Die Sterbehilfe ist ein sehr sensibles und kontrovers diskutiertes Thema, sowohl in der Gesellschaft als auch im Recht. In diesem Blog-Beitrag widmen wir uns den verschiedenen Aspekten der Sterbehilfe, ihren rechtlichen Voraussetzungen und den ethischen Fragestellungen, die sich dabei ergeben.

Arten der Sterbehilfe

Zunächst ist es wichtig, die verschiedenen Arten der Sterbehilfe zu unterscheiden:

  • Passive Sterbehilfe: Der Arzt oder ein anderer Beteiligter unterlässt lebensverlängernde Maßnahmen, um ein natürliches und würdevolles Sterben zu ermöglichen.
  • Indirekte Sterbehilfe: Die Verabreichung von schmerzlindernden Medikamenten führt unbeabsichtigt zu einer Verkürzung der Lebenszeit des Patienten.
  • Assistierte Sterbehilfe: Auf Wunsch des Patienten wird dieser beim Suizid unterstützt, beispielsweise durch die Bereitstellung von letalen Medikamenten.
  • Aktive Sterbehilfe: Der Arzt oder ein anderer Beteiligter führt direkt eine Handlung aus, die den Tod des Patienten herbeiführt, z. B. durch eine tödlich wirkende Injektion.

Aktuelle Rechtslage in Deutschland

Die Rechtslage in Deutschland hat sich hinsichtlich Sterbehilfe in den letzten Jahren verändert. Im Jahr 2015 wurde durch das Strafgesetzbuch (StGB) § 217 ein Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung eingeführt. Dies bedeutet, dass es nach wie vor legal ist, sterbewilligen Menschen beim Suizid zu assistieren, sofern dies nicht wiederholt und auf geschäftsmäßige Weise erfolgt. Im Februar 2020 wurde jedoch der § 217 StGB vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt, da er das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht auf Selbstbestimmung verletze. Daher wird eine gesetzliche Neuregelung erwartet.

In der Praxis sieht die aktuelle Rechtslage wie folgt aus:

  • Die passive Sterbehilfe ist legal, sofern sie dem Patientenwillen entspricht. Dies kann durch eine Patientenverfügung oder eine mündliche Äußerung gegenüber dem medizinischen Personal festgelegt werden.
  • Die indirekte Sterbehilfe ist ebenfalls legal, sofern sie auf Wunsch des Patienten erfolgt und das Ziel der Schmerzlinderung verfolgt.
  • Die assistierte Sterbehilfe ist straffrei, solange sie nicht geschäftsmäßig betrieben wird.
  • Aktive Sterbehilfe wird als Totschlag oder Mord eingestuft und bleibt strafbar.

Entwicklungen im europäischen Ausland

Die rechtlichen Regelungen zur Sterbehilfe unterscheiden sich in Europa erheblich. Einige Länder haben liberalere Gesetzgebungen, während andere restriktiver sind.

  • Niederlande: Seit 2002 ist aktive Sterbehilfe unter bestimmten Voraussetzungen legal: Der Patient muss unter unerträglichem Leid stehen, es muss keine Aussicht auf Besserung geben, und es muss der ausdrückliche Wunsch des Patienten sein. Zudem müssen zwei Ärzte zustimmen.
  • Belgien: Belgien hat seit 2002 ähnliche Regelungen wie die Niederlande. Zusätzlich ist die aktive Sterbehilfe auch für minderjährige Patienten unter bestimmten Bedingungen möglich.
  • Luxemburg: Luxemburg erlaubt seit 2009 die aktive Sterbehilfe unter ähnlichen Bedingungen wie die Niederlande und Belgien.
  • Schweiz: In der Schweiz ist lediglich die assistierte Sterbehilfe legal. Organisierte Organisationen wie Dignitas und Exit ermöglichen assistierten Suizid für sterbewillige Menschen.

Aktuelle Gerichtsurteile

Neben der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Nichtigkeit des § 217 StGB wurden in den letzten Jahren mehrere Urteile zur Sterbehilfe gefällt, die wichtige Aspekte in der Diskussion um das Thema beleuchten:

  1. Bundesverfassungsgericht, 2017: Eine Frau, die querschnittsgelähmt war und im Wachkoma lag, wurde von ihrer Tochter erfolgreich zur Einstellung der künstlichen Ernährung und dem Entfernen ihres Luftröhrenschnitts vor Gericht vertreten. Dies wurde als passiven Sterbehilfe gewertet.
  2. Oberlandesgericht München, 2018: Ein Mann, der als Pfleger tätig war, wurde vom Vorwurf des versuchten Mordes freigesprochen, nachdem er auf Wunsch einer Patientin deren Insulinpumpe abgeschaltet hatte. Dies wurde als assistierte Sterbehilfe gewertet.
  3. Bundesverwaltungsgericht, 2017: Das Gericht entschied, dass der Zugang zu letalen Medikamenten zur Selbsttötung in extremen Ausnahmefällen und nach individueller Prüfung gewährt werden kann. Dies stellt jedoch keine generelle Erlaubnis zur assistierten Sterbehilfe dar.

Ethische Bewertung

Die ethischen Fragestellungen sind von großer Bedeutung und oft kontrovers. Im Folgenden sollen die grundlegenden Positionen und Argumente gegenübergestellt werden:

Pro Sterbehilfe

  1. Selbstbestimmungsrecht: Jeder Mensch hat das Recht, über sein eigenes Leben zu bestimmen und damit auch das Recht, frei über sein Lebensende zu entscheiden.
  2. Würdevolles Sterben: Sterbehilfe ermöglicht ein humanes und würdevolles Sterben ohne unnötiges Leid.
  3. Ehrliche Kommunikation: Die Legalisierung der Sterbehilfe fördert die offene Auseinandersetzung mit dem Tod und ermöglicht eine ehrliche Kommunikation zwischen Patienten, Angehörigen und Medizinern.

Gegen Sterbehilfe

  1. Ärztliche Ethik: Ärzte haben die Aufgabe, Leben zu erhalten und zu schützen, und sollten daher nicht in die Rolle des Tötens gebracht werden.
  2. Missbrauch und wirtschaftlicher Druck: Eine Legalisierung der aktiven Sterbehilfe birgt die Gefahr von Missbrauch und wirtschaftlichem Druck auf Patienten und Angehörige.
  3. Bewusstseinsschaffung für Palliativmedizin: Anstatt der Sterbehilfe sollte die gesellschaftliche und medizinische Anerkennung der palliativen Medizin im Vordergrund stehen.

FAQs

Wo finde ich eine hilfreiche Patientenverfügung?

Eine Patientenverfügung kann online gefunden oder von einem Anwalt erstellt werden. Es ist ratsam, die Patientenverfügung regelmäßig zu aktualisieren und sicherzustellen, dass sie von einer Vertrauensperson und medizinischem Personal eingesehen werden kann.

Was ist eine Vorsorgevollmacht und welche Rolle spielt sie im Zusammenhang mit Sterbehilfe?

Die Vorsorgevollmacht ermächtigt eine Vertrauensperson oder einen Bevollmächtigten, Entscheidungen für den Patienten zu treffen, wenn dieser selbst dazu nicht mehr in der Lage ist. Dies kann auch Entscheidungen über medizinische Behandlungen und Sterbehilfe einschließen, wenn dies in der Vorsorgevollmacht entsprechend festgelegt ist.

Kann ich in einem anderen Land Sterbehilfe in Anspruch nehmen, wenn sie in meinem Heimatland verboten ist?

Einige Länder, wie die Schweiz, ermöglichen Sterbehilfe auch für ausländische Patienten. Allerdings sollte man bedenken, dass sich dadurch rechtliche und ethische Fragen ergeben, insbesondere in Bezug auf die Rechtslage und die Verantwortlichkeiten von Angehörigen.

Wie finde ich geeignete Rechtsbeistand im Zusammenhang mit Sterbehilfe?

Ein erfahrener Rechtsanwalt für Medizinrecht oder Erbrecht kann Ihnen helfen, Patientenverfügungen, Vorsorgevollmachten und andere rechtliche Aspekte im Zusammenhang mit Sterbehilfe zu klären. Suchen Sie gegebenenfalls nach Anwälten, die sich auf Sterbehilfe spezialisiert haben und bereits Erfahrungen in vergleichbaren Fällen gesammelt haben.

Fazit zur Sterbehilfe

Die Sterbehilfe ist ein komplexes und sensibles Thema, das eine breite Palette von rechtlichen, ethischen und persönlichen Fragestellungen berührt. Es ist entscheidend, sich über die verschiedenen Arten der Sterbehilfe, die aktuelle Rechtslage und die unterschiedlichen ethischen Positionen im Klaren zu sein. Die Gesetzgebung befindet sich in einem ständigen Wandel und neue Gerichtsurteile können die Debatten und gesetzlichen Regelungen weiter beeinflussen. Daher ist es ratsam, sich mit aktuellen Entwicklungen und Diskussionen auf nationaler und internationaler Ebene auseinanderzusetzen und entsprechend informiert zu bleiben.

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