Im deutschen Strafgesetzbuch (StGB) befasst sich Paragraf 240 mit dem Tatbestand der Nötigung. Diese Handlung kann vielfältige Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen haben. Als kompetenter und erfahrener Rechtsanwalt möchte ich Ihnen in diesem Blogbeitrag einen umfassenden Überblick über die rechtliche Bewertung und mögliche Folgen einer Nötigung geben. Dabei werde ich auch auf aktuelle Gerichtsurteile, Beispiele, Gesetze und FAQs eingehen.

Was ist Nötigung?

Der Begriff der Nötigung bezeichnet die zwangsweise Verhaltensbeeinflussung eines anderen Menschen. Als rechtswidrig wird die Nötigung dann eingestuft, wenn sie durch I. Gewalt oder II. Drohung mit einem empfindlichen Übel handelt. Dabei ist es unerheblich, ob die Gewalt gegenüber der betroffenen Person oder einem Dritten erfolgt und ob das empfindliche Übel eine rein persönliche oder eine vermögensrechtliche Herabsetzung darstellt.

Nötigung kann sich in unterschiedlichen Formen zeigen. Dazu gehören unter anderem:

  • Erpressung
  • Verbale oder körperliche Bedrohung
  • Querstellen von Fahrzeugen im Straßenverkehr
  • Drängeln oder Ausbremsen auf der Autobahn
  • Stalking, also fortgesetztes nachstellen oder belästigen einer Person
  • Gewaltsame Eindringen in eine Wohnung
  • Die Androhung einer Strafanzeige

Da jede Form der Nötigung ihre eigenen Besonderheiten aufweist, ist es wichtig, die jeweiligen Unterschiede und Feinheiten im Hinblick auf die rechtliche Bewertung und mögliche Folgen zu kennen. Im Folgenden gehe ich genauer auf die beiden Hauptnötigungsmittel – Gewalt und Drohung mit einem empfindlichen Übel – ein.

Gewalt als Nötigungsmittel

Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung, die darauf abzielt, die Willensfreiheit einer anderen Person zu brechen und sie zu einer bestimmten Handlung oder Unterlassung zu zwingen. Dabei ist es unerheblich, ob die Gewalt gegenüber der betroffenen Person oder einem Dritten erfolgt. Gewalt kann unmittelbar oder mittelbar ausgeübt werden und umfasst sowohl aktive Tätlichkeiten als auch das Anwenden von Zwang in Form von für die betroffene Person nachteiligen Bedingungen.

Die rechtliche Bewertung von Gewalt hängt von den Umständen des Einzelfalls und der Erkennbarkeit des Nötigungsziels ab. In der Regel wird Gewalt dann als rechtswidrig eingestuft, wenn sie sich gegen ein legitimes Interesse des Opfers richtet und dessen körperliche Unversehrtheit oder persönliche Freiheit beeinträchtigt.

Drohung mit empfindlichem Übel

Von einer Drohung spricht man, wenn einem anderen Menschen ein empfindliches Übel angedroht wird. Solch ein Übel kann sich auf die Gesundheit, die Freiheit, die Ehre, das Vermögen oder sonstige Rechtsgüter erstrecken. Ob ein Übel als empfindlich angesehen wird, hängt dabei vom Einzelfall ab. In der Regel ist ein Übel als empfindlich einzustufen, wenn das angestrebte Verhalten gegenüber dem Übel als nachteilig empfunden wird und ein durchschnittlicher Mensch seine Willensentschließung von dieser Drohung abhängig machen würde.

Zu beachten ist, dass eine Drohung nicht zwangsläufig unmittelbar erfolgen muss, sondern auch mittelbar, etwa in Form eines Ultimatums, erfolgen kann. Wichtig ist, dass die angedrohte Folge nicht rechtmäßig ist und eine erhebliche körperliche, geistige oder vermögensrechtliche Belastung darstellt.

Rechtsfolgen bei einer Nötigung

Die Straftat der Nötigung ist in § 240 StGB geregelt. Hier erfolgt die rechtliche Einordnung und die meisten Sanktionen bewegen sich im Rahmen von Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren. In besonders schweren Fällen kann eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren verhängt werden.

Welche Sanktion genau zur Anwendung kommt, hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie zum Beispiel der Schwere der Nötigung, dem persönlichen Grad der Verantwortung, etwaigen Vorstrafen oder der Möglichkeit, eine Strafe zur Bewährung auszusetzen. Die Strafe fällt in der Regel milder aus, wenn der Täter ein Geständnis ablegt und wenn er bisher unbescholten ist.

A. Geldstrafe

Die Höhe einer Geldstrafe wird in Tagessätzen berechnet. Ein Tagessatz entspricht einem Dreißigstel des monatlichen Nettoeinkommens des Täters. Die Anzahl der Tagessätze beträgt zwischen 5 und 360 Tage. Bei der Festsetzung der Höhe der Geldstrafe werden unter anderem die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters sowie die Schwere der Tat berücksichtigt.

B. Freiheitsstrafe

Eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren kann verhängt werden, wenn der Täter den § 240 StGB erfüllt hat. Bei besonders schweren Fällen kann die Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren betragen. Eine längere Freiheitsstrafe wird vor allem in Betracht gezogen, wenn die Handlung des Täters besonders verwerflich ist – etwa aufgrund der Schwere, der Auswirkungen oder der Schuld – oder wenn der Täter bereits einschlägig vorbestraft ist.

C. Bewährung

Sowohl Geld- als auch Freiheitsstrafen können zur Bewährung ausgesetzt werden. Dabei richtet sich die Bewährungszeit in der Regel nach der zu erwartenden Dauer der Sanktion, wobei hier je nach Vorstrafen und individueller Perspektive des Täters unterschieden werden muss. Im Falle von Freiheitsstrafen kann die Strafe bei einer Dauer von bis zu zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden, sofern keine besondere Schwere der Schuld vorliegt und eine günstige Legalprognose für die künftige Lebensführung besteht.

D. Führerschein

Bei Nötigung im Straßenverkehr kann dem Täter zusätzlich der Führerschein entzogen werden. Dies geschieht in der Regel auf Grundlage von § 69 StGB, wonach derjenige, der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, die Fahrerlaubnis zu entziehen ist. In diesem Zusammenhang wird unter anderem geprüft, ob der Entzug des Führerscheins erforderlich ist, um weitere Gefährdungen der Verkehrssicherheit zu verhindern.

Aktuelle Gerichtsurteile zur Nötigung

Viele Gerichtsurteile zu Nötigungen sind inzwischen ergangen. In diesem Abschnitt werde ich Ihnen einige Beispielurteile präsentieren, damit Sie sich ein klares Bild von der aktuellen Rechtsprechung machen können und auch ein besseres Verständnis für den Einfluss von Gerichtsentscheidungen auf die Praxis der Strafverfolgungsbehörden erhalten.

Nötigung durch Drängeln auf der Autobahn

In einem Fall vor dem Amtsgericht München (Az. 942 Cs 111 Js178581/16) wurde ein Fahrer, der einen anderen Verkehrsteilnehmer auf der Autobahn bedrängte und damit nötigte, zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen und einem dreimonatigen Fahrverbot verurteilt. Das Gericht befand, dass die Handlungen des Täters zu einer erheblichen Gefährdung des Verkehrs führten und eine Achtlosigkeit gegenüber den Rechtsgütern anderer beliefen.

Nötigung durch Stalking

In einem Urteil des Landgerichts Hamburg (Az. 628 KLs 3/14) wurde ein Mann, der über einen längeren Zeitraum exzessives Stalking an seiner Ex-Freundin betrieb, zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Der Täter missachtete dabei mehrere Anordnungen des Gerichts und beeinträchtigte massiv die Privatsphäre und das Leben seiner Ex-Freundin. Das Gericht sah in dem fortgesetzten Verhalten eine Straftat gemäß § 241a StGB (Nachstellung) in Tateinheit mit Nötigung gemäß § 240 StGB.

Nötigung durch Querstellen von Fahrzeugen

Das Amtsgericht Kassel (Az. 385 Ds 274 Js 16057/16) verurteilte einen Fahrer wegen Nötigung im Straßenverkehr, nachdem er einem anderen Verkehrsteilnehmer den Weg durch Querstellen seines Fahrzeugs versperrt hatte. Der Verurteilte erhielt eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen und ein dreimonatiges Fahrverbot. Das Gericht ging davon aus, dass der Zweck des Querstellens darin bestand, den anderen Verkehrsteilnehmer dazu zu zwingen, anzuhalten und somit seine Freiheit der Fortbewegung einzuschränken.

Nötigung durch Erpressung

In einem Fall vor dem Oberlandesgericht Frankfurt (Az. 1 Ss 167/15) wurde ein Mann wegen Nötigung durch Erpressung verurteilt, nachdem er in mehreren Fällen Geld von Geschädigten forderte und dabei drohte, dieser Schaden zuzufügen oder peinliche Informationen öffentlich zu machen. Der Täter wurde zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Das Gericht wertete die Drohungen als Nötigungsmittel zur Erlangung von Vermögensvorteilen.

FAQs zur Nötigung

In diesem Abschnitt möchte ich auf einige häufig gestellte Fragen zur Nötigung eingehen, die Ihnen möglicherweise bei der Einordnung des Themas hilfreich sein könnten.

Kann ich bei einer Nötigung Notwehr ausüben?

Grundsätzlich ist die Ausübung von Notwehr gemäß § 32 StGB zulässig, wenn Sie oder eine andere Person durch eine Nötigung angegriffen werden. Dabei muss die Verteidigung jedoch erforderlich und verhältnismäßig sein. Erforderlich ist eine Verteidigungshandlung, wenn keine andere, mildere Maßnahme gleichermaßen geeignet ist, den gegenwärtigen Angriff abzuwehren. Die Verhältnismäßigkeit verlangt, dass das mildeste Mittel gewählt wird, das geeignet ist, den Angriff abzuwehren. Schließlich muss die Verteidigung nicht gegen ein höheres Rechtsgut, wie zum Beispiel das Leben eines Menschen, richten.

Wann liegt eine strafbare Nötigung vor?

Eine strafbare Nötigung liegt vor, wenn jemand einen anderen Menschen durch Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Vornahme, Duldung oder Unterlassung einer Handlung nötigt und die Handlung dadurch zur Durchsetzung des eigenen Willens durchgesetzt wird. Maßgeblich ist hierbei, ob sich der Genötigte zur Abwendung eines angedrohten empfindlichen Übels zum Nachteil einer rechtlich geschützten Position aufgrund des angewendeten Druckmittels gezwungen sieht.

Wie hoch ist das Strafmaß für Nötigung?

Nötigung wird gemäß § 240 StGB mit Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren bestraft. In besonders schweren Fällen kann eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren verhängt werden. Die konkrete Höhe des Strafmaßes hängt dabei von den Umständen des Einzelfalls ab und bezieht sich insbesondere auf die Schwere der Nötigung, das Maß der Selbstverschuldung, Vorstrafen und mögliche strafmildernde und -erschwerende Umstände.

Die vielen Formen der Nötigung

Nötigung ist ein ernst zu nehmendes Delikt und kann weitreichende strafrechtliche Folgen nach sich ziehen. Sollten Sie Opfer einer Nötigung geworden sein oder gegen einen Nötigungsvorwurf verteidigt werden müssen, ist es ratsam, einen erfahrenen und kompetenten Rechtsanwalt zu konsultieren. Dieser kann Ihre Rechte wahren und Ihnen helfen, das bestmögliche Ergebnis in Ihrem Fall zu erreichen. Durch eine fundierte Kenntnis der Gesetze und der aktuellen Rechtsprechung können Sie Ihre Chancen verbessern, einen erfolgreichen rechtlichen Kampf gegen Nötigung zu führen und letztlich Gerechtigkeit zu erlangen.

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