Erreichbarkeit während Krankheit – In der modernen Arbeitswelt ist es häufig üblich, dass Arbeitnehmer auch außerhalb der regulären Arbeitszeiten erreichbar sind – doch was passiert, wenn man krankgeschrieben ist? In diesem Beitrag werden wir erörtern, inwieweit die Erreichbarkeit während der Krankheit zum Problem werden kann, welche gesetzlichen Regelungen es gibt und wie Sie als Arbeitnehmer und Arbeitgeber in solchen Situationen angemessen handeln können. Wir werden dabei auch auf Praxisbeispiele, Fallstudien und FAQs eingehen, um Ihnen ein umfassendes Bild der Thematik zu vermitteln.

Inhaltsverzeichnis:

  • Grundlagen: Krankmeldung und Entgeltfortzahlung
  • Erreichbarkeit während der Arbeitsunfähigkeit – gesetzliche Vorgaben
  • Auswirkungen der Erreichbarkeit auf die Genesung
  • Kommunikation zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber
  • Tipps für Arbeitnehmer
  • Tipps für Arbeitgeber
  • Fallstudie: Das Ausmaß der Erreichbarkeit während der Krankheit
  • FAQs: Häufig gestellte Fragen zur Erreichbarkeit während der Krankheit

Grundlagen: Krankmeldung und Entgeltfortzahlung

Bevor wir uns mit der Erreichbarkeit während der Krankheit befassen, ist es wichtig, die Grundlagen des Krankmeldungsprozesses und der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu verstehen. Laut § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) muss der Arbeitnehmer im Krankheitsfall unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern, den Arbeitgeber darüber informieren und ein ärztliches Attest vorlegen.

Der Arbeitgeber hat dann gemäß § 3 EntgFG die Pflicht, für bis zu sechs Wochen den Lohn oder das Gehalt fortzuzahlen, sofern der Arbeitnehmer die notwendigen Voraussetzungen erfüllt. Dazu zählt in erster Linie die bereits angesprochene unverzügliche Krankmeldung und die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit, die der behandelnde Arzt ausstellt.

Erreichbarkeit während der Arbeitsunfähigkeit – gesetzliche Vorgaben

Die gesetzlichen Regelungen zur Erreichbarkeit während der Krankheit sind nicht direkt im Gesetz verankert. Dies liegt daran, dass es generell keine Verpflichtung zur Erreichbarkeit gibt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Arbeitgeber grundsätzlich keinen Anspruch darauf hat, den Arbeitnehmer während der Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit zu kontaktieren oder von ihm verlangen kann, dass dieser für berufliche Angelegenheiten erreichbar ist.

Die Rechtsprechung hat in diesem Zusammenhang bereits entschieden, dass der Arbeitnehmer während seiner Arbeitsunfähigkeit gerade keine Arbeitsleistung schuldet, sondern die notwendige Ruhe und Zeit zur Genesung erhalten soll. Eine Erreichbarkeitspflicht würde dieser Zielsetzung widersprechen und somit die Genesung beeinträchtigen.

Allerdings gibt es in der Praxis auch Ausnahmesituationen, in denen der Arbeitnehmer auf freiwilliger Basis für den Arbeitgeber erreichbar sein kann. Solche Ausnahmen betreffen in der Regel dringende persönliche oder dienstliche Angelegenheiten, die keine wesentlichen Auswirkungen auf die Genesung haben.

Auswirkungen der Erreichbarkeit auf die Genesung

Die Erreichbarkeit während der Krankheit kann für den Arbeitnehmer negative Folgen für die eigene Genesung haben. Der ständige Kontakt zu beruflichen Angelegenheiten kann dazu führen, dass sich der Arbeitnehmer nicht ausreichend erholen kann und der Genesungsprozess verlangsamt wird oder gar zum Stillstand kommt.

Experten sind sich einig, dass Stress im Berufsleben und ständige Erreichbarkeit zu psychischen oder psychosomatischen Belastungen führen können, die eine Verschlechterung der Gesundheit zur Folge haben können. Die rechtliche Grundlage hierfür ist im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verankert, welches den Arbeitgeber dazu verpflichtet, Benachteiligungen und Belastungen von Arbeitnehmern zu verhindern oder zumindest abzumildern.

Kommunikation zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber

Für beide Seiten ist eine klare und offene Kommunikation wichtig, um mögliche Missverständnisse zu vermeiden. Der Arbeitnehmer sollte dem Arbeitgeber gegenüber deutlich machen, wenn er während einer Krankheit nicht erreichbar sein möchte und keine beruflichen Angelegenheiten klären kann.

Der Arbeitgeber sollte hingegen ebenfalls respektieren, dass seine Mitarbeiter während der Arbeitsunfähigkeit keine Leistungen schulden und in erster Linie der Genesung dienen sollen. Wenn unbedingt der Kontakt erforderlich ist, sollte dies im Einvernehmen mit dem jeweiligen Mitarbeiter geschehen und nicht als Forderung oder Zwang seitens des Arbeitgebers auftreten.

Tipps für Arbeitnehmer

  • Informieren Sie Ihren Arbeitgeber unverzüglich und vollständig, wenn Sie krank sind.
  • Legen Sie rechtzeitig Ihr Attest vor. Verdeutlichen Sie, dass Sie während der Krankheit nicht erreichbar sein möchten.
  • Bedenken Sie, dass eine ständige Erreichbarkeit während der Krankheit Ihrer Genesung schaden kann. Grenzen Sie sich bewusst ab und nehmen Sie sich die notwendige Zeit zur Erholung.
  • Kommunizieren Sie offen und ehrlich mit Ihrem Arbeitgeber, wenn es darum geht, wie er Sie während Ihrer Krankheit unterstützen kann.

Tipps für Arbeitgeber

  • Akzeptieren Sie die gesetzlichen Vorgaben und respektieren Sie die Genesungszeit Ihres Mitarbeiters.
  • Üben Sie keinen Druck auf den Arbeitnehmer aus, während der Krankheit erreichbar zu sein.
  • Greifen Sie nur in Ausnahmesituationen auf den Arbeitnehmer während seiner Krankheit zurück und achten Sie darauf, dies nicht zur Regel werden zu lassen.
  • Planen Sie rechtzeitig, wie Sie den Ausfall des erkrankten Mitarbeiters kompensieren können, um zusätzliche Belastungen für den Betroffenen während seiner Krankheit zu verhindern.

Fallstudie: Das Ausmaß der Erreichbarkeit während der Krankheit

In einem konkreten Fall wandte sich eine Mandantin hilfesuchend an unsere Kanzlei, da sie während ihrer langwierigen Krankheitsphase ständig von ihrem Arbeitgeber kontaktiert wurde. Er verlangte von ihr regelmäßige Telefonate und E-Mail-Verkehr, obwohl das Attest von der behandelnden Ärztin deutlich die Arbeitsunfähigkeit bescheinigte. Unsere Kanzlei klärte die Mandantin über ihre Rechte auf und unterstützte sie in ihrem Anliegen, während ihrer Genesungszeit nicht erreichbar zu sein. Der Arbeitgeber wurde schriftlich aufgefordert, die rechtlichen Vorgaben zu beachten und auf die ständige Kontaktaufnahme während der Krankheit der Mandantin zu verzichten.

FAQs: Häufig gestellte Fragen zur Erreichbarkeit während der Krankheit

Wir haben die Antworten auf die oft gestellten Fragen hier für Sie zusammengestellt.

Bin ich verpflichtet, während der Krankheit für meinen Arbeitgeber erreichbar zu sein?

Nein, grundsätzlich besteht keine Verpflichtung, während der Arbeitsunfähigkeit für den Arbeitgeber erreichbar zu sein. Der Arbeitnehmer soll sich in dieser Zeit der Genesung widmen und keine Arbeitsleistung schulden.

Was kann ich tun, wenn mein Arbeitgeber darauf besteht, dass ich während meiner Krankheit erreichbar bin?

Informieren Sie Ihren Arbeitgeber darüber, dass es keine gesetzliche Verpflichtung zur Erreichbarkeit während der Krankheit gibt und Sie sich auf Ihre Genesung konzentrieren möchten. Sollte der Arbeitgeber weiterhin Druck ausüben, können Sie sich an einen Rechtsanwalt wenden, um Ihre Rechte durchzusetzen.

Was passiert, wenn ich aufgrund ständiger Erreichbarkeit während meiner Krankheit einen Rückfall erleide oder nicht genesen kann?

In solchen Fällen kann dies als Verletzung der Fürsorgepflicht durch den Arbeitgeber angesehen werden, was zu Schadensersatz- oder Schmerzensgeldansprüchen führen kann. Zudem kann der Arbeitgeber unter bestimmten Umständen wegen Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz haftbar gemacht werden. Bei weiteren Fragen oder Zweifeln ist es ratsam, sich an einen erfahrenen Rechtsanwalt zu wenden, um Ihre individuelle Situation zu besprechen.

Darf mein Arbeitgeber mich anrufen, um etwas zu klären, während ich krankgeschrieben bin?

Es gibt keine explizite gesetzliche Regelung, die den Arbeitgeber verbietet, während der Krankheit des Mitarbeiters anzurufen. Jedoch sollte dies nur in Ausnahmesituationen und mit dem Einverständnis des Arbeitnehmers geschehen. Generell hat der Arbeitnehmer das Recht, sich während der Krankheit auf seine Genesung zu konzentrieren und sollte nicht durch berufliche Anrufe oder E-Mails belästigt werden.

Wie kann ich als Arbeitgeber rechtssicher handeln, wenn ich während der Krankheit eines Mitarbeiters Informationen von ihm benötige?

Wenn es sich um dringende Angelegenheiten handelt, sollten Sie das Einverständnis Ihres Mitarbeiters einholen, bevor Sie ihn kontaktieren. Eine offene und ehrliche Kommunikation ist hierbei wichtig, um Missverständnisse zu vermeiden. Respektieren Sie die Genesungsphase Ihres Mitarbeiters und greifen Sie nur auf ihn zurück, wenn es unbedingt notwendig ist.

Ich habe während meiner Krankheit einer kurzfristigen Erreichbarkeit zugestimmt. Kann ich diese Zusage im Nachhinein widerrufen?

Grundsätzlich gilt auch hier, dass es keine gesetzliche Verpflichtung zur Erreichbarkeit gibt. Wenn Sie merken, dass die Erreichbarkeit Ihre Genesung beeinträchtigt, sollten Sie dies Ihrem Arbeitgeber offen kommunizieren und die Zusage zur Erreichbarkeit widerrufen. Sie haben das Recht, sich auf Ihre Gesundheit zu konzentrieren und sollten dies auch nutzen.

Abschließende Worte

Die Erreichbarkeit während der Krankheit ist ein sensibles Thema, das sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer gleichermaßen betrifft. Es ist wichtig, dass alle Beteiligten ihre Rechte und Pflichten kennen und offen kommunizieren, um Missverständnissen vorzubeugen.

Der Genesungsprozess des Arbeitnehmers sollte im Mittelpunkt stehen und Arbeitgeber sollten dies respektieren. Eine ständige Erreichbarkeit während der Krankheit kann negative Auswirkungen auf die Gesundheit des Arbeitnehmers haben und sollte daher vermieden werden.

Es ist daher empfehlenswert, in solchen Situationen einen erfahrenen Rechtsanwalt hinzuzuziehen, der bei Bedarf rechtliche Unterstützung und Beratung bietet.

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