In diesem Blog-Beitrag untersuchen wir das im deutschen Zivilprozessrecht gängige Konzept der Rechtshängigkeit. Rechtshängigkeit ist ein maßgeblicher Aspekt des Zivilprozessrechts, der für Anwälte, Richter, Prozessparteien und Rechtsstudierende von großer Bedeutung ist. Dieser Beitrag wird fundierte Informationen über das Wesen, die Relevanz, den Eintritt und die Wirkungen der Rechtshängigkeit sowie ihre rechtlichen Zusammenhänge, Beispiele, Gesetze und aktuelle Rechtsprechung liefern. Darüber hinaus werden wir auch häufig gestellte Fragen rund um das Thema Rechtshängigkeit beantworten.

Rechtshängigkeit: Definition

Die Rechtshängigkeit ist im deutschen Prozessrecht der Zeitpunkt, ab dem eine Klage im Gerichtsverfahren fest etabliert ist. Das bedeutet, dass ein geltend gemachter Anspruch offiziell im Gerichtsverfahren anhängig ist und somit der beginnende Zivilprozess seinen vollen Verlauf nehmen kann.

Rechtshängigkeit tritt gemäß § 261 Abs. 1 ZPO ein, wenn eine Klage bei Gericht eingereicht und dann dem Beklagten zugestellt wird. Die hauptsächliche Wirkung der Rechtshängigkeit ist die Bindung des Gerichts an die festgestellten Tatsachen und die Streitverkündung, welche bedeutet, dass ein Dritter, der hierbei informiert wurde, der beitreten oder das Urteil akzeptieren muss (§ 72 ZPO).

Die Bedeutung der Rechtshängigkeit im Zivilprozess

Rechtshängigkeit ist ein grundlegender Bestandteil des deutschen Zivilprozessrechts und hat insbesondere aufgrund der folgenden Bedeutungen und Funktionen eine hohe Relevanz:

  • Verfahrensgrundlage: Die Rechtshängigkeit bildet die Grundlage eines Gerichtsverfahrens. Ohne Rechtshängigkeit kann kein Verfahren stattfinden und der gesamte Prozess wäre nichtig (vgl. BGH, Urteil vom 26.1.1977 – VII ZR 152/75). Ein Verfahren ist beendet, wenn das Gericht über die Klage durch Endurteil entschieden hat oder die Klage zurückgenommen oder zurückgewiesen wurde (§ 239 ZPO).
  • Verjährungshemmung: Die Rechtshängigkeit führt gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB zur Hemmung der Verjährung des Anspruchs. Dies bedeutet, dass während des laufenden Verfahrens die Verjährungsfrist des Anspruchs nicht mehr fortgesetzt wird und somit die zeitliche Begrenzung des eingeklagten Anspruchs für die Dauer des Verfahrens ausgesetzt ist. Dies dient dem Zweck, dem Anspruchsteller genügend Zeit einzuräumen, um seine Ansprüche vor Gericht durchzusetzen, und eine wirkungsvolle Durchsetzung von Rechtsansprüchen im Wege des Zivilprozesses zu ermöglichen.
  • Prozessuale Bindung: Mit der Rechtshängigkeit beginnt die Bindungswirkung von Gericht und Parteien an die Prozesshandlungen. Das bedeutet, dass bestimmte Prozessrechte und -pflichten der Parteien und das Prozesssubjekt durch die Rechtshängigkeit an die jeweilige Rechtsauseinandersetzung gebunden werden (vgl. BGH, Urteil vom 11.3.1960 – I ZR 43/59).
  • Streitverkündung: Die Rechtshängigkeit ist gemäß § 72 ZPO auch Voraussetzung für wirksame Streitverkündungen, welche bedeutet, dass ein involvierter Dritter der beitreten oder das Urteil akzeptieren muss.
  • Materielle Rechtskraft: Die Entscheidung über einen rechtshängigen Anspruch hat materielle Rechtskraft, welche bedeutet, dass weitere Prozesse mit denselben Parteien und demselben Streitgegenstand ausgeschlossen sind (§ 322 ZPO). Diese Rechtskollateralwirkung erhöht Rechtssicherheit und sorgt dafür, dass Prozesse effektiver und finaler abgeschlossen werden können.

Eintritt der Rechtshängigkeit

Die Rechtshängigkeit tritt gemäß § 261 Abs. 1 ZPO ein, wenn die Klage bei Gericht eingereicht und zugeführt worden ist und anschließend dem Beklagten zugestellt wurde. Die Zustellung der Klage an den Beklagten ist eine unerlässliche Voraussetzung für den Eintritt der Rechtshängigkeit, damit der Beklagte ordnungsgemäß über das Verfahren informiert wird und ihm die Möglichkeit eingeräumt wird, sich gegen die geltend gemachten Ansprüche zu verteidigen.

Für die Zustellung der Klage muss ein förmlicher Zustellungsauftrag gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vorliegen. Hierbei ist zu beachten, dass eine bloße Mitteilung oder Anforderung des Gerichts an den Beklagten nicht ausreicht (vgl. BGH, Urteil vom 26.3.1987 – VII ZR 271/86). Ebenso ist darauf hinzuweisen, dass auch eine erklärte Zustellung durch den Kläger regelmäßig nicht genügt (vgl. BGH, Urteil vom 29.10.1970 – VIII ZR 131/70).

Die Zustellung gemäß § 182 Abs. 1 ZPO erfolgt grundsätzlich durch das Gericht, jedoch kann auch eine Zustellung durch die Parteien oder einen hierzu befugten Prozessbevollmächtigten erfolgen. Darüber hinaus können Zustellungen gemäß § 183 ZPO auch durch einen Gerichtsvollzieher oder eine Postzustellungsurkunde erfolgen. Zu beachten ist, dass die Zustellung zeitnah erfolgen sollte. Nach § 267 Abs. 1 ZPO gilt eine Klage als rechtzeitig eingereicht, wenn die Zustellung innerhalb von zwei Wochen nach Einreichung der Klage bei Gericht erfolgt.

Wirkungen der Rechtshängigkeit

Die Rechtshängigkeit hat eine Reihe von rechtlichen Wirkungen, die im Folgenden erläutert werden:

  • Verjährungshemmung: Wie bereits erwähnt, führt die Rechtshängigkeit gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB zur Hemmung der Verjährung des geltend gemachten Anspruchs.
  • Prozessuale Bindung: Die Rechtshängigkeit bewirkt die prozessuale Bindung von Gericht und Parteien an den Prozessstoff und die Prozesshandlungen, wie z.B. die Verfahrensführung, Beweiserhebung und Urteilsfindung.
  • Streitverkündungen: Die Rechtshängigkeit ermöglicht die Streitverkündung gemäß § 72 ZPO, durch die ein Dritter der beitreten oder das Urteil akzeptieren muss.
  • Materielle Rechtskraft der Entscheidung: Die Entscheidung über den rechtshängigen Anspruch wird materielle Rechtskraft erlangen und damit den Rechtsstreit dauerhaft beilegen (§ 322 ZPO).
  • Prozesskostenhilfe: Die Rechtshängigkeit einer Klage begründet die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe gemäß § 114 ZPO zu beantragen.

Beispiele, Gesetze und aktuelle Rechtsprechung zur Rechtshängigkeit

Um die Komplexität der Rechtshängigkeit und die damit verbundenen rechtlichen Fragen besser zu veranschaulichen, folgen nun einige Beispiele, Gesetzesgrundlagen und aktuelle Rechtsprechung zu diesem Thema:

Rechtshängigkeit bei Zustellung im Ausland

Ein deutscher Kläger will gegen einen Beklagten, der im nicht-europäischen Ausland lebt, Klage erheben. Die Klage wird beim zuständigen deutschen Gericht eingereicht, und die Zustellung der Klageschrift muss gemäß den Vorschriften der jeweiligen ausländischen Rechtsordnung erfolgen.

Die Rechtshängigkeit tritt in diesem Fall gemäß § 261 Abs. 1 ZPO erst ein, wenn die Klage dem Beklagten im Ausland ordnungsgemäß zugestellt wurde und die Zustellung dem deutschen Gericht nachgewiesen werden kann. Hierbei sind die jeweiligen Zustellungsvorschriften des entsprechenden ausländischen Rechts zu beachten, da sie im Einzelfall erhebliche Unterschiede aufweisen können.

Rechtshängigkeit bei Zustellung per Fax

Ein Anwalt reicht eine Klage bei Gericht ein und erhält anschließend einen Zustellungsauftrag, dem zufolge die Klage dem Beklagten zugestellt werden soll. Der Anwalt sendet die Klageschrift per Fax an den Beklagten, wobei das Faxgerät die ordnungsgemäße Zustellung bestätigt. Wann tritt die Rechtshängigkeit ein?

In diesem Fall kann die Rechtshängigkeit möglicherweise schon mit Absenden des Fax vorliegen, sofern eine Zustellung per Fax zulässig ist (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 13.7.2005 – 6 U 66/05). Zu beachten ist hierbei, dass eine Zustellung per Fax grundsätzlich gemäß § 174 Abs. 1 ZPO zulässig ist, sofern der Beklagte zugestimmt hat oder die Zustellung per Fax in der jeweiligen Rechtsordnung als zulässiges Zustellungsmittel anerkannt ist. In der Regel dürften die Voraussetzungen für eine Zustellung per Fax jedoch nicht oder nur in seltenen Ausnahmefällen gegeben sein.

Rechtshängigkeit bei verweigertem Zustellungsempfang

Der Kläger beantragt die Klage gegen seinen Vermieter, der sich zu einem unbekannten Zeitpunkt ins Ausland abgemeldet hat. Das Gericht stellt einen Zustellungsauftrag an die zuständige Grenzkontrollbehörde aus, die die Zustellung am Flughafen vornehmen soll. Dort kann der Beklagte jedoch nicht angetroffen werden, sodass sich die Klageschrift wieder beim Gericht befindet. Wann tritt die Rechtshängigkeit ein?

In diesem Fall tritt die Rechtshängigkeit gemäß § 261 Abs. 1 ZPO erst ein, wenn der Beklagte tatsächlich über die Klage informiert wurde. Da die Zustellung bei der Grenzkontrollbehörde nicht erfolgreich war, tritt die Rechtshängigkeit in diesem Fall noch nicht ein. Der Kläger müsste weitere Schritte unternehmen, um den Beklagten ausfindig zu machen und eine ordnungsgemäße Zustellung sicherzustellen.

Frequently Asked Questions (FAQ)

Was ist Rechtshängigkeit?

Rechtshängigkeit ist der Zeitpunkt im deutschen Zivilprozessrecht, ab dem eine Klage im Gerichtsverfahren fest etabliert ist. Rechtshängigkeit tritt gemäß § 261 Abs. 1 ZPO ein, wenn eine Klage bei Gericht eingereicht und dem Beklagten zugestellt wird.

Wozu dient die Rechtshängigkeit?

Die Rechtshängigkeit dient als Grundlage für ein Gerichtsverfahren, ermöglicht die Hemmung der Verjährung, bewirkt die prozessuale Bindung von Gericht und Parteien an das Verfahren, ermöglicht Streitverkündungen und führt zur materiellen Rechtskraft einer Entscheidung.

Wann tritt Rechtshängigkeit ein?

Rechtshängigkeit tritt gemäß § 261 Abs. 1 ZPO ein, wenn die Klage bei Gericht eingereicht und dem Beklagten zugestellt wird. Eine ordnungsgemäße Zustellung ist notwendig für den Eintritt der Rechtshängigkeit.

Welche Wirkungen hat die Rechtshängigkeit?

Die Rechtshängigkeit hat unter anderem folgende Wirkungen: Verjährungshemmung, prozessuale Bindung von Gericht und Parteien, Streitverkündungen, materielle Rechtskraft der Entscheidung und die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe zu beantragen.

Was passiert, wenn der Beklagte die Zustellung verweigert?

Wenn der Beklagte die Zustellung der Klage verweigert, muss der Kläger weitere Zustellungsmöglichkeiten prüfen und gegebenenfalls alternative Zustellungsmaßnahmen ergreifen. Die Rechtshängigkeit tritt erst ein, wenn der Beklagte tatsächlich über die Klage informiert wurde.

Zusammenfassung

Die Rechtshängigkeit ist ein zentrales Element des deutschen Zivilprozessrechts. Sie tritt ein, wenn eine Klage bei Gericht eingereicht und dem Beklagten zugestellt wurde. Die Rechtshängigkeit hat bedeutende rechtliche Wirkungen, wie die Verjährungshemmung, die Bindung von Gericht und Parteien an das Verfahren, Streitverkündungen und die materielle Rechtskraft einer Entscheidung. Sie ist für Anwälte, Richter, Prozessparteien und Rechtsstudierende von großer Bedeutung und unterstützt eine effektive Durchsetzung von Rechtsansprüchen im Zivilverfahren.

In diesem Blog-Beitrag wurde die Bedeutung, Relevanz, der Eintritt und die Wirkungen der Rechtshängigkeit ausführlich erörtert. Es wurde insbesondere auf die rechtlichen Hintergründe, Beispiele, Gesetzesgrundlagen und aktuelle Rechtsprechung eingegangen. Abschließend wurden häufig gestellte Fragen rund um das Thema Rechtshängigkeit beantwortet, um ein umfassendes Verständnis dieses zentralen Konzepts im deutschen Zivilprozessrecht zu gewährleisten.

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