In einem Rechtsstaat wie Deutschland ist es von grundlegender Bedeutung, für Transparenz und Gerechtigkeit zu sorgen. Dieser Artikel widmet sich dem Prinzip der Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens und zeigt, warum dieses Prinzip wichtig ist, wie es in der Praxis funktioniert und welche rechtlichen Regelungen es diesbezüglich gibt. Dabei werden wir uns auch mit aktuellen Gerichtsurteilen, Beispielen und häufigen Fragen beschäftigen, die viele Anwälte, Rechtsanwender und selbst Justizinteressierte betreffen.

Inhaltsverzeichnis

Das Prinzip der Öffentlichkeit des Verfahrens: Bedeutung, Rechte und Rolle im Rechtsstaat

Das grundlegende Prinzip der Öffentlichkeit des Verfahrens besteht darin, Gerichtsverfahren öffentlich zugänglich zu machen und dadurch Transparenz und Gerechtigkeit in einem demokratischen Rechtsstaat zu gewährleisten. Dadurch soll sichergestellt werden, dass Gerichtsverfahren nicht in Geheimniskrämerei ablaufen und die Öffentlichkeit die Möglichkeit hat, die Verfahren und Entscheidungsfindung in einem Gerichtsverfahren nachzuvollziehen. Dies dient dem Vertrauen in das Rechtssystem und der Wahrung der Grundrechte und der Menschenwürde.

Die Öffentlichkeit eines Gerichtsverfahrens beinhaltet eine Reihe von Rechten und Pflichten, die sowohl für die Verfahrensbeteiligten als auch für die Öffentlichkeit gelten. Zu diesen Rechten gehören beispielsweise:

  • Das Recht der Öffentlichkeit, an Gerichtsverfahren teilzunehmen und Informationen über die Verfahren zu erhalten.
  • Das Recht der Medien, über Gerichtsverfahren zu berichten, um eine breite und differenzierte Informationswiedergabe zu gewährleisten.
  • Das Recht aller Verfahrensbeteiligten auf ein faires Verfahren, wobei die Öffentlichkeit zur Kontrolle der Justiz beiträgt.

Auch die Rolle der Öffentlichkeit im Rechtsstaat und die damit einhergehenden Pflichten sind entscheidend. Bürgerinnen und Bürger haben die Pflicht, sich über Gerichtsverfahren zu informieren und ihre Meinung zur Justiz und den getroffenen Entscheidungen zu äußern. Dies trägt zur Stärkung einer demokratischen Gesellschaft und zur Überprüfung der Rechtsprechung im Allgemeinen bei. In diesem Sinne bildet die Öffentlichkeit des Verfahrens eine wichtige Grundlage für die Rechtsstaatlichkeit und die Gewährleistung fundamentaler Rechtsgrundsätze.

Gesetzliche Grundlagen

Die gesetzliche Grundlage für das Prinzip der Öffentlichkeit des Verfahrens findet sich sowohl im nationalen als auch im internationalen Recht. Im deutschen Recht sind die wichtigsten gesetzlichen Regelungen das Grundgesetz (GG) und die verschiedenen Verfahrensordnungen, wie die Strafprozessordnung (StPO), die Zivilprozessordnung (ZPO) und das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGO).

Artikel 20 Abs. 3 GG garantiert die Rechtsstaatlichkeit und verpflichtet die Staatsgewalt, sich an Gesetze und Recht zu halten. Die Öffentlichkeit des Verfahrens ist somit als ein Grundprinzip der Rechtsstaatlichkeit anerkannt. Darüber hinaus garantiert Artikel 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) das Recht auf ein faires Verfahren, zu dem auch das Prinzip der Öffentlichkeit gehört.

Die konkreten gesetzlichen Regelungen zur Öffentlichkeit des Verfahrens finden sich in verschiedenen Verfahrensordnungen, beispielsweise in den folgenden Gesetzen:

  • § 169 GVG (Gerichtsverfassungsgesetz) – Öffentlichkeit der Hauptverhandlung im Strafverfahren
  • §§ 128 ff. ZPO – Öffentlichkeit im Zivilprozess
  • §§ 101 ff. VwGO – Öffentlichkeit des Verfahrens im Verwaltungsgerichtsverfahren

In der Regel wird die Öffentlichkeit des Verfahrens durch die Anwesenheit von Zuschauern und die Publikation von Gerichtsentscheidungen gewährleistet. Dies kann aber durch bestimmte Ausnahmen, über die im nächsten Abschnitt gesprochen wird, eingeschränkt werden.

Das Prinzip der Öffentlichkeit in der Praxis: Besonderheiten und Ausnahmen

Wie bereits erwähnt, dürfen Gerichtsverfahren grundsätzlich öffentlich abgehalten werden. In einigen Situationen gibt es jedoch Ausnahmen von diesem Grundsatz. Ausnahmen von der Verfahrensöffentlichkeit sind zulässig, wenn sie durch die Wahrung wichtiger Interessen wie den Schutz von Persönlichkeitsrechten oder die Sicherheit des Staates gerechtfertigt sind.

Beispiele für gesetzliche Ausnahmen von der Öffentlichkeit des Verfahrens sind folgende:

  • § 171b GVG – Ausschluss der Öffentlichkeit zum Schutz der Staatssicherheit im Strafverfahren
  • § 174 GVG – Ausschluss der Öffentlichkeit zum Schutz von Jugendlichen im Strafverfahren
  • § 128a Abs. 1 Nr. 4 ZPO – Ausschluss der Öffentlichkeit zum Schutz von Verfahrensbeteiligten im Zivilprozess

Es ist wichtig zu betonen, dass der Ausschluss der Öffentlichkeit immer nur in engen Grenzen und nach sorgfältiger Abwägung der widerstreitenden Interessen zulässig ist. Eine solche Entscheidung muss vom Gericht begründet werden und ist einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich.

In der Praxis bieten örtliche Gerichte auch unterschiedliche Möglichkeiten für die Öffentlichkeit, sich über Verfahren und Gerichtsentscheidungen zu informieren. Dazu gehören u.a. der Zugang zu Verhandlungsterminen, die Einsichtnahme in Gerichtsakten und die Veröffentlichung von Entscheidungen im Internet. Es ist ebenfalls üblich, dass Medienvertreter*innen an Gerichtsverfahren teilnehmen, um eine umfassende Berichterstattung über wichtige Fälle und Entscheidungen zu gewährleisten.

Aktuelle Gerichtsurteile als Beispiele für die Anwendung des Grundsatzes der Öffentlichkeit

Um zu verdeutlichen, wie der Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens in der Rechtsprechung und in tatsächlichen Fällen angewandt wird, werden im Folgenden einige aktuelle Gerichtsurteile präsentiert, die sich mit diesem Thema befassen:

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 27. März 2019, 1 BvR 632/18: In diesem Fall bestätigte das Bundesverfassungsgericht die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und entschied, dass das Grundrecht auf Öffentlichkeit des Verfahrens nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK dem Strafverteidiger einen Anspruch darauf gewährt, beim Termin zur Urteilsverkündung anwesend zu sein. Die fehlende Anwesenheit des Verteidigers führte in diesem Fall zur Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes und des Grundrechts auf ein faires Verfahren.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 28. September 2017, III ZR 71/17: Hier entschied der BGH, dass die live-zeitversetzte Übertragung eines Zivilverfahrens im Fernsehen gegen das Grundrecht auf Öffentlichkeit des Verfahrens aus Art. 6 EMRK verstößt, da eine Veröffentlichung über das verfahrensbezogene Medieninteresse hinausgeht und die Identität der Beteiligten nicht ausreichend geschützt ist.

Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 30. Juni 2020, 5 RBs 154/20: Das OLG Hamm befasste sich mit der Frage, inwieweit die Verfahrensöffentlichkeit durch die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Abstands- und Hygienemaßnahmen beeinträchtigt wird. Hierbei entschied das OLG, dass zwar im Einzelfall auch eine strengere Zugangsbeschränkung zum Gerichtsgebäude gerechtfertigt sein kann, dies aber nicht dazu führen darf, dass die Verfahrensöffentlichkeit insgesamt aufgehoben oder unzumutbar eingeschränkt wird.

Diese Urteile veranschaulichen, wie entscheidend es ist, den Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens in verschiedenen Kontexten und unter unterschiedlichen Umständen zu wahren und anzuwenden.

Häufige Fragen zur Öffentlichkeit des Verfahrens

Im Folgenden sind einige häufig gestellte Fragen (FAQs) zum Thema Öffentlichkeit des Verfahrens aufgelistet, die die verschiedenen Aspekte und Herausforderungen bei der Umsetzung dieses Prinzips verdeutlichen:

  1. Wie erfahre ich von Gerichtsterminen und wie kann ich daran teilnehmen? Gerichte veröffentlichen oft ihre Verhandlungstermine auf ihrer Website und/oder im Gerichtsgebäude. Gerichtsverfahren sind grundsätzlich für die Öffentlichkeit zugänglich, es sei denn, es liegt eine Ausnahme vor.
  2. Was sind die Voraussetzungen für den Ausschluss der Öffentlichkeit von einem Gerichtsverfahren? Der Ausschluss der Öffentlichkeit kann nur in engen gesetzlich geregelten Ausnahmefällen erfolgen, zum Beispiel zum Schutz der Staatssicherheit oder Minderjähriger und Beteiligter. Es bedarf einer sorgfältigen Abwägung der widerstreitenden Interessen und einer Begründung.
  3. Wie viel kann ich von einer Gerichtsverhandlung in den Medien erwarten? Die Berichterstattung in den Medien hängt von der Relevanz des Falles und des öffentlichen Interesses ab. In der Regel decken Medienvertreter*innen wichtige Gerichtsfälle ab, um eine ausgewogene Informationsvermittlung und die Wahrung des Öffentlichkeitsgrundsatzes zu gewährleisten.
  4. Wie kann ich mich über Gerichtsentscheidungen informieren? Gerichtsentscheidungen können oft auf der Website des Gerichts in anonymisierter Form eingesehen oder durch die Teilnahme an der Verkündung der Entscheidung im Gerichtsgebäude verfolgt werden. In einigen Fällen können Rechtsanwälte und Journalisten auch Einsicht in Gerichtsakten erhalten, um genauere Informationen über Entscheidungen und Verfahren zu erhalten.
  5. Was passiert, wenn das Prinzip der Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt wird? Die Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes kann zu einer Verletzung der Grundrechte der Beteiligten und einer Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht oder dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte führen. In manchen Fällen kann dies sogar zu einer Aufhebung der gerichtlichen Entscheidung und einer Neuverhandlung des Verfahrens führen.

Abschluss: Öffentlichkeit des Verfahrens

Die Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens ist ein entscheidendes Prinzip eines demokratischen Rechtsstaates und trägt zur Gewährleistung von Transparenz, Gerechtigkeit und der Wahrung von Grund- und Menschenrechten bei. Wir haben uns mit den verschiedenen Aspekten dieses Prinzips befasst und aufgezeigt, wie wichtig es ist, sowohl die rechtlichen Grundlagen als auch die praktische Umsetzung dieses Grundsatzes in der Rechtsprechung und den Gerichten zu verstehen.

Aktuelle Gerichtsentscheidungen und Beispiele haben verdeutlicht, wie der Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens in unterschiedlichen Fällen angewandt wird und welchen Herausforderungen die Gerichte und die Verfahrensbeteiligten dabei begegnen. Die Antwort auf häufige Fragen und die Betrachtung verschiedener Aspekte dieses Themas haben uns dabei geholfen, ein besseres Verständnis für die Bedeutung und Funktionsweise der Verfahrensöffentlichkeit zu gewinnen und ihre Rolle im Rechtsstaat als grundlegendes Prinzip der Rechtsstaatlichkeit zu begreifen.

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