Solvency II

Wie beeinflussen die neuen EU-Richtlinien unter Solvency II die Kapitalreserven von Versicherungsunternehmen und deren Risikomanagement?

Solvency II repräsentiert eine fundamentale Veränderung der Aufsichtspraktiken in der EU-Versicherungsbranche. Die Direktive etabliert risikoorientierte Solvabilitätsvorschriften. Sie definiert, wie Versicherer ihre Eigenmittel und das Risikomanagement strukturieren müssen. Diese Standards zielen darauf ab, die finanzielle Solidität der Versicherer zu erhöhen.

Unter Solvency II müssen Versicherer umfangreiche Kapitalreserven basierend auf risikospzifischen Kriterien vorhalten. Kapital wird in drei „Tiers“ entsprechend §§ 91 bis 93 des VAG klassifiziert. Jedes Tier hat definierte Anrechnungsobergrenzen.

Die Regelung bietet auch die Nutzung einer Standardformel für das Solvabilitätskapital sowie interne Modelle zur Risikobewertung. Diese Verfahren gewährleisten, dass die Versicherer ausreichend kapitalisiert sind, um Verluste absorbieren zu können.

Ein wesentliches Merkmal von Solvency II ist die Förderung von Investitionen in umweltfreundliche Projekte. Diese Neuausrichtung könnte eine tiefgreifende Transformation der Versicherungsindustrie anstoßen und Europas finanzielle Sicherheit verbessern.

Werden die Versicherer den neuen gesetzlichen Anforderungen gerecht und schützen damit die Belange ihrer Versicherten? Diese und weitere Fragen sollen im Folgenden detailliert erörtert werden.

Einführung in Solvency II

Die Solvency II Richtlinie etabliert das Fundament der modernen Versicherungsrichtlinie in Europa. Sie strebt nach hohen Schutzstandards für Verbraucher und finanzieller Stabilität auf dem Versicherungsmarkt. Dieses Regelwerk basiert auf EU-Gesetzgebung und gliedert sich in drei Säulen. Jede Säule adressiert spezifische Aufsichtsaspekte.

Die erste Säule definiert finanzielle Mindeststandards zum Schutz der Versicherungsnehmer. Hierbei wird zwischen der Mindestkapitalanforderung (MCR) und der Solvabilitätskapitalanforderung (SCR) unterschieden. Die Berechnung des SCR erfolgt mittels Standardformel oder internem Modell, basierend auf qualitativ hochwertigen Daten.

Die zweite Säule konzentriert sich auf Aufsichtsprinzipien und qualitative Anforderungen. Dabei geht es um Governance, Risikomanagement, die eigene Risiko- und Solvabilitätsbeurteilung (ORSA), interne Kontrollen und aktuarielle Funktionen. Diese Elemente gewährleisten, dass Versicherungsunternehmen robuste Prozesse für das Risikomanagement implementieren.

In der dritten Säule steht die Marktdisziplin im Fokus, gefördert durch Transparenz und Berichterstattung. Versicherer sind verpflichtet, detaillierte Berichte an Aufsichtsorgane zu übermitteln. Dies soll effiziente Überwachung und Markttransparenz sichern. Für die Berichterstattung existieren innerhalb der EU standardisierte Richtlinien und Fristen.

Der rechtliche Rahmen für Solvency II basiert auf der Versicherungsrichtlinie 2009/138/EG. In Deutschland wurde er durch das VAG zum 1. Januar 2016 inkorporiert. Diese Gesetzgebung betrifft sowohl Erst- als auch Rückversicherungsunternehmen, ausgenommen Pensionskassen und kleinere Versicherer mit geringem Geschäftsvolumen.

Nach einer über 13-jährigen Entwicklungsphase legen die strikten Vorgaben den Grundstein für eine stabile, transparente Versicherungswirtschaft in Europa. Solvency II stärkt nachhaltig finanzielle Stabilität und Sicherheit der Versicherungsnehmer.

Kapitalanforderungen unter Solvency II

Seit dem 1. Januar 2016 reguliert die Solvency-II-Richtlinie die Kapitalanforderungen in der europäischen Versicherungsbranche grundlegend. Sie gewährleistet, dass Versicherungsgesellschaften genügend Eigenkapital besitzen. Dies dient dazu, negativen Ereignissen zu begegnen, die statistisch gesehen einmal alle 200 Jahre vorkommen. Solvenzkapitalanforderung (SCR) und Mindestkapitalanforderung (MCR) sind Schlüsselkonzepte innerhalb dieser Richtlinie.

Basiseigenmittel und Anrechnungsgrenzen

Eigenmittel von Versicherungsunternehmen teilen sich unter Solvency II in drei Klassen von Qualität. Diese Aufteilung ist kritisch für eine korrekte Bewertung der Deckungsakkord. Strikte Anrechnungsgrenzen garantieren die Berücksichtigung hochwertiger Kapitalinstrumente. Ist die Bedeckungsquote eines Unternehmens über 100%, signalisiert dies angemessene Kapitalreserven für die Solvenzanforderungen.

Kapitalanforderungen unter Solvency II

Standardformel und interne Modelle

Versicherern stehen für die Berechnung der Solvenzkapitalanforderung (SCR) zwei Wege offen. Eine Möglichkeit ist die Nutzung der Standardformel. Sie bietet eine einheitliche Methode, die auf alle Anwender zutrifft. Im Gegensatz hierzu erlauben interne Modelle, unternehmensspezifische Risikolandschaften detaillierter abzubilden. Dadurch wird eine präzisere Risikobewertung möglich, die auch partielle Modelle für spezifische Risikosegmente einschließen kann.

Risikomodule in der Standardformel

Die Standardformel setzt sich aus diversen Risikomodulen zusammen. Diese Module decken unterschiedliche Risikotypen ab, wie Marktrisiko, Kreditrisiko, Versicherungsrisiko und operationelle Risiken. Jedes Modul hilft dabei, ein detailliertes Risikoprofil des Versicherungsunternehmens auf einem 99,5%-igen Konfidenzniveau über ein Jahr zu erstellen. Ziel ist es, unerwartete Verluste effektiv abdecken zu können.

Risikomanagement im Rahmen von Solvency II

Im Zentrum von Solvency II steht das Risikomanagement, entscheidend für die Finanzkonsistenz der Assekuranzakteure. Es verlangt von den Gesellschaften, alle messbaren Risiken umfassend zu steuern.

Ein Schlüsselelement bildet das Own Risk and Solvency Assessment (ORSA). Dieses ist eine Eigenbewertung der Risikolage und der langzeitigen Zahlungsfähigkeit. Durch ORSA strebt man anhaltende finanzielle Stabilität an, um den Versicherungsnehmern mehr Sicherheit zu bieten.

Eine Untersuchung des deutschen Marktes ergab, dass 83 Versicherungsfirmen teilgenommen haben, die zusammengenommen Beiträge von über 50 Mrd. Euro erwirtschaften. Diese Firmen stellen etwa ein Drittel des Versicherungsgeschäfts in Deutschland dar. Mehrheitlich waren Schaden- und Unfallversicherer vertreten, gefolgt von Lebensversicherern und anderen.

Von diesen waren 66% Aktiengesellschaften, 23% mutualistische Versicherungsvereine und 11% öffentliche Versicherer. Die hohe Beteiligung zeigt die große Bedeutung, die dem Risikomanagement und der Governance beigemessen wird.

Mit Beginn des Jahres 2016 trat Solvency II offiziell in Kraft. Das Ziel zielt darauf ab, das Management von Risiken zu verbessern und einheitliche Standards zu schaffen. Es soll den ökonomischen Erfolg von Versicherungsunternehmen dauerhaft gewährleisten. Meyerthole Siems Kohlruss (MSK) steht Versicherern bei, sowohl bei ORSA als auch bei der Festlegung des Solvenzkapitals und der Umsetzung von regulatorischen Vorgaben.

Zusammengefasst ist festzuhalten, dass ein fundiertes Risikomanagement und eine wirksame Governance entscheidende Faktoren unter Solvency II darstellen. Es geht darum, Versicherungsrisiken effektiv zu managen und die finanzielle Stabilität zu stärken.

Regulatorische Anforderungen und Aufsicht

Im Rahmen von Solvency II müssen Versicherungsunternehmen strikten regulatorischen Anforderungen genügen. Diese umfassen auch die Einhaltung spezifischer aufsichtsrechtlicher Vorgaben. Durch diese Vorschriften ist gewährleistet, dass Versicherer genügend Kapital vorhalten. Ebenso wird ein effizientes Risikomanagement gefordert.

regulatorische Anforderungen

Die verschiedenen Ebenen der Gesetzgebung

Die Gesetzesstruktur von Solvency II ist mehrschichtig. Sie setzt sich aus der EU-Richtlinie, delegierten Rechtsakten und bindenden technischen Standards zusammen. Hinzu kommen aufsichtliche Leitlinien. Diese Elemente definieren die aufsichtsrechtlichen Vorgaben präzise. Delegierte Rechtsakte, wie beispielsweise die Verordnung 2015/35, bedürfen regelmäßiger Überarbeitungen. Dies ist notwendig, um sie an neue Entwicklungen anzupassen.

Vor diesem Hintergrund waren seit der Etablierung der Delegierten Verordnung 2015/35 kontinuierliche Anpassungen unumgänglich. Insbesondere die im September 2021 von der Europäischen Kommission veröffentlichten Legislativvorschläge zur Modifikation der Solvency-II-Richtlinie verdienen Erwähnung. Sie beinhalten signifikante Änderungen, darunter jene im Bereich der Extrapolation der Zinssätze und Modifikationen bei der Bewertung des Aktienrisikos.

Aufsicht und Berichterstattung

Ein zentrales Element von Solvency II ist die Pflicht zur Berichterstattung für Versicherungsunternehmen. Diese müssen detaillierte Angaben zu ihrer Solvabilitäts- und Finanzsituation machen. Die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen (EIOPA) spielt dabei eine Schlüsselrolle. Sie standardisiert und überprüft die eingehenden Berichte.

In diesem Kontext ist festzuhalten, dass die Berichtspflichten weitreichend sind. Versicherer müssen nicht nur jährliche, sondern auch quartalsweise Berichte einreichen. Diese Vorgaben tragen zu einer hohen Transparenz bei. Sie stärken dadurch das Vertrauen in die finanzielle Stabilität des Versicherungssektors.

Mindestkapitalanforderungen und Sicherheitsmechanismen

Die Implementierung von Solvency II im Jahre 2010 initiierte bedeutende Standards für die Assekuranz. Diese Normen zwingen Versicherer, durchgängig über adäquate Basiseigenmittel zu verfügen. Dies trifft zu, um die Mindestkapitalanforderungen zu erfüllen. Ziel ist es, eine schnelle Reaktionsfähigkeit der Unternehmen in Perioden finanzieller Turbulenzen zu gewährleisten und die Versicherten zu schützen.

Maßnahmen zur Sicherstellung der Finanzstabilität

Innerhalb des Rahmens von Solvency II gewährleisten rigide Sicherheitsmechanismen, wie die Mindestkapitalanforderungen und Solvency Control Levels, die Möglichkeit eines präventiven Eingriffs durch Regulierungsbehörden. Falls diese Vorgaben nicht erfüllt sind, können entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. Hierzu gehören unter anderem die Etablierung eines internen Kapitalbedarfsmanagements und die Implementierung eines ausgereiften Risikomanagements.

  • Einrichtung eines internen Kapitalanforderungssystems, um die Risiken ordnungsgemäß zu managen
  • Implementierung eines umfassenden Risikomanagementsystems

Der SRP (Supervisory Review Process) befähigt die Aufsichtsorgane, bei Nichteinhaltung der Mindeststandards frühzeitig einzugreifen. Ein Unterschreiten der Mindestkapitalanforderungen kann eine Betriebseinstellung nach sich ziehen.

Des Weiteren regelt die Aufsicht, dass die Einhaltung der Solvency Capital Requirement (SCR) durch Lebensversicherer sorgfältig kontrolliert wird. Gemäß der Daten von 2017 erreichten sämtliche Lebensversicherer eine SCR-Deckungsquote von 382,1 %. Dabei beliefen sich die qualifizierten Eigenmittel zur SCR-Abdeckung auf 121,1 Milliarden Euro.

Diese Maßnahmen leisteten einen entscheidenden Beitrag zur Finanzstabilität im Versicherungssektor. Sie garantieren, dass die Firmen solide kapitalisiert sind und vor abrupten finanziellen Krisen abgesichert bleiben.

Fazit

Seit dem 1. Januar 2016 hat Solvency II markante Veränderungen im europäischen Versicherungsmarkt initiiert. Dieser einheitliche regulatorische Rahmen zielt darauf ab, finanzielle Stabilität zu gewährleisten und den Schutz der Versicherten zu verstärken. Versicherer profitieren von den strikten Kapitalanforderungen und innovativen Risikomodellen, die eine effizientere Verwaltung ihrer Eigenmittel ermöglichen. Ein wesentlicher Aspekt hierbei ist die Freisetzung von Kapital, die durch optimierte Vertragsbedingungen und fortschrittliche IT-Systeme erreicht wird.

Solvency II trägt nicht nur zur finanziellen Sicherheit bei, sondern unterstützt auch nachhaltige Investitionen. Die Regulierung fördert gezielt Initiativen, die der nachhaltigen Entwicklung dienen, sodass Versicherer einen Beitrag zu einer ökologischeren Zukunft leisten können. Priorität erhalten dabei Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen und die digitale Transformation. Diese strategischen Neuausrichtungen adressieren gegenwärtige Herausforderungen und sichern die langfristige Tragfähigkeit des Sektors.

Der „Solvency II Review“ erlaubt eine kontinuierliche Optimierung der regulatorischen Vorgaben. Es wird schnell auf aktuelle Marktverhältnisse und Risikokonstellationen reagiert. Auch für zukünftige Herausforderungen werden Vorkehrungen getroffen. Dies umfasst Anpassungen bei Gebührenstrukturen und die Konsolidierung von Akteuren auf dem Markt. Die Anforderungen an den elektronischen Datentransfer steigen, parallel entstehen neue Datenservice-Angebote. Trotz potenzieller Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit Fondsanbietern außerhalb des EWR sichert Solvency II einen stabilen Rahmen. Dieser ermöglicht es den Versicherern, zu expandieren und gleichzeitig die finanzielle Sicherheit der Versicherten nicht zu gefährden.

FAQ

Was ist Solvency II?

Solvency II stellt ein EU-weites Regelwerk dar. Es legt risikobasierte Solvabilitätsvorschriften fest und definiert den Rahmen für Eigenmittel und Risikomanagement in Versicherungsunternehmen. Die Grundlage bildet EU-Richtlinie 2009/138/EG.

Welche Ziele verfolgt Solvency II?

Das Hauptziel von Solvency II ist die Schaffung eines einheitlichen europäischen Versicherungsmarktes. Dieser Markt soll durch effektive Sicherheitsstandards und robusten Verbraucherschutz gekennzeichnet sein. Eine risikobasierte Ausrichtung wird gefördert, Marktentwicklungen wie negative Zinsen werden berücksichtigt.

Wie wird die Solvabilitätskapitalanforderung (SCR) berechnet?

Die Berechnung der SCR basiert auf einem Konfidenzniveau von 99,5% über ein Jahr. Ziel ist es, unerwartete Verluste abzudecken. Versicherer haben die Option, die SCR mittels Standardformel oder einem genehmigten internen Modell zu kalkulieren.

Was sind Basiseigenmittel und wie werden sie klassifiziert?

Basiseigenmittel sind in drei Klassen eingeteilt. Dies garantiert, dass Versicherungsunternehmen ausreichende finanzielle Ressourcen besitzen. Die Einteilung ist in EU-Verordnung 2015/35 präzisiert.

Was versteht man unter dem Own Risk and Solvency Assessment (ORSA)?

ORSA repräsentiert die Selbstbewertung eines Unternehmens in Bezug auf Risiken und Solvabilität. Unternehmen sind zur Bewertung ihrer finanziellen Stabilität verpflichtet. Dies dient dem Schutz der Versicherungsnehmer.

Welche regulatorischen Anforderungen und aufsichtsrechtlichen Vorgaben gibt es unter Solvency II?

Solvency II besteht aus mehreren Gesetzgebungsebenen. Darunter fallen EU-Richtlinien, delegierte Rechtsakte, technische Standards und Leitlinien. Diese Vorgaben definieren die Anforderungen an die Versicherungsunternehmen genau.

Was passiert, wenn ein Versicherungsunternehmen die Mindestkapitalanforderungen nicht erfüllt?

Nichterfüllung der Mindestkapitalanforderungen kann zur Einstellung des Geschäftsbetriebs führen. Diese Vorschriften schützen die Interessen der Versicherten bei finanzieller Instabilität des Unternehmens.

Wie unterstützt der „Solvency II Review“ die Transformation der EU-Infrastruktur?

Der „Solvency II Review“ erleichtert die Kapitalanforderungen. Er fokussiert auf „grüne“ Anlagen. Dies unterstützt die EU-Infrastrukturtransformation und ermöglicht Versicherern Investitionen in nachhaltige Projekte.

Was sind die Maßnahmen zur Sicherstellung der Finanzstabilität unter Solvency II?

Versicherungsunternehmen müssen unter Solvency II umfassende Risikomanagementsysteme implementieren. Sie sind zur regelmäßigen Berichterstattung ihrer Solvabilitäts- und Finanzlage verpflichtet. Diese Maßnahmen schützen die Versicherungsnehmer und tragen zur Finanzstabilität bei.

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