Selbstvornahme nach § 637 – Ein wesentlicher Aspekt im Baurecht, der sowohl Bauherren als auch Bauunternehmen betrifft und die Rechte und Pflichten beider Parteien im Falle von Mängeln am Bauwerk definiert. In diesem Beitrag erfahren Sie alles, was Sie über das Recht zur Selbstvornahme wissen müssen, einschließlich relevanter Bestimmungen und Konsequenzen für die Beteiligten.

Inhaltsverzeichnis:

  • Grundlagen der Selbstvornahme: Rechtliche Grundlagen eines wichtigen Baurechtsinstruments
  • Voraussetzungen für die Selbstvornahme: Wann Bauherren auf eigene Faust tätig werden können
  • Nacherfüllungsverlangen und Fristsetzung: Rechtliche Anforderungen als Voraussetzung für die Selbstvornahme
  • Abnahme und Gewährleistungsfristen: Welche Zeitfenster für die Selbstvornahme relevant sind
  • Kostenübernahme und Schadensersatzansprüche: Rechtsfolgen der Selbstvornahme für Bauunternehmer und Bauherren
  • Fallbeispiel zur Verdeutlichung der Selbstvornahme in der Praxis
  • Die richtige Vorgehensweise: Checkliste zur Selbstvornahme für Bauherren und Bauunternehmer

Grundlagen der Selbstvornahme: Rechtliche Grundlagen eines wichtigen Baurechtsinstruments

Die Selbstvornahme im Baurecht ist in § 637 BGB geregelt und bietet Bauherren die Möglichkeit, bei Mängeln am Bauwerk selbst Hand anzulegen oder Dritte damit zu beauftragen, sofern der Bauunternehmer seiner vertraglichen Nacherfüllungspflicht nicht nachkommt. Dieses Recht dient dem Schutz der Bauherren und soll sicherstellen, dass sie nicht aufgrund der Untätigkeit des Bauunternehmers in ihren Rechten beeinträchtigt werden.

Voraussetzungen für die Selbstvornahme: Wann Bauherren auf eigene Faust tätig werden können

Die Selbstvornahme ist allerdings an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Damit Bauherren von ihrem Recht zur Selbstvornahme Gebrauch machen können, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:

  • Vorliegen eines Mangels am Bauwerk, der auf das Verschulden des Bauunternehmers zurückzuführen ist
  • Die Nacherfüllung durch den Bauunternehmer wurde bisher nicht oder nicht in ausreichender Weise durchgeführt
  • Der Bauherr hat dem Bauunternehmer erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt

Nacherfüllungsverlangen und Fristsetzung: Rechtliche Anforderungen als Voraussetzung für die Selbstvornahme

Ein zentraler Aspekt für die Selbstvornahme ist das Nacherfüllungsverlangen. Der Bauherr muss den Bauunternehmer ausdrücklich und schriftlich zur Nacherfüllung auffordern und dabei die festgestellten Mängel genau benennen. Gleichzeitig muss der Bauherr eine angemessene Frist setzen, innerhalb derer der Bauunternehmer die Mängel beseitigen soll.

Die Länge der zu setzenden Frist hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie zum Beispiel der Art und Schwere des Mangels, dem Umfang der erforderlichen Arbeiten sowie der Kapazität des Bauunternehmers. In der Regel gilt jedoch, dass die gesetzte Frist nicht zu knapp bemessen sein darf, um dem Bauunternehmer genügend Zeit für die Nacherfüllung zu geben.

Abnahme und Gewährleistungsfristen: Welche Zeitfenster für die Selbstvornahme relevant sind

Für die Selbstvornahme ist es entscheidend, dass die Mängel noch innerhalb der Gewährleistungsfrist geltend gemacht werden. Diese beträgt im Baurecht gemäß § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB fünf Jahre ab Abnahme des Bauwerks. Nach Ablauf dieser Frist erlischt der Anspruch auf Nacherfüllung und damit auch die Möglichkeit zur Selbstvornahme.

Kostenübernahme und Schadensersatzansprüche: Rechtsfolgen der Selbstvornahme für Bauunternehmer und Bauherren

Entscheidet sich der Bauherr zur Selbstvornahme, hat dies Auswirkungen auf die Kostenverteilung und Schadensersatzansprüche. Bezüglich der Kostenübernahme gilt:

  • Bauunternehmer muss die Kosten für die Selbstvornahme nach § 637 Abs. 2 BGB übernehmen
  • Dies gilt auch für eventuelle notwendige Gutachten oder Sachverständige zur Aufklärung des Mangels
  • Durchsetzung des Anspruchs auf Kostenübernahme kann notfalls über einen gerichtlichen Mahnbescheid oder Klage erfolgen

Bezüglich Schadensersatzansprüche gilt Folgendes:

  • Bauherr hat neben dem Recht zur Selbstvornahme auch einen Schadensersatzanspruch nach § 280 BGB
  • Dieser umfasst nicht nur die reinen Reparaturkosten, sondern auch eventuell entstandene Folgeschäden oder Nutzungsausfälle
  • Die Geltendmachung des Schadensersatzes setzt jedoch ein Verschulden des Bauunternehmers voraus

Fallbeispiel zur Verdeutlichung der Selbstvornahme in der Praxis

Eine Bauherrin hat einen Bauunternehmer mit der Errichtung ihres Einfamilienhauses beauftragt. Nach der Fertigstellung und Abnahme des Hauses stellt sie massive Feuchtigkeitsprobleme im Keller fest. Die Bauherrin informiert sofort den Bauunternehmer und setzt schriftlich eine Frist von vier Wochen zur Beseitigung der Mängel. Der Bauunternehmer reagiert jedoch nicht und bleibt in den nächsten vier Monaten untätig.

Infolgedessen entscheidet sich die Bauherrin, einen anderen Fachbetrieb mit der Beseitigung der Feuchtigkeitsschäden zu beauftragen. Die Kosten hierfür belaufen sich auf 15.000 Euro. Zusätzlich entstanden in Höhe von 5.000 Euro weitere Folgeschäden aufgrund der Feuchtigkeit. Die Bauherrin hat aufgrund der Nichterfüllung des Bauunternehmers sowohl einen Anspruch auf Selbstvornahme als auch auf Schadensersatz und kann die entstandenen Kosten in Höhe von 20.000 Euro vom ursprünglichen Bauunternehmer einfordern.

Die richtige Vorgehensweise: Checkliste zur Selbstvornahme für Bauherren und Bauunternehmer ausführlich

Um eine reibungslose und rechtlich konforme Selbstvornahme sicherzustellen, sollten Bauherren und Bauunternehmer die folgenden Schritte sorgfältig durchführen und dokumentieren:

  1. Mängelfeststellung und Dokumentation: Bei Feststellung eines Mangels sollte der Bauherr den Mangel detailliert dokumentieren, einschließlich Fotos und Beschreibungen. Dies erleichtert die spätere Kommunikation mit dem Bauunternehmer und kann bei eventuellen gerichtlichen Auseinandersetzungen hilfreich sein.
  2. Nacherfüllungsverlangen: Der Bauherr sollte den Bauunternehmer schriftlich und nachweislich über den Mangel informieren und ihn zur Nacherfüllung auffordern. Hierbei sollten konkrete Angaben zum Mangel sowie zur gewünschten Art der Nacherfüllung gemacht werden.
  3. Fristsetzung: Der Bauherr muss dem Bauunternehmer eine angemessene Frist zur Mängelbeseitigung setzen, innerhalb derer die Nacherfüllung erfolgen soll. Die Dauer dieser Frist richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und kann von wenigen Tagen bis zu mehreren Wochen reichen.
  4. Untätigkeit oder Verweigerung des Bauunternehmers: Die Selbstvornahme ist erst zulässig, wenn der Bauunternehmer trotz Aufforderung und Fristsetzung untätig bleibt oder die Nacherfüllung verweigert. Hier sollte der Bauherr genau dokumentieren, welche Maßnahmen seitens des Bauunternehmers unternommen wurden oder eben nicht.
  5. Auswahl eines alternativen Bauunternehmens: Bei Durchführung der Selbstvornahme sollte der Bauherr einen geeigneten Ersatzbauunternehmer auswählen, der die Mängel beseitigt. Dort sollte das Hauptaugenmerk auf fachlicher Qualifikation und Zuverlässigkeit liegen. Angebote mehrerer Firmen einzuholen und zu vergleichen, kann dabei nützlich sein.
  6. Kommunikation und Dokumentation: Der Bauherr sollte den ursprünglichen Bauunternehmer über die Durchführung der Selbstvornahme informieren und ihm die anfallenden Kosten nennen. Rechnungen, Gutachten und sonstige Dokumente sollten sorgfältig aufbewahrt werden, um später eventuelle Ansprüche auf Schadensersatz und Kostenübernahme durchsetzen zu können.
  7. Einhaltung von Fristen und Formalitäten: Bauherren müssen die gesetzlichen Gewährleistungsfristen beachten und darauf achten, dass sie ihre Ansprüche innerhalb dieser Fristen geltend machen. Zudem sollten sie sicherstellen, dass alle formalen Anforderungen, wie schriftliche Aufforderungen und Fristsetzungen, erfüllt sind.
  8. Rechtliche Beratung: Bei Unklarheiten oder Komplikationen empfiehlt es sich, die Unterstützung eines erfahrenen Anwalts für Baurecht in Anspruch zu nehmen. Er kann sowohl Bauherren als auch Bauunternehmer hinsichtlich ihrer Rechte und Pflichten beraten und bei der Durchsetzung oder Abwehr von Ansprüchen unterstützen.
  9. Deeskalation und Kompromissbereitschaft: Ein konstruktiver Umgang zwischen Bauherr und Bauunternehmer kann dazu beitragen, kostspielige und zeitraubende Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Beide Seiten sollten versuchen, eine einvernehmliche Lösung zu finden und dabei auch Kompromisse einzugehen, um den Streit beizulegen.

Indem Bauherren und Bauunternehmer diese Checkliste befolgen, können sie die Selbstvornahme rechtssicher durchführen und sicherstellen, dass ihre Interessen angemessen gewahrt werden. Gleichzeitig hilft ein respektvoller und lösungsorientierter Umgang dabei, langwierige und kostspielige Auseinandersetzungen zu verhindern und gemeinsam zu einer zufriedenstellenden Lösung zu gelangen.

Fazit: Die Selbstvornahme im Baurecht als effektives Instrument zum Schutz des Bauherrn

Abschließend ist die Selbstvornahme nach § 637 BGB ein wichtiger Mechanismus im deutschen Baurecht, der Bauherren bei Mängeln am Bauwerk ein hohes Maß an Sicherheit und Handlungsspielraum bietet. Sie erlaubt es den Bauherren unter bestimmten Voraussetzungen, selbst oder durch Dritte aktiv zu werden, um Mängel zu beseitigen und die entstandenen Kosten vom Bauunternehmer zurückzuverlangen. Dabei ist es für beide Parteien entscheidend, die gesetzlichen Rahmenbedingungen, Fristen und Anforderungen zu kennen und einzuhalten.

Ein konstruktives Miteinander und eine offene Kommunikation tragen maßgeblich dazu bei, Mängel effizient zu beheben und potenzielle Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Sowohl Bauherren als auch Bauunternehmer sollten in strittigen Fällen oder bei hohen Kosten nicht zögern, die Expertise eines erfahrenen Rechtsanwalts für Baurecht in Anspruch zu nehmen. Dieser kann dazu beitragen, die Rechte der beteiligten Parteien bestmöglich zu wahren und eine faire Lösung im Sinne aller Beteiligten zu finden.

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