Der Forderungsübergang ist ein Rechtsinstitut, das häufig missverstanden und übersehen wird. Als erfahrener Rechtsanwalt möchte ich Ihnen in diesem umfangreichen Beitrag einen detaillierten Einblick in dieses Thema geben. Hier erfahren Sie mehr über die verschiedenen Aspekte, seine Anwendung in unterschiedlichen Rechtsgebieten und wie er sich auf die rechtliche Praxis auswirken kann.

Der Beitrag gliedert sich in die folgenden Abschnitte:

  • Grundlagen des Forderungsübergangs
  • Anwendungsgebiete
  • Arten und Voraussetzungen
  • Forderungsübergang im Vertragsrecht
  • Forderungsübergang im Schuldrecht
  • Der Forderungsübergang in der Insolvenzordnung
  • Der Forderungsübergang im Verfahrensrecht
  • Der Übergang im Einzelfall
  • Forderungsübergang und Datenschutz
  • FAQs

Grundlagen des Forderungsübergangs

Der Forderungsübergang bezeichnet die Übertragung einer Forderung von einer Person (dem bisherigen Gläubiger) auf eine andere Person (den neuen Gläubiger) ohne eine Änderung des Schuldners. In den meisten Fällen erfolgt der Forderungsübergang aufgrund eines rechtlichen Geschäfts, das zwischen den beiden Gläubigern geschlossen wurde.

Dabei gibt es zwei Hauptarten des Forderungsübergangs:

  • Der Rechtsübergang: Hierbei erfolgt die Übertragung der Forderung durch eine rechtliche Regelung, z.B. durch eine gesetzliche Vorschrift oder eine vertragliche Vereinbarung.
  • Der faktische Übergang: In diesem Fall wird die Forderung durch eine faktische Handlung, wie z.B. durch die Übergabe eines Wertpapiers oder die Zahlung eines Kaufpreises, übertragen.

Da der Forderungsübergang die Übertragung einer Forderung von einer Person auf eine andere Person ohne Änderung des Schuldners bedeutet, kann er auch als eine Art von „Besitzübergang“ betrachtet werden. Im Folgenden werde ich auf die Anwendungsgebiete und die Arten des Forderungsübergangs eingehen.

Anwendungsgebiete

Der Forderungsübergang kann in verschiedenen Rechtsgebieten eine Rolle spielen, unter anderem im Vertragsrecht, im Schuldrecht, im Insolvenzrecht und im Verfahrensrecht. Ich werde im Folgenden näher auf die jeweiligen Anwendungsbereiche eingehen und erklären, wie der Forderungsübergang in den einzelnen Rechtsgebieten zum Tragen kommt.

Arten und Voraussetzungen

Wie bereits erwähnt, gibt es zwei Hauptarten: den Rechtsübergang und den faktischen Übergang. Der Rechtsübergang erfolgt durch eine gesetzliche Regelung oder eine vertragliche Vereinbarung zwischen den beiden Gläubigern, während der faktische Übergang durch eine faktische Handlung, wie die Übergabe eines Wertpapiers oder die Zahlung eines Kaufpreises, erfolgt.

Die Voraussetzungen für einen wirksamen Forderungsübergang sind im Wesentlichen wie folgt:

  • Es muss eine Forderung bestehen, die übertragen werden kann.
  • Der bisherige Gläubiger muss zur Übertragung der Forderung berechtigt sein.
  • Der neue Gläubiger muss die Forderung annehmen.
  • Der Schuldner muss von dem Forderungsübergang in Kenntnis gesetzt werden und diesem zustimmen.

Forderungsübergang im Vertragsrecht

Im Vertragsrecht spielt er eine bedeutende Rolle, vor allem im Zusammenhang mit der Abtretung von Forderungen (Zession). Hierbei handelt es sich um ein Rechtsgeschäft, bei dem ein Gläubiger seine Forderungen gegenüber einem Schuldner an einen Dritten (den „Zessionar“) überträgt, der dann an seiner Stelle die Forderungen einziehen kann.

Die Abtretung von Forderungen ist in § 398 BGB geregelt und setzt voraus, dass der Zedent (der bisherige Gläubiger) seine Forderung wirksam an den Zessionar (den neuen Gläubiger) überträgt und der Schuldner die Abtretung anerkennt. Durch die Abtretung erlangt der Zessionar dieselben Rechte wie der Zedent, während der Schuldner unverändert bleibt.

Forderungsübergang im Schuldrecht

Auch im Schuldrecht kann er eine bedeutende Rolle spielen, insbesondere im Zusammenhang mit der Schuldübernahme. Hierbei handelt es sich um ein Rechtsgeschäft, bei dem ein neuer Schuldner („Übernehmer“) die Schuld eines bisherigen Schuldners („Übergeber“) übernimmt und somit an dessen Stelle als Schuldner eintritt.

Die Schuldübernahme ist in den §§ 414 ff. BGB geregelt und setzt voraus, dass der bisherige Gläubiger (der „Zedent“) seine Forderung wirksam an den neuen Gläubiger (den „Zessionar“) überträgt, der Schuldner (der „Übernehmer“) die übertragene Schuld anerkennt, und der bisherige Schuldner (der „Übergeber“) seiner Entlassung aus der Schuld zustimmt.

Der Forderungsübergang in der Insolvenzordnung

Im Insolvenzrecht ist der Forderungsübergang ebenfalls von großer Bedeutung, da er dazu beiträgt, die Interessen der Insolvenzgläubiger und des Insolvenzschuldners zu wahren und eine geordnete Befriedigung der Gläubigerforderungen zu ermöglichen. Insbesondere in den §§ 103 ff. InsO finden sich Regelungen zum Forderungsübergang.

Im Insolvenzverfahren kann es zu einem gesetzlichen Forderungsübergang kommen, wenn der Insolvenzverwalter den Anspruch auf Ersatz eines pflichtwidrig herbeigeführten Insolvenzschadens von einem früheren Geschäftsführer übernimmt (§ 104 InsO). Darüber hinaus kann im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens ein Forderungsübergang vorgesehen sein, um die beteiligten Gläubiger und den Schuldner zu entlasten und eine Sanierung des Unternehmens zu ermöglichen.

Der Forderungsübergang im Verfahrensrecht

Auch im Verfahrensrecht findet der Forderungsübergang Anwendung, insbesondere in der Zivilprozessordnung (ZPO). Hier ist der Forderungsübergang insbesondere in den §§ 265 ff. ZPO geregelt, die Regelungen für den Fall enthalten, dass während eines laufenden Gerichtsverfahrens eine Partei ihre Forderung an einen Dritten überträgt.

Der Forderungsübergang in der ZPO soll sicherstellen, dass das Verfahren trotz des Forderungsübergangs effizient und ohne unnötige Unterbrechungen fortgesetzt werden kann. Hierzu muss die übernehmende Partei (der neue Gläubiger) den Forderungsübergang dem Gericht anzeigen und die Zustimmung des Schuldners zum Forderungsübergang nachweisen. Das Gericht kann dann den Forderungsübergang insbesondere im Urteil oder im Vollstreckungstitel berücksichtigen.

Der Übergang im Einzelfall

Der Forderungsübergang kann in verschiedenen Einzelfällen eine Rolle spielen, zum Beispiel:

  • im Kaufvertrag, wenn der Käufer die Forderung des Verkäufers gegenüber einem Dritten (z. B. aus einem Werkvertrag) übernimmt;
  • im Darlehensvertrag, wenn der Darlehensnehmer die Forderung des Darlehensgebers gegenüber einem Dritten (z. B. aus einer Bürgschaft) übernimmt;
  • im Arbeitsvertrag, wenn der Arbeitnehmer die Forderung des Arbeitgebers gegenüber einem Dritten (z. B. aus einem Auftragsverhältnis) übernimmt;
  • im Erbrecht, wenn der Erbe die Forderung des Erblassers gegenüber einem Dritten (z. B. aus einem Mietverhältnis) übernimmt;
  • im Gesellschaftsrecht, wenn ein (Neu-)Gesellschafter die Forderung eines (Alt-)Gesellschafters gegenüber einem Dritten (z. B. aus einem Vertragsverhältnis) übernimmt;
  • im Unternehmenskauf, wenn der Erwerber die Forderung des Veräußerers gegenüber einem Dritten (z. B. aus einem Liefervertrag) übernimmt;
  • im Rahmen einer Betriebsübernahme, wenn der Betriebsübernehmer die Forderung des Betriebsübergängers gegenüber einem Dritten (z. B. aus einem Arbeitsverhältnis) übernimmt;
  • im Rahmen von Fusionen und Umstrukturierungen, wenn der (neue) Rechtsträger die Forderung des (alten) Rechtsträgers gegenüber einem Dritten (z.B. aus einem Vertragsverhältnis) übernimmt.

In all diesen Fällen ist es wichtig, die Voraussetzungen für einen wirksamen Forderungsübergang zu beachten und entsprechende Regelungen im Zusammenhang mit dem jeweiligen Rechtsgeschäft zu treffen.

Forderungsübergang und Datenschutz

Der Forderungsübergang ist auch unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten relevant, da bei der Übertragung einer Forderung in der Regel auch personenbezogene Daten des Schuldners und ggf. anderer beteiligter Personen (z. B. Bürgen, Sicherungsgeber) übermittelt werden müssen. Dabei sind insbesondere die Vorschriften der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zu beachten, die in Art. 6 Abs. 1 lit. b) und lit. f) DSGVO die Rechtsgrundlagen für die Verarbeitung personenbezogener Daten im Zusammenhang mit einem Forderungsübergang vorsehen.

Wichtig ist es insbesondere, den betroffenen Personen (Schuldner, Bürgen etc.) die erforderlichen Informationen gemäß Art. 13, 14 DSGVO zur Verfügung zu stellen und ihre Rechte, wie etwa das Recht auf Auskunft, Berichtigung und Löschung, zu wahren.

FAQs

Wir haben die Antworten auf die oft gestellten Fragen hier für Sie zusammengestellt.

Kann einer Abtretung von Forderungen widersprochen werden?

Grundsätzlich ist die Abtretung von Forderungen zulässig, es sei denn, sie ist gesetzlich oder vertraglich ausgeschlossen. Ein Schuldner kann in der Regel der Abtretung nur widersprechen, wenn seine berechtigten Interessen dadurch beeinträchtigt werden. Jedoch gibt es auch Forderungen, welche nicht abgetreten werden dürfen, etwa vertragliche und gesetzliche Ausschließungsgründe, die in § 399 BGB geregelt sind.

Was passiert, wenn der Forderungsübergang nichtig ist?

Ein nichtiger Forderungsübergang hat zur Folge, dass die Forderung nicht wirksam auf den neuen Gläubiger übertragen wird und somit beim ursprünglichen Gläubiger verbleibt. Der Schuldner ist in diesem Fall weiterhin zur Zahlung an den ursprünglichen Gläubiger verpflichtet.

Wie kann ein Schuldner sich schützen, wenn er von einem Forderungsübergang erfährt?

Ein Schuldner sollte zunächst prüfen, ob der Forderungsübergang wirksam ist und ob die beteiligten Parteien die erforderlichen Formalitäten eingehalten haben. Er kann verlangen, dass ihm der Abtretungsvertrag vorgelegt wird und dass ihm die Zustimmung des bisherigen Gläubigers zum Forderungsübergang nachgewiesen wird. Darüber hinaus sollte er seine Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit dem Forderungsübergang (z.B. Zahlung, Einreden, Einwendungen) sorgfältig prüfen und gegebenenfalls anwaltlichen Rat einholen.

Kann ein Schuldner die Zahlung verweigern, wenn der Forderungsübergang nicht angezeigt wurde?

Grundsätzlich kann ein Schuldner die Zahlung verweigern, wenn der Forderungsübergang nicht ordnungsgemäß angezeigt wurde. Dies beruht auf dem Grundsatz der „Leistung an den richtigen Gläubiger“, der in §§ 407 bis 409 BGB geregelt ist. Der Schuldner ist jedoch trotzdem zur Zahlung verpflichtet, wenn er vom Forderungsübergang Kenntnis hat und keine berechtigten Zweifel an dessen Wirksamkeit bestehen.

Kann ein Forderungsübergang rückabgewickelt werden?

Er kann grundsätzlich rückgängig gemacht werden, wenn die beteiligten Parteien (bisheriger Gläubiger, neuer Gläubiger und Schuldner) dem zustimmen. Eine Rückabwicklung ist jedoch nicht möglich, wenn sich bereits Rechte Dritter an der Forderung gebildet haben oder wenn der Forderungsübergang aufgrund einer gesetzlichen Regelung (z.B. Insolvenzverfahren, Erbrecht) erfolgt ist.

Wie ist der Forderungsübergang steuerlich zu behandeln?

Der Übergang selbst löst in der Regel keine steuerlichen Folgen aus, da es sich um einen rein zivilrechtlichen Vorgang handelt. Allerdings können mit dem Forderungsübergang verbundene Zahlungen (z.B. Kaufpreis, Entgelt) steuerliche Konsequenzen haben, insbesondere im Bereich der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer. Dabei sind die jeweiligen steuerlichen Regelungen und Befreiungsvorschriften zu beachten. Im Zweifel sollte anwaltlicher oder steuerlicher Rat eingeholt werden.

Wie wirkt sich der Forderungsübergang auf bestehende Sicherheiten aus?

Im Falle eines Forderungsübergangs gehen grundsätzlich auch die mit der Forderung verbundenen Sicherheiten auf den neuen Gläubiger über, es sei denn, die beteiligten Parteien haben etwas anderes vereinbart oder es besteht eine gesetzliche Regelung, die dem entgegensteht (z.B. Insolvenzrecht). Der Forderungsübergang kann jedoch auch dazu führen, dass Sicherheiten entfallen oder an Wert verlieren, insbesondere wenn die Forderung im Zusammenhang mit einer Insolvenz oder einer Betriebsübernahme übertragen wurde.

Der Forderungsübergang ist ein bedeutendes Rechtsinstitut, das in vielen verschiedenen Rechtsgebieten und Einzelfällen eine wichtige Rolle spielt. Dieser umfassende Leitfaden soll Ihnen einen fundierten Überblick über die Grundlagen, Anwendungsbereiche und rechtlichen Aspekte geben. Bei Fragen oder Zweifeln zur Anwendung in Ihrem konkreten Fall sollten Sie immer anwaltlichen Rat einholen, um Ihre Rechte und Pflichten sowie den Schutz Ihrer Interessen zu gewährleisten und möglichen Haftungsrisiken vorzubeugen.

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