren Besitzers:

  1. Weisungstreue: Der unmittelbare Besitzer hat die Pflicht, die Anweisungen des mittelbaren Besitzers zu befolgen.
  2. Sorgfalts- und Obhutspflichten: Der unmittelbare Besitzer muss den Gegenstand behandeln und pflegen, wie es vertraglich oder gesetzlich vorgeschrieben ist.
  3. Herausgabe: Der unmittelbare Besitzer hat die Pflicht, den Gegenstand an den mittelbaren Besitzer zurückzugeben, wenn das Besitzmittlungsverhältnis endet.

Aktuelle Gerichtsurteile zum Besitzmittlungsverhältnis

Das Besitzmittlungsverhältnis ist ein häufiges Streitobjekt in gerichtlichen Verfahren. Im Folgenden stelle ich einige aktuelle Gerichtsurteile für verschiedene rechtliche Problemstellungen vor:

Fall 1: Stillhaltepflicht bei Besitzmittlungsverhältnissen (BGH, Urteil vom 27.02.2019 – XII ZR 63/18)

Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied in diesem Fall, dass ein mittelbarer Besitzer nicht verpflichtet ist, bei einer Störung durch Dritte (z. B. bei einer unrechtmäßigen Beschlagnahme) tätig zu werden, solange das Besitzmittlungsverhältnis andauert. Der mittelbare Besitzer kann jedoch später Ersatzansprüche gegenüber dem unmittelbaren Besitzer geltend machen, wenn dieser nicht ausreichend für den Schutz des Gegenstandes gesorgt hat.

Fall 2: Kein Herausgabeanspruch eines mittelbaren Besitzers bei sittenwidriger Schenkung (BGH, Urteil vom 14.11.2018 – VIII ZR 116/18)

Der BGH entschied, dass ein Herausgabeanspruch des mittelbaren Besitzers gegenüber dem unmittelbaren Besitzer ausscheiden kann, wenn die Gegenleistung für die Übereignung der Sache sittenwidrig war (z. B. wegen Wucher). In einem solchen Fall behält der ursprüngliche Besitzer den unmittelbaren Besitz trotz der schriftlichen Vereinbarung zwischen ihm und dem mittelbaren Besitzer bei.

Fall 3: Flugticket-Buchung: Stornierung und Rückerstattungsansprüche bei Besitzmittlungsverhältnis (OLG Dresden, Urteil vom 17.08.2021 – 5 U 1782/20)

Das Oberlandesgericht Dresden entschied, dass der Reisende, als mittelbarer Besitzer eines Flugtickets, im Falle einer Stornierung gegenüber dem unmittelbaren Besitzer (Reiseveranstalter) einen Rückerstattungsanspruch für den Ticketpreis und auch für eine angefallene Stornierungsgebühr hat. Dies gilt jedoch nur, wenn der unmittelbare Besitzer seiner Herausgabepflicht gegenüber dem mittelbaren Besitzer nicht nachkommt.

FAQs zum Besitzmittlungsverhältnis

Im Folgenden beantworte ich häufig gestellte Fragen zum Thema Besitzmittlungsverhältnis:

Was unterscheidet mittelbaren und unmittelbaren Besitz?

Der unmittelbare Besitzer hat tatsächliche Sachherrschaft über den Gegenstand, während der mittelbare Besitzer aufgrund eines Vertragsverhältnisses den Anspruch auf den unmittelbaren Besitz an den unmittelbaren Besitzer überträgt. Vereinfacht gesagt hat der unmittelbare Besitzer den Gegenstand in der Hand, der mittelbare Besitzer bestimmt darüber.

Kann ein mittelbarer Besitzer die Veräußerung des Gegenstandes durch den unmittelbaren Besitzer verhindern?

Grundsätzlich besteht kein absoluter Schutz gegen eine Veräußerung des Gegenstandes durch den unmittelbaren Besitzer. Der mittelbare Besitzer kann jedoch Ersatzansprüche geltend machen und ist unter Umständen berechtigt, die Rückgabe des Gegenstandes oder die Herausgabe des Erlöses aus der Veräußerung zu verlangen.

Was passiert, wenn das Besitzmittlungsverhältnis endet?

Wenn das Besitzmittlungsverhältnis endet (z. B. durch Kündigung oder Ablauf der Vertragszeit), ist der unmittelbare Besitzer grundsätzlich verpflichtet, den Gegenstand an den mittelbaren Besitzer herauszugeben. Dabei sind die vertraglichen und gesetzlichen Regelungen zu berücksichtigen.

Können beide Parteien das Besitzmittlungsverhältnis kündigen?

Grundsätzlich kann sowohl der mittelbare als auch der unmittelbare Besitzer das Besitzmittlungsverhältnis kündigen. In einzelnen Fällen können jedoch vertragliche Regelungen oder gesetzliche Bestimmungen die Kündigung einschränken oder ausschließen.

Besteht ein Besitzmittlungsverhältnis auch bei Leasingverträgen?

Ja, auch bei Leasingverträgen besteht in der Regel ein Besitzmittlungsverhältnis. Der Leasingnehmer ist unmittelbarer Besitzer des Fahrzeugs oder der sonstigen Sache, der Leasinggeber ist mittelbarer Besitzer.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Besitzmittlungsverhältnis ein juristisches Konstrukt ist, das in vielen alltäglichen Situationen relevant ist. Es regelt die rechtlichen Beziehungen zwischen mittelbarem und unmittelbarem Besitzer und umfasst sowohl Rechte als auch Pflichten der beteiligten Parteien. Sowohl im zivilrechtlichen als auch im öffentlichen Recht stellen sich hierbei interessante und komplexe Fragestellungen, die geklärt und verstanden sein wollen.

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