Jugendliche sind eine besonders schutzbedürftige Gruppe in unserer Gesellschaft. Das Rechtssystem nimmt auf ihre Bedürfnisse besondere Rücksicht und sieht für Jugendliche besondere Regelungen vor, um sicherzustellen, dass sie vor ungerechten Strafen geschützt sind, und ihnen eine angemessene und soziale Förderung zuteil wird. Eines dieser wichtigen Instrumente ist die Jugendgerichtshilfe.

In diesem Blog-Beitrag werden wir den Begriff der Jugendgerichtshilfe im Detail untersuchen. Erfahren Sie alles über ihre Bedeutung, ihre gesetzlichen Grundlagen, aktuelle Gerichtsurteile und generelle Fragen, die zu diesem Thema auftauchen können.

Inhaltsverzeichnis

  1. Einführung in die Jugendgerichtshilfe
  2. Gesetzliche Grundlagen der Jugendgerichtshilfe
  3. Aufgaben und Ziele der Jugendgerichtshilfe
  4. Die Rolle der Jugendgerichtshilfe in verschiedenen Verfahrensphasen
  5. Jugendstrafrechtliche Sanktionen und ihre Auswirkungen
  6. Aktuelle Gerichtsurteile zur Jugendgerichtshilfe
  7. FAQ: Häufig gestellte Fragen zur Jugendgerichtshilfe
  8. Die Bedeutung der Jugendgerichtshilfe im deutschen Rechtssystem

Einführung in die Jugendgerichtshilfe

Die Jugendgerichtshilfe ist eine sozialpädagogische Einrichtung, die Jugendlichen und Heranwachsenden im Strafverfahren zur Seite steht. Sie besteht aus Fachkräften aus dem Bereich der Sozialarbeit und hat die Aufgabe, jugendliche Straftäter im gesamten Prozess – von der Anzeige bis zum Abschluss des Verfahrens – zu unterstützen und zu begleiten.

Sie fungiert als Vermittler zwischen den Betroffenen, den Eltern, den Erziehungsberechtigten, den Schulen und dem Gericht. Dabei steht die Jugendgerichtshilfe in Deutschland unter der Trägerschaft der Kommunen, die dafür sorgen, dass sie unabhängig von anderen Behörden arbeiten kann, um dem besonderen Schutzbedürfnis von Jugendlichen gerecht zu werden.

Gesetzliche Grundlagen der Jugendgerichtshilfe

Die gesetzlichen Grundlagen für die Jugendgerichtshilfe sind das Jugendgerichtsgesetz (JGG) und das Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII). Die wichtigsten Vorschriften sind:

  • § 38 JGG: Mitwirkung der Jugendgerichtshilfe im Verfahren,
  • § 39 JGG: Aufgaben der Jugendgerichtshilfe,
  • § 52 JGG: Beteiligungsrechte der Jugendgerichtshilfe.

Neben diesen gesetzlichen Regelungen gibt es in den einzelnen Bundesländern auch eigene Landesgesetze und Verordnungen, die das Arbeitsgebiet der Jugendgerichtshilfe weiter konkretisieren.

Aufgaben und Ziele der Jugendgerichtshilfe

Die Hauptaufgaben der Jugendgerichtshilfe können in folgende Bereiche unterteilt werden:

  1. Ermittlung der persönlichen und sozialen Verhältnisse des Jugendlichen oder Heranwachsenden,
  2. Erstellung von Berichten und Stellungnahmen für das Gericht,
  3. Beratung und Unterstützung der Beteiligten während des gesamten Verfahrens,
  4. Integration von jugendlichen Straftätern durch sozialen, schulischen oder beruflichen Maßnahmen und Hilfen,
  5. Vernetzung mit anderen Institutionen und Fachkräften wie Schulen, Beratungsstellen, Jugendämtern, Bewährungshilfe und Suchtberatung.

Das übergeordnete Ziel der Jugendgerichtshilfe ist es, durch präventive und intervenierende Maßnahmen Straftaten von Jugendlichen zu verhindern und eine Wiederholung von Straftaten zu vermeiden. Dabei liegt das Hauptaugenmerk darauf, jugendliche Straftäter sozial zu fördern und zu erziehen, anstatt nur auf eine Bestrafung abzuzielen.

Die Rolle der Jugendgerichtshilfe in verschiedenen Verfahrensphasen

Die Jugendgerichtshilfe ist im gesamten Verfahren tätig und begleitet die jugendlichen Straftäter in verschiedenen Phasen, um sicherzustellen, dass ihnen eine optimale und individuelle Betreuung zuteil wird. Hier einige Beispiele,

  1. Ermittlungsverfahren: Die Jugendgerichtshilfe ist bereits im Ermittlungsverfahren aktiv, indem sie Kontakt zu den Betroffenen und deren Familien aufnimmt und die persönlichen und sozialen Verhältnisse der Jugendlichen ermittelt.
  2. Hauptverfahren: Im Hauptverfahren nimmt die Jugendgerichtshilfe als beratende und unterstützende Kraft an den Gerichtsterminen teil. Sie erstellt Stellungnahmen zum bisherigen Lebensverlauf, zur schulischen und beruflichen Situation sowie zur Familie des Jugendlichen.
  3. Urteilsverkündung und Rechtskraft: Für die Findung eines angemessenen Urteils kann die Jugendgerichtshilfe Empfehlungen an das Gericht abgeben, die auf ihren Erkenntnissen basieren und eine faire und erzieherisch sinnvolle Sanktionierung gewährleisten sollen. Nach der Rechtskraft des Urteils unterstützt die Jugendgerichtshilfe den Jugendlichen dabei, die verhängten Maßnahmen umzusetzen und eine erfolgreiche Resozialisierung zu erreichen.
  4. Nachsorge: In der Nachsorgephase hilft die Jugendgerichtshilfe dabei, die vereinbarten Auflagen und Weisungen zu kontrollieren und umzusetzen, etwa durch Kontakt zu den zuständigen Behörden, Bewährungshelfern, Schulen und Beratungsstellen.

Jugendstrafrechtliche Sanktionen und ihre Auswirkungen

Da das Jugendstrafrecht in Deutschland erzieherisch ausgerichtet ist, sind die möglichen Sanktionen für jugendliche Straftäter anders als im Erwachsenenstrafrecht. Die Sanktionen müssen dem Erziehungsgedanken Rechnung tragen, und daher sind die einzelnen Sanktionen im Jugendstrafrecht nicht auf Bestrafung, sondern auf Erziehung ausgerichtet. Das Jugendgerichtsgesetz unterscheidet insbesondere

  • Erziehungsmaßregeln (§ 9 JGG), wie Weisungen und erzieherische Hilfen,
  • Zuchtmittel (§ 10 JGG), wie Verwarnungen und Geldbußen,
  • Erziehungsmaßnahmen (§ 11 JGG) wie Freizeitgestaltung, Jugendarbeit oder Schulungen,
  • Jugendarrestsanstalten (§§ 16-18 JGG) und
  • Jugendstrafe (§§ 17-31 JGG).

Die Jugendgerichtshilfe ist aktiv an der Entscheidung beteiligt, welche Sanktionen für den jugendlichen Straftäter angemessen sind, indem sie das Gericht informiert und berät. Durch die enge Zusammenarbeit mit anderen Institutionen ist die Jugendgerichtshilfe auch dafür verantwortlich, dass die auferlegten Sanktionen erfolgreich umgesetzt und kontrolliert werden.

Aktuelle Gerichtsurteile zur Jugendgerichtshilfe

Im Folgenden werden einige aktuelle und relevante Gerichtsurteile betrachtet, die das Thema Jugendgerichtshilfe betreffen und die Praxis der Jugendgerichtshilfe in Deutschland beeinflussen:

Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 27.02.2020, Az: 4 StR 558/19: Anforderungen an die Mitwirkung der Jugendgerichtshilfe: In diesem Urteil bestätigte der BGH die Anforderungen an die Mitwirkung der Jugendgerichtshilfe bei der Hauptverhandlung. Das Gericht entschied, dass kein absoluter Verfahrensfehler vorliegt, wenn die Jugendgerichtshilfe an einer Hauptverhandlung teilnimmt, sich jedoch nicht ausdrücklich zu der Sache oder der Person des Angeklagten äußert.

Oberlandesgericht (OLG) Hamm, Beschluss vom 27.09.2016, Az: 4 RVs 86/16: Berücksichtigung der Jugendgerichtshilfe bei der Rechtsfolgenbemessung: In diesem Fall stellte das OLG Hamm fest, dass ein Rechtsmittel gegen ein Jugendstrafurteil erfolgreich sein kann, wenn das Tatgericht bei der Bemessung der Rechtsfolgen eine Stellungnahme der Jugendgerichtshilfe nicht ausreichend berücksichtigt. Das Gericht entschied, dass das Tatgericht sich ausführlich mit den empfohlenen Maßnahmen auseinandersetzen muss und eine Abweichung von der Empfehlung der Jugendgerichtshilfe begründen sollte.

Oberlandesgericht (OLG) Koblenz, Beschluss vom 26.11.2015, Az: 2 Ws 564/15: Akteneinsichtsrecht der Jugendgerichtshilfe: In diesem Fall entschied das OLG Koblenz, dass die Jugendgerichtshilfe grundsätzlich ein Akteneinsichtsrecht hat, jedoch nur, soweit dies für die Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erforderlich ist. Eine uneingeschränkte Akteneinsicht ist demnach nicht zulässig.

Die genannten Urteile zeigen, dass die Rolle der Jugendgerichtshilfe in Deutschland durchaus Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen ist und immer wieder neue Aspekte und Fragestellungen behandelt werden.

FAQ: Häufig gestellte Fragen zur Jugendgerichtshilfe

Im Folgenden beantworten wir häufig gestellte Fragen zum Thema Jugendgerichtshilfe:

  1. Ab welchem Alter greift die Jugendgerichtshilfe? Die Jugendgerichtshilfe greift in Strafverfahren gegen Jugendliche (14 bis 17 Jahre alt) und Heranwachsende (18 bis 20 Jahre alt).
  2. Wer hat Anspruch auf die Hilfe der Jugendgerichtshilfe? Jeder Jugendliche oder Heranwachsende, der in einem Strafverfahren angeklagt ist, hat Anspruch auf die Hilfe der Jugendgerichtshilfe. Dies gilt unabhängig von der Straftat oder dem vermuteten Schuldgrad.
  3. Kann man die Unterstützung der Jugendgerichtshilfe ablehnen? Grundsätzlich kann man die Unterstützung der Jugendgerichtshilfe ablehnen, jedoch ist dies in der Praxis selten ratsam. Die Jugendgerichtshilfe dient dazu, jugendliche Straftäter bestmöglich zu unterstützen und dafür zu sorgen, dass ihnen eine faire Behandlung im gesamten Verfahren zuteil wird. Eine Ablehnung der Hilfe könnte daher dem Jugendlichen bzw. Heranwachsenden eher schaden als nutzen.</li
  4. Muss ein Anwalt trotz der Beteiligung der Jugendgerichtshilfe hinzugezogen werden? Die Jugendgerichtshilfe übernimmt wichtige sozialpädagogische Aufgaben im Strafverfahren, allerdings ersetzt sie nicht die rechtliche Beratung und Vertretung durch einen Anwalt. Es ist daher empfehlenswert, neben der Jugendgerichtshilfe auch einen erfahrenen Rechtsanwalt hinzuzuziehen, um eine kompetente rechtliche Vertretung sicherzustellen.
  5. Wie lange ist die Jugendgerichtshilfe nach dem Abschluss eines Verfahrens noch involviert? Die Jugendgerichtshilfe bleibt in der Regel so lange beteiligt, bis alle verhängten Sanktionen und Maßnahmen erfolgreich umgesetzt und abgeschlossen sind. Die Dauer der Involvierung der Jugendgerichtshilfe hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab.
  6. Ist die Zusammenarbeit mit der Jugendgerichtshilfe vertraulich? Die Zusammenarbeit mit der Jugendgerichtshilfe unterliegt grundsätzlich der Verschwiegenheitspflicht der beteiligten Fachkräfte. Es werden jedoch Informationen und Stellungnahmen an das Gericht, die Staatsanwaltschaft und den Verteidiger weitergegeben, soweit dies für die Durchführung des Strafverfahrens erforderlich ist.

Abschließend lässt sich festhalten, dass die Jugendgerichtshilfe ein entscheidendes Instrument im deutschen Rechtssystem ist, um jugendlichen Straftätern einen sicheren Weg durch das Strafverfahren zu gewähren. Durch die pädagogische Ausrichtung und die enge Zusammenarbeit mit relevanten Institutionen soll die Jugendgerichtshilfe dazu beitragen, dass Jugendliche und Heranwachsende eine Chance auf Resozialisierung und ein Leben ohne weitere Straftaten erhalten.

Die Bedeutung der Jugendgerichtshilfe im deutschen Rechtssystem

Die Jugendgerichtshilfe nimmt eine wesentliche Rolle im deutschen Rechtssystem ein, indem sie jugendlichen Straftätern und Heranwachsenden während des gesamten Strafverfahrens zur Seite steht. Die umfassende Begleitung und Unterstützung durch die Jugendgerichtshilfe trägt zu einer gerechten und erzieherischen Behandlung von Jugendlichen bei und fördert deren Chance auf Resozialisierung und Integration.

Der enge Austausch zwischen der Jugendgerichtshilfe und den verschiedenen beteiligten Institutionen, wie Gerichte, Staatsanwaltschaft, Bewährungshilfe und Schulen, gewährleistet eine effektive Zusammenarbeit zum Wohl des betroffenen Jugendlichen. Die gesetzlichen Grundlagen der Jugendgerichtshilfe sorgen dafür, dass sie unabhängig und flexibel agieren kann, um den Bedürfnissen und Anforderungen des Jugendlichen gerecht zu werden.

Insgesamt zeigt sich, dass die Jugendgerichtshilfe ein unverzichtbares Element der deutschen Strafjustiz ist, das dazu beiträgt, dass jugendliche Straftäter einen sicheren und förderlichen Weg durch das Rechtssystem finden und zukünftige kriminelle Karrieren verhindert werden.

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