In einem Rechtsstreit kann es vorkommen, dass eine Partei der Auffassung ist, dass das Gericht bei der Durchführung des Verfahrens Fehler gemacht hat. In solchen Fällen kann die betroffene Partei eine sogenannte Verfahrensrüge erheben, um das Gericht auf diese Fehler und deren mögliche Auswirkungen auf das Ergebnis des Verfahrens aufmerksam zu machen. In diesem umfassenden Blog-Beitrag werden wir uns eingehend mit der Verfahrensrüge befassen, ihre Bedeutung im deutschen Rechtsprozess erläutern und aufzeigen, wie sie erhoben werden kann und welche Auswirkungen sie auf die weitere Entwicklung des Verfahrens hat.

Inhalt

Was ist eine Verfahrensrüge?

Eine Verfahrensrüge ist ein Rechtsbehelf, der von einer Partei in einem Gerichtsverfahren eingelegt werden kann, um das Gericht auf vermeintliche Verfahrensfehler hinzuweisen. Dabei handelt es sich um Fehler, die im Laufe des Verfahrens aufgetreten sind und die das Ergebnis des Verfahrens beeinflussen können. Die Verfahrensrüge ist im deutschen Rechtssystem insbesondere im Bereich der Revision von Bedeutung, da sie eine der zentralen Voraussetzungen für die Zulassung einer Revision darstellt.

Warum ist die Verfahrensrüge wichtig?

Die Verfahrensrüge ist aus mehreren Gründen von großer Bedeutung im deutschen Rechtsprozess:

  • Sicherung der Rechte der Verfahrensbeteiligten: Durch die Möglichkeit, eine Verfahrensrüge zu erheben, wird sichergestellt, dass die Rechte der Verfahrensbeteiligten auch im Hinblick auf die ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens gewahrt bleiben. Dadurch wird die Rechtssicherheit und das Vertrauen in den Rechtsstaat gestärkt.
  • Überprüfung der Gerichtsentscheidungen: Die Verfahrensrüge ermöglicht eine Überprüfung der Entscheidungen des Gerichts auf mögliche Verfahrensfehler und trägt damit zur Korrektur von Fehlern und zur Rechtsfortbildung bei.
  • Wahrung der Chancengleichheit: Die Möglichkeit, Verfahrensrügen zu erheben, stellt sicher, dass alle Verfahrensbeteiligten die gleichen Möglichkeiten haben, ihre Rechte und Interessen im Verfahren zu wahren und sich gegen mögliche Verfahrensfehler zur Wehr zu setzen.

Voraussetzungen für die Erhebung einer Verfahrensrüge

Um eine Verfahrensrüge erfolgreich erheben zu können, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Verfahrensfehler: Es muss ein Verfahrensfehler vorliegen, der die Durchführung des Verfahrens beeinflusst hat. Dabei kann es sich sowohl um formelle als auch um materielle Fehler handeln.
  • Erheblichkeit des Fehlers: Der Verfahrensfehler muss erheblich sein, das heißt, er muss geeignet sein, das Ergebnis des Verfahrens zu beeinflussen. Die bloße Möglichkeit eines Einflusses genügt dabei nicht; vielmehr muss der Einfluss konkret und nachvollziehbar sein.
  • Rügeobliegenheit: Die Partei, die eine Verfahrensrüge erheben möchte, muss den Verfahrensfehler innerhalb einer bestimmten Frist und in der vorgeschriebenen Form rügen.
  • Substantiierung der Rüge: Die Verfahrensrüge muss hinreichend substantiiert sein, das heißt, der Verfahrensfehler und dessen Einfluss auf das Verfahren müssen konkret und nachvollziehbar dargelegt werden.

Beispiele für Verfahrensrügen

Im Folgenden werden einige Beispiele für Verfahrensrügen aufgeführt, die in der Praxis häufig vorkommen:

  • Verletzung des rechtlichen Gehörs: Eine der am häufigsten erhobenen Verfahrensrügen ist die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Dabei wird beanstandet, dass das Gericht den Vortrag einer Partei nicht ausreichend zur Kenntnis genommen oder gewürdigt hat.
  • Fehlerhafte Beweiswürdigung: Eine weitere häufige Verfahrensrüge ist die Rüge der fehlerhaften Beweiswürdigung. Dabei wird kritisiert, dass das Gericht bei der Würdigung der Beweise Fehler gemacht hat, die das Ergebnis des Verfahrens beeinflusst haben könnten.
  • Fehler bei der Besetzung des Gerichts: Eine Verfahrensrüge kann auch erhoben werden, wenn das Gericht nicht in der vorgeschriebenen Besetzung entschieden hat, etwa weil ein Richter nicht an der Verhandlung teilgenommen hat oder befangen war.
  • Verletzung von Verfahrensvorschriften: Verfahrensrügen können auch auf die Verletzung von Verfahrensvorschriften gestützt werden, etwa wenn das Gericht eine mündliche Verhandlung nicht ordnungsgemäß durchgeführt oder eine Partei nicht rechtzeitig geladen hat.

Rechtsfolgen der Verfahrensrüge

Die Rechtsfolgen einer erfolgreichen Verfahrensrüge können je nach Art des Verfahrensfehlers und der betroffenen Verfahrensstufe unterschiedlich ausfallen:

  • Aufhebung der Entscheidung: In vielen Fällen führt die erfolgreiche Erhebung einer Verfahrensrüge zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Gericht, das die Entscheidung getroffen hat. Dieses muss dann das Verfahren unter Beachtung der beanstandeten Verfahrensfehler fortführen.
  • Änderung der Entscheidung: In einigen Fällen kann das Rechtsmittelgericht auch selbst eine abändernde Entscheidung treffen, wenn es der Auffassung ist, dass dies ohne erneute Durchführung des Verfahrens möglich ist.
  • Verwerfung der Rüge: Eine Verfahrensrüge kann auch verworfen werden, wenn sie unbegründet ist oder die Voraussetzungen für ihre Erhebung nicht erfüllt sind. In diesem Fall bleibt die angefochtene Entscheidung bestehen.

Praktische Tipps zur Erhebung einer Verfahrensrüge

Um eine Verfahrensrüge erfolgreich erheben zu können, sollten Sie folgende Punkte beachten:

  • Rechtzeitige Rüge: Achten Sie darauf, die Verfahrensrüge innerhalb der vorgeschriebenen Fristen zu erheben, um eine Versäumung der Rügefristen zu vermeiden.
  • Genauigkeit: Stellen Sie sicher, dass Sie den Verfahrensfehler und dessen Einfluss auf das Verfahren genau und nachvollziehbar darlegen, um den Anforderungen der Substantiierung der Rüge zu genügen.
  • Rechtsanwaltliche Unterstützung: Da die Erhebung einer Verfahrensrüge in der Regel komplex ist und spezifisches rechtliches Know-how erfordert, sollten Sie sich bei der Erhebung der Rüge durch einen erfahrenen Rechtsanwalt unterstützen lassen.

Aktuelle Gerichtsurteile zur Verfahrensrüge

Im Folgenden werden einige aktuelle Gerichtsurteile vorgestellt, die sich mit Verfahrensrügen beschäftigen und die Rechtsprechung in diesem Bereich prägen:

  • Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.02.2020 – 4 StR 272/19: In diesem Urteil hat der Bundesgerichtshof eine Verfahrensrüge wegen fehlerhafter Beweiswürdigung zurückgewiesen. Der BGH betonte dabei, dass eine fehlerhafte Beweiswürdigung nicht automatisch einen Verfahrensfehler darstellt und die Verfahrensrüge daher unbegründet ist.
  • Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 27.11.2018 – 5 RVs 116/18: In diesem Beschluss stellte das OLG Hamm klar, dass eine Verfahrensrüge wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs nur dann erfolgreich ist, wenn die betroffene Partei konkret darlegt, inwiefern ihr Vortrag vom Gericht nicht ausreichend berücksichtigt wurde.
  • Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.08.2018 – 1 StR 642/17: Der BGH entschied in diesem Beschluss, dass eine Verfahrensrüge wegen fehlerhafter Besetzung des Gerichts erfolgreich sein kann, wenn die betroffene Partei darlegt, dass ein Richter befangen war und deshalb nicht an der Entscheidungsfindung hätte teilnehmen dürfen.

Häufig gestellte Fragen (FAQs) zur Verfahrensrüge

Im Folgenden finden Sie Antworten auf häufig gestellte Fragen zur Verfahrensrüge:

In welchen Verfahren kann eine Verfahrensrüge erhoben werden?

Eine Verfahrensrüge kann grundsätzlich in allen gerichtlichen Verfahren erhoben werden, sowohl in Zivil- als auch in Strafverfahren. Die Voraussetzungen und Rechtsfolgen können jedoch je nach Art des Verfahrens und des Rechtsbehelfs, in dessen Rahmen die Rüge erhoben wird, unterschiedlich ausgestaltet sein.

Kann eine Verfahrensrüge auch im Rahmen einer Berufung oder einer Beschwerde erhoben werden?

Grundsätzlich kann eine Verfahrensrüge auch im Rahmen einer Berufung oder einer Beschwerde erhoben werden, wenn die Voraussetzungen für deren Erhebung erfüllt sind. Allerdings sind die Anforderungen an die Substantiierung der Rüge und die Darlegung des Verfahrensfehlers und dessen Einfluss auf das Verfahren in der Regel höher als im Rahmen einer Revision.

Worin unterscheidet sich eine Verfahrensrüge von einer Sachrüge?

Die Verfahrensrüge bezieht sich auf Fehler, die im Laufe des Verfahrens aufgetreten sind und die das Ergebnis des Verfahrens beeinflussen können. Eine Sachrüge hingegen bezieht sich auf die materielle Rechtslage und rügt, dass das Gericht das anwendbare Recht falsch angewendet oder ausgelegt hat. Während die Verfahrensrüge in der Regel eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Folge hat, kann eine Sachrüge auch zu einer abändernden Entscheidung des Rechtsmittelgerichts führen.

Was kann ich tun, wenn meine Verfahrensrüge vom Gericht verworfen wird?

Wenn Ihre Verfahrensrüge vom Gericht verworfen wird, haben Sie in der Regel die Möglichkeit, gegen die Entscheidung des Gerichts Rechtsmittel einzulegen, etwa in Form einer Revision oder einer weiteren Beschwerde. Dabei sollten Sie jedoch beachten, dass die Erfolgsaussichten eines solchen Rechtsmittels von vielen Faktoren abhängen und eine genaue Prüfung des Einzelfalls durch einen erfahrenen Rechtsanwalt erforderlich ist.

Kann ich eine Verfahrensrüge auch selbst erheben oder benötige ich dafür einen Anwalt?

Grundsätzlich steht es Ihnen frei, eine Verfahrensrüge auch selbst zu erheben. Allerdings ist die Erhebung einer Verfahrensrüge in der Regel komplex und erfordert spezifisches rechtliches Know-how. Daher ist es ratsam, sich bei der Erhebung der Rüge durch einen erfahrenen Rechtsanwalt unterstützen zu lassen, um die Erfolgsaussichten der Rüge zu erhöhen und die Voraussetzungen für ihre Erhebung sicherzustellen.

Schlusswort

Die Verfahrensrüge ist ein wichtiges Instrument im deutschen Rechtsprozess, um mögliche Verfahrensfehler aufzuzeigen und die Rechte der Verfahrensbeteiligten zu wahren. Die erfolgreiche Erhebung einer Verfahrensrüge erfordert jedoch die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen und eine genaue Darlegung des Verfahrensfehlers und dessen Einfluss auf das Verfahren. Daher ist es empfehlenswert, sich bei der Erhebung einer Verfahrensrüge durch einen erfahrenen Rechtsanwalt unterstützen zu lassen.

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