Ein Verfahrensbeistand ist eine Person, die ein Kind in familienrechtlichen Streitigkeiten rechtlich vertritt und seine Interessen vertritt. Diese Rolle ist besonders wichtig, da sie dem Kind eine Stimme in einem Verfahren gibt, das seine Zukunft und sein Wohlergehen direkt beeinflusst. In diesem Leitfaden erläutern wir umfassend die Rolle eines Verfahrensbeistands, seine Rechte, Pflichten und den Einfluss auf das Verfahren. Wir werfen auch einen Blick auf aktuelle Gerichtsurteile und wie sie sich auf das Leben von betroffenen Familien auswirken.

Inhaltsverzeichnis

  • Begriffsdefinition
  • Die Bestellung eines Verfahrensbeistands
  • Rechte und Pflichten eines Verfahrensbeistands
  • Der Unterschied zwischen Verfahrensbeistand und Ergänzungspflegschaft
  • Entscheidungsbekanntgabe und historische Entwicklungen
  • Aktuelle Gerichtsurteile und deren Relevanz
  • FAQs: Häufig gestellte Fragen

Begriffsdefinition

Ein Verfahrensbeistand ist eine juristisch geschulte Person, die beauftragt wird, die Interessen eines Kindes oder eines Jugendlichen in einem gerichtlichen Verfahren zu vertreten. Diese Rolle wird in der Regel im Familienrecht eingesetzt, wo die Entscheidungen des Gerichts häufig weitreichende Auswirkungen auf das Leben der beteiligten Kinder haben. Durch die Bestellung eines Verfahrensbeistands erhalten die betroffenen Familien eine wichtige Unterstützung, um ihre Bedenken und Wünsche während des gesamten Prozesses mitzuteilen und konsultativ zur Seite zu stehen.

Die Bestellung eines Verfahrensbeistands

Die Bestellung eines Verfahrensbeistands erfolgt durch das Familiengericht im Rahmen eines gerichtlichen Beschlusses. Dies kann auf Antrag einer Partei, von Amts wegen oder auf Anregung des Jugendamtes erfolgen. Die Bestellung ist in §§ 158 und 159 SGB VIII geregelt.

Das Gesetz sieht folgende Gründe für die Bestellung eines Verfahrensbeistands vor:

  • Wenn das Gericht die persönlichen Verhältnisse eines Minderjährigen ermitteln, seine Erziehungsfähigkeit überprüfen oder seinen Aufenthalt bestimmen muss
  • Wenn das Gericht eine Entscheidung über das elterliche Sorgerecht oder das Umgangsrecht treffen muss
  • Wenn das Gericht Maßnahmen zur Abwendung einer Gefährdung des Kindeswohls entscheiden muss, wie zum Beispiel in einem Verfahren zur Inobhutnahme durch das Jugendamt

Rechte und Pflichten eines Verfahrensbeistands

Der Verfahrensbeistand hat vor allem die Aufgabe, die Interessen und Bedürfnisse des betroffenen Kindes oder Jugendlichen
innerhalb des gerichtlichen Verfahrens angemessen zur Sprache zu bringen und zu vertreten. Hierzu gehört:

  • Der Kontakt zum Kind, um dessen Wünsche und Bedenken kennenzulernen
  • Die Kontaktaufnahme mit anderen am Verfahren beteiligten Personen, wie Eltern, Lehrern, Erziehern oder dem Jugendamt
  • Das Einbringen von Anträgen und Stellungnahmen im Namen des Kindes
  • Das Vorbringen von kindgerechten Formulierungen und Begründungen für die angestrebte Entscheidung

Der Verfahrensbeistand handelt dabei als unabhängige Vertrauensperson und ist allein dem Kindeswohl verpflichtet. Er hat selbst keine eigene Position in der Sache und ist auch kein Mitarbeiter des Gerichts oder des Jugendamtes.

Der Unterschied zwischen Verfahrensbeistand und Ergänzungspflegschaft

Sowohl der Verfahrensbeistand als auch der Ergänzungspfleger haben die Aufgabe, die Interessen und Rechte des Kindes innerhalb eines Gerichtsverfahrens wahrzunehmen und durchzusetzen. Dennoch gibt es Unterschiede:

  • Die Ergänzungspflegschaft ist grundsätzlich auf einzelne Entscheidungen und Angelegenheiten beschränkt, deren Regelung das Gericht für erforderlich hält. Im Gegensatz dazu ist der Verfahrensbeistand für das gesamte gerichtliche Verfahren bestellt.
  • Der Verfahrensbeistand vertritt vor allem die Verfahrensrechte des Kindes, während der Ergänzungspfleger auch inhaltlich handeln muss, um die elterliche Sorge für das Kind auszuüben.

Entscheidungsbekanntgabe und historische Entwicklungen

Die rechtlichen Grundlagen für den Verfahrensbeistand wurden im Jahr 2000 durch das Gesetz zur Reform des Scheidungsrechts eingeführt. Die Vorschrift über die Bestellung eines Verfahrensbeistands wurde in das FamFG (Familienverfahrensgesetz) und das SGB VIII aufgenommen, um Kindern und Jugendlichen Unterstützung in familienrechtlichen Streitigkeiten zu bieten, welche die elterliche Sorge, Aufenthaltsbestimmungen, Umgangsregelungen und Kindeswohlschutz betreffen. Die Entscheidungen dieser Verfahren können weitreichende Auswirkungen auf das Leben der betroffenen Kinder und Jugendlichen haben und es ist von entscheidender Bedeutung, dass ihre Interessen angemessen berücksichtigt werden.

Aktuelle Gerichtsurteile und deren Relevanz

Im Laufe der Jahre gab es mehrere wichtige Gerichtsurteile, die die Rolle und Bedeutung eines Verfahrensbeistands betonen und verdeutlichen. Einige Beispiele:

  • Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 17. Januar 2011 (1 BvR 620/07): Das Bundesverfassungsgericht betonte die Bedeutung eines Verfahrensbeistands als Mittel zur Wahrung der Verfahrensrechte des Kindes, insbesondere wenn der Wunsch des Kindes in Bezug auf seine Unterbringung nicht mit den Interessen der Eltern übereinstimmt.
  • Oberlandesgericht Brandenburg, Beschluss vom 7. März 2013 (9 UF 68/12): Das OLG Brandenburg wies in seiner Entscheidung darauf hin, dass die Bestellung eines Verfahrensbeistands nicht auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt ist und auch nachträglich im Laufe des Verfahrens erfolgen kann.
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 26. April 2018 (1 UF 135/18): In diesem Fall stellte das OLG Frankfurt klar, dass die Anhörung eines minderjährigen Kindes im Rahmen eines Umgangsverfahrens grundsätzlich notwendig ist, um dessen Interessen zu wahren, und dass die Bestellung eines Verfahrensbeistands hierzu beitragen kann.

FAQs: Häufig gestellte Fragen

Wann ist es notwendig, einen Verfahrensbeistand zu bestellen?

Ein Verfahrensbeistand wird bestellt, wenn es im Rahmen eines familienrechtlichen Verfahrens erforderlich ist, die Interessen des betroffenen Kindes angemessen zu vertreten. Dies kann der Fall sein, wenn beispielsweise das Gericht über das Sorgerecht, das Umgangsrecht oder den Aufenthaltsort des Kindes entscheiden muss.

Wer kann Verfahrensbeistand werden?

Grundsätzlich kommt es auf die Qualifikation und Erfahrung des Verfahrensbeistands an. In der Praxis sind Verfahrensbeistände oft Rechtsanwälte, die auf das Familienrecht spezialisiert sind, oder Sozialarbeiter und Psychologen mit einschlägiger Expertise.

Welche Rolle spielt das Jugendamt im Zusammenhang mit einem Verfahrensbeistand?

Das Jugendamt kann die Bestellung eines Verfahrensbeistands anregen, wenn es der Meinung ist, dass dies im Interesse des Kindes wäre. Einmal bestellt, ist der Verfahrensbeistand jedoch unabhängig und nicht im Auftrag des Jugendamtes tätig.

Was passiert, wenn das Kind mit der Bestellung des Verfahrensbeistands nicht einverstanden ist?

In solchen Fällen sollte das Gericht den Wunsch des Kindes berücksichtigen und gegebenenfalls die Notwendigkeit der Bestellung eines Verfahrensbeistands hinterfragen. Denn letztendlich soll ein Verfahrensbeistand die Interessen des Kindes vertreten und Vertrauen schaffen.

Wie lange ist ein Verfahrensbeistand bestellt?

Die Bestellung eines Verfahrensbeistands ist grundsätzlich auf die Dauer des gerichtlichen Verfahrens begrenzt. Eine Fortführung der Bestellung kann jedoch erfolgen, wenn das Gericht dies für erforderlich hält, um die Rechte des Kindes weiterhin zu wahren.

Fazit

Ein Verfahrensbeistand spielt eine entscheidende Rolle bei der Wahrung der Interessen von Kindern und Jugendlichen in familienrechtlichen Auseinandersetzungen. Die Bestellung eines Verfahrensbeistands durch das Familiengericht stellt sicher, dass Kinder und Jugendliche eine angemessene Vertretung und Unterstützung erhalten, damit ihre Bedürfnisse und Wünsche im Rahmen des Verfahrens Gehör finden. Die Kenntnis der rechtlichen Grundlagen, Rechte und Pflichten eines Verfahrensbeistands sowie aktueller Gerichtsurteile ist für alle Beteiligten von großer Bedeutung, um den Kindern und Jugendlichen die bestmögliche Unterstützung zu gewährleisten.

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