In einer immer vernetzteren Welt sind Vertraulichkeit und Datenschutz von größter Bedeutung. Eine zentrale Rolle spielt in diesem Kontext die Schweigepflicht, die für bestimmte Berufsgruppen obligatorisch ist. Dieser umfangreiche Blog-Beitrag behandelt die Bedeutung der Schweigepflicht, die zugrundeliegenden Gesetze, aktuelle Gerichtsurteile und mögliche Anwendungsbereiche.

Egal, ob Sie ein Fachmann sind, der nach rechtlichen Erklärungen sucht, oder ein Laie, der seinen eigenen Schutz und den seiner Familie verstehen möchte – dieser Artikel ist für Sie gedacht.

Inhalt

  • Definition der Schweigepflicht
  • Rechtliche Grundlagen
  • Berufsgruppen
  • Ausnahmen von der Schweigepflicht
  • Gerichtsurteile zur Schweigepflicht
  • FAQs zur Schweigepflicht

Definition der Schweigepflicht

Die Schweigepflicht ist eine gesetzliche Verpflichtung bestimmter Berufsgruppen, über vertrauliche Informationen, die ihnen im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit bekannt geworden sind, Stillschweigen zu bewahren. Die Schweigepflicht dient dem Schutz des Persönlichkeitsrechts, insbesondere des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, und damit dem Schutz der Privatsphäre.

Rechtliche Grundlagen

Die Schweigepflicht ist in verschiedenen Gesetzen verankert. Nachfolgend sind einige der wichtigsten rechtlichen Grundlagen dargestellt:

  • Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung: Die Schweigepflicht dient dem Schutz des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung, das sich aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ergibt.
  • Berufsrechtliche Regelungen: Für bestimmte Berufsgruppen, wie z. B. Rechtsanwälte, Steuerberater, Ärzte und Psychotherapeuten, sehen die jeweiligen Berufsordnungen und Standesregeln vor, dass diese der Schweigepflicht unterliegen.
  • StGB: Die Verletzung von Privatgeheimnissen ist nach § 203 StGB strafbewehrt. Dieser Paragraph stellt unter anderem die Verletzung der Schweigepflicht durch bestimmte Berufsgruppen unter Strafe.
  • Bundesdatenschutzgesetz (BDSG): Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) enthält zahlreiche Vorschriften zum Schutz der Persönlichkeitsrechte bei der Verarbeitung personenbezogener Daten. § 53 BDSG regelt die datenschutzrechtliche Schweigepflicht.

Berufsgruppen

Die Schweigepflicht gilt für verschiedene Berufsgruppen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Zugang zu vertraulichen Informationen erhalten. Hier einige Beispiele:

  • Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten
  • Rechtsanwälte und Notare
  • Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer
  • Heilpraktiker, Krankenpfleger und medizinisches Fachpersonal
  • Sozialarbeiter, Familienberater und Eheberater
  • Apotheker

Ausnahmen von der Schweigepflicht: Wo die Rechtsprechung Spielräume lässt

Eine Ausnahme von der Schweigepflicht ergibt sich aus dem § 138 StGB, der eine Anzeigepflicht für bestimmte Straftaten normiert. Wer Kenntnis von geplanten schweren Straftaten, wie etwa Mord, Raub oder Kindesmisshandlung, erhält und schweigt, macht sich selbst strafbar. In solchen Fällen hat die öffentliche Sicherheit Vorrang vor der beruflichen Schweigepflicht.

Eine weitere Ausnahme bildet das sogenannte Zeugnisverweigerungsrecht. Selbst wenn eine Person nach § 53 StPO zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, kann sie nach § 55 StPO das Zeugenaussageverweigerungsrecht für sich beanspruchen. Dies gilt aber nur, wenn diese Aussage dazu führen könnte, dass die betreffende Person oder eine enge, ihr nahestehende Person, selbst einer Straftat beschuldigt werden könnte.

Verhältnis zwischen Schweigepflicht und Datenschutz

Die Schweigepflicht steht eng im Zusammenhang mit dem Datenschutz. Gemäß der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) haben Personen ein Grundrecht auf Schutz ihrer persönlichen Daten. Eine Offenbarung dieser Daten gegen den Willen der betroffenen Person ist grundsätzlich unzulässig und kann nur in klar definierten Ausnahmesituationen erfolgen.

Zwar gibt es Überschneidungen zwischen der Schweigepflicht und dem Datenschutz, doch sie sind nicht identisch. Der Datenschutz bezieht sich auf den Umgang mit personenbezogenen Daten im Allgemeinen, während die Schweigepflicht speziell für bestimmte Berufsgruppen wie Ärzte, Anwälte und Steuerberater gilt und in einzelnen Gesetzen wie der Bundesärzteordnung oder der Bundesrechtsanwaltsordnung geregelt ist.

Gerichtsurteile zur Schweigepflicht

Im Laufe der Zeit gab es einige bemerkenswerte Gerichtsentscheidungen. Nachfolgend werden einige bahnbrechende Urteile präsentiert, die in den letzten Jahren ergangen sind:

  • Urteil des BGH vom 29. März 2017 (Az. XII ZB 157/16): Der Bundesgerichtshof hat in diesem Urteil klargestellt, dass Rechtsanwälte auch dann schweigepflichtig bleiben, wenn ihre Mandanten verstorben sind. Damit genießen Verstorbene auch postmortal den Schutz ihrer persönlichkeitsrechtlichen Interessen.
  • Urteil des BAG vom 21. Juni 2016 (Az. 9 AZR 791/14): Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass Arbeitgeber keine Auskunft über die Diagnose oder den Gesundheitszustand von Arbeitnehmern verlangen dürfen, wenn keine triftige Begründung vorliegt. In diesem Fall ist der Arzt an die Schweigepflicht gebunden.
  • Urteil des BVerwG vom 27. Januar 2015 (Az. BVerwG 10 C 7.14): Das Bundesverwaltungsgericht bekräftigte, dass die Schweigepflicht auch für Sozialleistungsträger gilt, wie zum Beispiel die Bundesagentur für Arbeit. Sozialleistungsträger dürfen Daten über Leistungsempfänger grundsätzlich nur im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben verarbeiten und weitergeben.
  • Urteil des BGH vom 18. Mai 2010 (Az. 5 StR 394/09): Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass die Schweigepflicht von Ärzten bei Gefahr im Verzug durchbrochen werden darf, sprich, wenn der Arzt durch gezielte Offenbarung einer Tatsache Leben, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit einer anderen Person schützen kann oder Straftaten verhindern möchte.

FAQs

Hier werden einige der am häufigsten gestellten Fragen zur Schweigepflicht beantwortet:

Wie lange gilt die Schweigepflicht?
Die Schweigepflicht gilt grundsätzlich unbefristet. Sie endet auch nicht mit dem Tod der betroffenen Person, es sei denn, es liegt eine ausdrückliche Einwilligung der verstorbenen Person oder deren Angehörigen vor.

Gilt die Schweigepflicht auch für Minderjährige?
Ja, die Schweigepflicht gilt auch für minderjährige Personen. Allerdings kann in bestimmten Fällen die Einwilligung der Erziehungsberechtigten erforderlich sein, um den Schutz der Schweigepflicht aufzuheben.

Können schweigepflichtige Personen Informationen an andere schweigepflichtige Personen weitergeben?
Grundsätzlich dürfen schweigepflichtige Personen Informationen nur an andere schweigepflichtige Personen weitergeben, wenn die betroffene Person zugestimmt hat oder eine gesetzliche Grundlage dafür besteht. In Einzelfällen kann eine Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Berufsgruppen jedoch von Vorteil sein, zum Beispiel zwischen Ärzten und Psychotherapeuten.

Muss ich meiner Versicherung gegenüber die Schweigepflicht aufheben?
In bestimmten Fällen kann es erforderlich sein, den Schutz der Schweigepflicht gegenüber der Versicherung aufzuheben, um Ansprüche geltend zu machen oder einen Vertrag abzuschließen. Dies sollte jedoch nur geschehen, nachdem Sie sich rechtlich beraten haben und die Notwendigkeit der Offenlegung von Informationen klar ist.

Bin ich als Laie (z. B. als Freund oder Familienmitglied) zur Schweigepflicht verpflichtet?
Nein, die Schweigepflicht betrifft nur bestimmte Berufsgruppen, die im Rahmen ihrer Tätigkeit Zugang zu vertraulichen Informationen erhalten. Als Laie sind Sie grundsätzlich nicht zur Schweigepflicht verpflichtet. Dennoch kann es ratsam sein, vertrauliche Informationen, die Ihnen anvertraut wurden, nicht weiterzugeben, um das Vertrauen und den persönlichen Schutz anderer zu wahren.

Zusammenfassung

Die Schweigepflicht ist eine bedeutende Verpflichtung, die bestimmten Berufsgruppen obliegt, um die Privatsphäre und Vertraulichkeit von Informationen zu schützen. Dieser umfassende Artikel hat die Bedeutung der Schweigepflicht, ihre rechtlichen Grundlagen, betroffenen Berufsgruppen, Ausnahmen sowie aktuelle Gerichtsurteile behandelt. Zudem wurden häufig gestellte Fragen beantwortet, um sowohl für Experten als auch für Laien ein fundiertes Verständnis der Thematik zu schaffen.

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